300 Jahre Kreuzkapelle
Dittwarer Heimatfest
9./10. und 11. September 1983
Vorbemerkung
Das hier vorliegende Buch wurde im Jahr 1983 vom Festausschuss bestehend aus Heinrich Hafner, Rudolf Withopf, Edmund Zegowitz, und Rudolf Walz unter der Leitung von Herrn Pfarrer Kleemann herausgegeben. Das Original ist schon lange vergriffen.
Im Rahmen seiner Aufgabe, die Geschichte des Ortes zu bewahren, hat der Heimat- und Kulturverein Dittwar e. V. dieses Buch neu herausgegeben.
Aus drucktechnischen Gründen und um eine bessere Lesbarkeit zu ermöglichen wurde die Gestaltung etwas geändert. Der Inhalt ist unverändert, aber die damals enthaltene Werbung wurde weggelassen.
Heimat- und Kulturverein Dittwar e. V.
Gissigheimer Straße 18
97941 Tauberbischofsheim - Dittwar
Impressum:
Verantwortlich für Gesamtinhalt ‐ in Vertretung aller ‐ der Festausschuß:
Herr Pfarrer Kleemann, Heinrich Hafner, Rudolf Withopf‚ Edmund Zegowitz und Rudolf Walz
Textbeiträge:
Herr Pfarrer Gehrig und Herr Pfarrer Kleemann sowie die Herren Heinrich Hafner, Manfred Maninger, Reinhold Hammerich, Rudolf Walz
Textbearbeitung, Gestaltung und Abwicklung:
Rudolf Walz
Die Original-Radierungen auf den Seiten 152, 170, 181. des bekannten Künstlers Harald Schmaußer, Sulzfeld/Main, wurden zur einmaligen Reproduktion von Privat zur Verfügung gestellt.
Fotos:
Herr Pfarrer Kleemann, Thomas Zegowitz, Steph an Walz, Josef Geier, Armin Holler, Rosa Weber, Rosa Lotter, Rudolf Withopf, Walter Hammerich, Lorenz Hammerich, Erich Hammerich, Manfred Maninger, Regina Molter, Franz Withopf‚ Rudolf Walz
Druck:
Stieber-Druck, Inh. Herbert Bier, Tauberstraße 35, 6970 Lauda-Königshofen
Reproduktion und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Herausgeber und des Verlages Stieber-Druck, Lauda, gestattet.
Wenn man Fehler gemacht hat, bezeichnet man dies gern als „Erfahrungen sammeln". Oscar Wilde
Sollten auch wir bei dieser Festschrift/ diesem Heimatbuch „Erfahrungen gesammelt” haben, bitten wir um Nachsicht.
Grußworte
300 Jahre sind zwischenzeitlich vergangen, seitdem auf dem Dittwarer Kreuzhölzle, der Fundstätte der Figuren der Gottesmutter und des hl. Johannes, eine Kapelle errichtet wurde. Einige Jahre später wurden der Kreuz-weg und einzelne Kreuzwegstationen erstellt. Seit dieser Zeit ist die Kapelle das Ziel zahlloser Pilgerscharen. Die Kapelle überstand alle Wirren der Zeit. Aus den Unterlagen ist zu entnehmen, daß unsere Vorfahren die Kapelle nur mit viel Einsatz und unter schweren Opfern erstellt haben und erhalten konnten; der bereits angeordnete Abbruch der Kapelle (1824) als auch ihre beabsichtigte Versteigerung (1822) konnten durch den entschlossenen Widerstand Dittwarer Frauen verhindert werden. Umso mehr stehen wir heute in der Verpflichtung, diese Gnadenstätte zu erhalten. In der Vergangenheit wurden Kapelle und Kreuzweg immer wieder erweitert und renoviert. Umfangreiche Renovationsarbeiten waren in den vergangenen Jahren erforderlich. Zur Verwirklichung haben viele beigetragen, denen wir an dieser Stelle herzlich danken. Mögen Kapelle und Kreuzweg auch in Zukunft Stätten der Hilfe, des Gebetes und der Gnade sein. In diesem Jahr soll das 300jährige Jubiläum der Kreuzkapelle festlich gefeiert werden. Diese kirchliche Feier wird mit einem Heimatfest verbunden. Alle Gäste dürfen wir herzlich willkommen heißen und ihnen angenehme Stunden in Dittwar wünschen.
Erich Hollerbach Heinrich Hafner
Bürgermeister, Tauberbischofsheim Ortsvorsteher, Dittwar
Grußwort des Pfarrers
An die Besucher unseres Jubiläumsfestes
Auch die Pfarrgemeinde St. Laurentius in Dittwar begrüßt alle Gäste, die in diesen Tagen in unser Dorf kommen. Viele ehemalige Dittwarer sind darunter, die auch in ihrer neuen Heimat sich der Kreuzkapelle verbunden fühlen. Viele von ihnen sind in ihrer Kindheit oftmals zum Kreuzhölzle hinaufgewallt, und die Stunden in der dortigen Stille gehören zu ihren wichtigsten Kindheitserinnerungen.
Auch viele Vertreter kirchlicher und weltlicher Behörden haben ihr Kom‐ men zugesagt. Dafür danke ich herzlich. Ich sehe darin den Beweis, daß unsere kleine Wallfahrtsstätte ihre Bedeutung auch heute noch nicht verloren ha t.
Begrüßen möchte ich aber auch die vielen Pilger der umliegenden Ge‐ meinden, die wie ihre Vorfahren noch gerne zum Kreuzhölzle kommen. Ich hoffe, daß diese Tradition in Zukunft noch mehr neu belebt wird.
Ich wünsche allen Gästen, daß sie durch den Besuch der kirchlichen und weltlichen Feierlichkeiten eine innere Bereicherung erfahren. Für uns Ditt‐ warer, die wir dieses Fest vorbereitet haben, war es wohl die schönste Erfahrung, daß alle Vereine mit der Kirchengemeinde zusammen in beispielhafter Einmütigkeit die gemeinsame Feier vorbereiten durften. Ich wünsche mir, daß diese Einheit als Frucht der Feier dieses Festes unter uns allen erhalten bleibt.
Pfarrer Rupert Kleemann
Das „Kreuzhölzle“ zu Dittwar
Anlaß für unser Heimatfest im Jahre 1983 ist ein besonderes Jubiläum. Seit über 300 Jahren ist der Name Dittwar eng verbunden mit einer Wallfahrt und mit einem kleinen Kirchlein, das genau vor 300 Jahren eingeweiht wurde. Seit dieser Zeit ziehen Tag für Tag Pilger aus nah und fern zu diesem heimeligen Platz, eine knappe halbe Stunde vom Ortskern entfernt. Auch diejenigen, die nicht als Beter diese Stätte besuchen, finden dort inneren Frieden und eine geheimnisvolle Geborgenheit. Hier scheint sich Göttliches auf die Erde herabzusenken und den aufgeschlossenen Besucher innerlich anzusprechen. Dies bestätigen auch viele Dittwarer, die nicht mehr zu den regelmäßigen Kirchenbesuchern gehören, die aber dennoch an diesem Ort mit ganzem Herzen hängen. Wie kommt es zu der Erbauung der Kapelle und zur Entstehung der Wallfahrt?
Ein seltsamer Fund
Es war in den bitteren Notzeiten nach dem 30-jährigen Krieg, als ein taub‐ stummes Mädchen namens Anna Maria Krank in den ersten Winterwochen des Jahres 1669 von ihrem Oheim Johann Krank in den Wald geschickt wurde zum Holzsammeln. Die 14‐jährige entdeckte dabei in der Höhlung eines Eichbaumes 2 Figuren, die die Schmerzhafte Muttergottes und den heiligen Johannes darstellen. Ihre Größe beträgt ca . 18 cm. Das Waisenkind Anna Maria zeigt auch ihrem 11‐jährigen Bruder Jakob die Figuren. Dieser bezeichnet durch Einschnitte den Baum. Dann nehmen sie die Statuen mit nach Hause und errichten einen kleinen Altar. Das jüngste Kind von Johann Krank wird im März des gleichen Jahres schwer krank. Johann macht ein Gelübde, er wolle die beiden Figuren renovieren lassen. Das Kind gesundet auf wunderbare Weise. Nach der Renovation der Figuren wurde Johann durch ein besonderes Zeichen am 2. Februar 1670 aufgefordert, die Statuen wieder zur Eiche zu bringen. Vor dem Notar beschrieb er dieses Zeichen als eine seltsame Erscheinung von Lichtstrahlen und Rauch über den Figuren, die er während eines Gebetes am Lichtmeßtag hatte. Ein Mitbürger mit Namen Hans Weber betrieb die Verehrung der Statuen und ermunterte viele Einwohner zum Besuch des Eichbaumes.
Bereits im Jahre der Aufstellung der Figuren werden eine Reihe von wunderbaren Gebetserhörungen berichtet, die vom Bürgermeister zu Marbach und vom Notar Faulhaber aus Tauberbischofsheim niedergeschrieben wurden. So war es verständlich. daß Dekan Helfferich von Bischofsheim anläßlich einer Visitation in Dittwar von diesen Vorgängen erfuhr. Er berichtet darüber dem geistlichen Kommissar nach Aschaffenburg, der als Vertreter
des Erzbischofs von Mainz für die geistlichen Belange unseres Gebietes zuständig war. Er verhehlte dabei allerdings nicht seine großen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Wunder. Die bischöfliche Behörde gab den Befehl, die Statuen in die Dittwarer Kirche zu bringen. Damals hatte der Ort keinen eigenen Pfarrer, sondern wurde von Königheim aus seelsorgerisch betreut.
Dennoch zogen nach wie vor viele Gläubige zu dem Eichbaum. Der Erzbi‐ schöfliche Sekretär in Mainz verurteilte diese Andachtsform als Aberglauben und befahl, den Baum umzuhauen. Es wird berichtet, daß bei dem Versuch, den Baum zu zerstören, die Äxte zersprungen wären.
Dekan Helfferich und die kirchliche Behörde gaben schließlich ihren Wider‐ stand gegen die Wallfahrt auf.
Um dieseZeit hingen bereits eine Reihe von Krücken und Wachsabbildungen als Zeugnisse vieler Gebetserhörungen an dem Baum.
Kapellen und Reliquien
Ein großer Förderer der Wallfahrt wurde der aus Dittwar gebürtige Propst Gottfried Hammerich aus Unterzell bei Würzburg (er wurde später der Abt des Prämonstratenserklosters Oberzell).
Er stiftete die Mittel für den Bau einer Kapelle. Offenbar war im Jahre 1683 der Eichbaum nicht mehr vorhanden. Über dem stehengebliebenen Stumpf wurde der Altar des neuen Kirchleins errichtet.
Wenige Jahre später erhielt die Pfarrei Dit twar wieder einen eigenen Pfarrer. nachdem Dekan Helfferich 4.000 Gulden für den Bau eines Pfarrhauses gestiftet hatte. Es war ein Glücksfall, daß ein frommer Einsiedler ab dem Jahre 1713 sich bei der Kapelle niederließ. Christoph Neubert vergrößerte die Kapelle und fungierte viele Jahre als Betreuer des kleinen Heiligtums. Sein größtes Verdienst jedoch waren seine erfolgreichen Bemühungen um die Gewinnung eines Kreuzpartikels und verschiedener Heiligenreliquien. Die Urkunden darüber sind im Pfarrarchiv erhalten; aus ihnen wird ersichtlich, daß im Jahre 1718 der Reichsfürst und Abt des Klosters Fulda, Constantinus, der zugleich Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches war. dem Bruder Christoph Neubert den Kreuzpartikel übergeben hat. Diese selbst war nach seinem Zeugnis im Jahre 842 dem heiligen Rabanus Maurus, dem Erzbischof von Mainz und Abt von Fulda, von Papst Gregor IV. geschenkt worden. Am gleichen Tag erhielt der Einsiedler vom Propst von St. Michael in Fulda eine Reihe von Reliquien, die heute in der Pfarrkirche im Chor aufbewahrt werden. Die Namen der betreffenden Heiligen kann man dort lesen.
Im gleichen Jahr genehmigte die Bischöfliche Behörde die Verehrung dieser Reliquien. Papst Clemens XI. verlieh allen Besuchern der Kapelle am Fest Kreuzauffindung und an allen Freitagen Ablässe.
Der Kreuzweg
Die Wallfahrt erfuhr von nun an einen großen Aufschwung. Aus vielen Orten der Umgebung kamen die Pilger. Auch hochgestellte Personen zählten zu den Gönnern. Der Verwalter des Spitals in Tauberbischofsheim. Johannes Carolus Sauer, stiftete im Jahre 1728 eine Steinfigur, die Jesus neben dem Kreuz sitzend darstellt. Man nennt sie „die Ruh Christi“. Damals haben schon viele Leute auf dem Weg zur Kapelle den Kreuzweg gebetet.
Im Jahre 1747 wird bereits die Druckerlaubnis einer bischöflichen Kommis‐ sion für das erste Wallfahrtsbüchlein gegeben. Darin wird geschildert, daß nicht nur die Kapelle durch den Anbau einer Sakristei im Jahre 1730 und den Einbau einer Orgel an Bedeutung gewonnen hatte, sondern daß bereits 14 kleine Kapellen als Kreuzwegstationen errichtet waren. Die 12. Kapelle wurde Kalvarienberg genannt. Sie war größer als die übrigen; in ihr war ein Altar zur Erinnerung an die Kreuzigung. Man zählte von der ersten Station bis zum Kalvarienberg 1361 Schritte. Das soll der Abstand des historischen Kreuzweges in Jerusalem sein. In diesem Büchlein werden auch eine ganze Reihe von weiteren Wundern aufgezählt, die sich im Jahre 1670 ereignet haben. Der Hauptstifter für den Kreuzweg des Jahres 1747 war der damalige Spitalverwalter Christoph Bernhard Müller. Er schenkte außerdem Kelch und Meßgewand, die bei der Feier der hl. Messe in der von ihm errichteten Kalvarienkapelle benützt werden sollten. Der Pfarrer von Dittwar feierte in der Kreuzkapelle an jedem Freitag die hl. Messe und hörte Beichte. Viele auswärtige Priester feierten mit ihren Gläubigen hier die Messe an den Wallfahrtstagen. Der Höhepunkt der religiösen Feierlichkeiten war jedoch jährlich das Fest Kreuzauffindung (3.5.) und Kreuzerhöhung (14. September). Franziskanerpatres aus Tauberbischofsheim kamen an diesen Festtagen zum Beichthören, zur feierlichen Prozession und zur Feier von Messen in der Kreuzkapelle und Kalvarienkapelle. Auch am Kirchenpatrozinium (St. Laurentius, am 10.8.) war es üblich, daß die Patres dem Pfarrer aushalfen.
Die feierliche Einweihung des seit 1747 bestehenden Kreuzweges erfolgte im Jahre 1759 durch die dafür privilegierten Franziskaner.
Die Hochblüte der Wallfahrt
Der große damalige Wallfahrtsbetrieb konnte nur durch die am Platz wohnenden Einsiedler geleitet werden. Bis 1735 wirkte Christoph Neubert. Ihm folgte Sebastian Zehner. Im Jahre 1756 kleidete der Pfarrer von Dittwar einen neuen Eremiten ein. Nach 1800 sind sogar zwei Einsiedler ansässig. An diese frommen Männer erinnerte bis vor kurzem das sogenannte „Brudersbrünnle“ imTal unterhalb der Kapelle. Dort wurde das Wasser geholt. Während an den Höfen Europas die Aufklärung ihren Einzug hielt, pilgerte das Volk in großen Scharen zu der beliebten Kapelle. Aus dieser 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts wird auch von einer großen Viehseuche in der Umgebung berichtet. Damals zog fast die gesamte Bischofsheimer Bevölkerung zu dieser Gnadenstätte. Dem Bußgeist der damaligen Zeit folgend rutschten viele Beter knieend den Weg hinauf.
Schlimme Zeiten für die Wallfahrt
Der Geist der Aufklärung war auch in die Kirche selbst eingedrungen.Der Mensch des 18.Jahrhunderts erlebte eine ungeheuere Bereicherung seines Wissens. So waren viele Gelehrte überzeugt, daß die Menschheit mit dem Geiste derVernunft bald alle Geheimnisse der Welt ergründen könne. Ebenso waren viele überzeugt, daß es dem Menschen möglich sei, aus eigener Kraft ein sittenreines Leben zu führen. Gott war für die Erhaltung dieser Welt nicht mehr notwendig. Man verbannte den Schöpfer in einen unendlich weit entfernten Himmel, wo er ohne Interesse für die Menschheit existiert oder man leugnete ihn schließlich gänzlich. Der Kirche kam nach dieser Lehre nur noch die Aufgabe zu, über den sittlichen Wandel des ungebildeten Volkes zu wachen, während die vom Geist der Vernunft geleiteten „aufgeklärten“ Bürger einer übernatürlichen Religion nicht mehr bedurften.
So war den Aufklärern alles ein Greuel, was Übernatur, Wunder, Gebets‐ leben‚ ja schließlich die Religion überhaupt betraf. Die von diesem Geist geleiteten Landesfürsten versuchten die Kirche zu einem Werkzeug des Staates zu machen. Die Pfarrer sollten die O rdnungskräfte eines gesitteten Staats‐ wesens sein.
Sicher waren im Frömmigkeitsleben des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit auch viele Auswüchse. Diese zu bekämpfen, war Pflicht der kirch‐ lichen Behörden. Nun aber verfiel man in ein Extrem: kirchliche Orden wurden verboten, Neben- und Wallfahrtskirchen geschlossen oder gar abgebrochen, Wallfahrten verboten, die Heiligenverehrung eingeschränkt. Unter Napoleon zerbrach das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Es entstanden die süddeutschen Fürstentümer. So war im Jahr 1806 auch Dittwar badisch geworden. Im Geiste der Aufklärung verlangte der Großherzog dieAufhebung auch der Wallfahrtskirche in Dittwar.
Ein tapferes Geschlecht
Was war über die Bevölkerung in jenen Jahrzehnten doch alles hereinge‐ brochen? Die Kriege gegen Frankreich und schließlich mit Frankreich ver‐ wüsteten das Land, viele Männer mußten in den Krieg. Die Armut wurde durch Kriegssteuer und Abgaben immer drückender. Die gläubige Bevölke‐ rung klammerte sich umso mehr ans Gebet und an ihre Gnadenstätte. Doch die Regierung war uneinsichtig. Pfarrer Hofer (1807-1817) vermochte es immer wieder, die Zerstörung der Kapelle zu vereiteln. Pfarrer Geiger (1818‐1825) war selbst vom Geist der Aufklärung geprägt, wie so viele andere aus dem damaligen Klerus. Bereits sein Vorgänger, Pfarrverweser Schuhmann (1817‐1818) hatte im Jahre 1817 auf den Befehl der Landesbehörde hin, die die „Religionsschwärmerei“ in der Kreuzkapelle zu Dittwar bekämpfte, die Altäre und das Inventar der Kapellen größtenteils in die Pfarrkirche gebracht und die beiden Einsiedler fortgeschickt. Dies brachte ihm den Haß der Bevölkerung ein. Diese zog nach wie vor treu zu der Kapelle, auch wenn dort keine Gottesdienste mehr stattfinden durften. Auch Pfarrer Geiger konnte dies nicht verhindern. Im Sommer des Jahres 1822 wurde die Behausung der Eremiten versteigert und abgerissen. Im Oktober 1822 drängte das Kreisdirektorium Wertheim erneut auf den Abbruch der Kapellen. Als Vorwand wurde immer wieder angegeben, daß in diesen „Schlupfwinkeln“ Unsittlichkeit getrieben würde. So wurde die Versteigerung in diesen letzten Wochen des Jahres 1822 angeordnet. Aus einem späteren Bericht entnehmen wir. daß an dem betreffenden Tag die männlichen Bürger des Dorfes, von denen man Widerstand befürchtete, nach Bischofsheim auf des Bezirksamt beordert wurden. Hier wurden sie festgehalten. Aber die Rechnung der Behörden ging nicht auf, da die Frauen zur Kapelle zogen und die fremden Stei gerer handgreiflich bedrohten und selbst den Beamten und Pfarrer zur Flucht zwangen. So wurde der Abbruchsbefehl durch einen Erlaß des Ministeriums am 24.12.1822 zurückgenommen.
Die Wallfahrt heute
Es vergingen noch einige Jahrzehnte, bis endlich im Jahre 1845 das Erz‐ bischöfliche Ordinariat die Feier der heiligen Messe wieder erlaubte. Das Erzbistum Freiburg war im Jahre 1821 gegründet worden. Die ersten Bischöfe konnten nur zögernd den Kampf gegen das Staatskirchentum beginnen. Erst Erzbischof Hermann von Vicari (ab 1842) konnte die letzten Wirren der Aufklärung in seinem Klerus überwinden. Bereits im Jahre 1842 hatte sich der Großteil der Dittwarer Bürger an das Ordinariat gewandt mit der Bitte um Genehmigung derWallfahrt. Sie begründeten dies mit dem Satz: „Was unseren Vätern heilig war, bleibt auch uns heilig…“
Die Bevölkerung war sehr arm. Es bedurfte vieler Opfer und auch Samm‐ lungen in auswärtigen Gemeinden, um das Gotteshaus wieder würdig zu renovieren. Schließlich wurde sogar eine Orgel erstellt und ein neuer Kreuz‐ weg errichtet (1867‐1872). Nachdem im Jahr 1866 ein neues Wallfahrts‐ büchlein gedruckt war, begannen auch wieder die Pilgerfahrten. Alle Pfarrer haben seit dieser Zeit sich bemüht, die Kapellen in würdigen Zustand zu versetzen und die Wallfahrt zu beleben.
Die tragende Kraft aber in der Durchführung aller Arbeiten blieb die Bevölkerung selbst, die in den letzten Jahren die Kapellen und den Kreuzweg in neuem Glanz erstehen ließ.
Pfarrer Rupert Kleemann
Aus der der Geschichte Dittwars
Dittwar schon um 1100 erwähnt
Die früheste Nachricht über ein Dorf erhält man meist aus einem alten dicken Codex eines Klosters oder Domstiftes. Denn in den Klöstern und Stiften saßen kundige Schreiber, die über alle Schenkungen an das Kloster, auch über Kauf, Verkauf und Tausch‚ Urkunden ausstellten. Oft erst Jahrhunderte später trug ein Mönch den Text der Urkunden gekürzt in ein Buch ein. Sehr berühmt ist der „Lorscher Codex“ des Klosters Lorsch an der hessischen Bergstraße, worin die vielen Schenkungen seit Gründung des Klosters im Jahr 764 zwar gekürzt, aber mit genauem Datum eingetragen sind. So konnten schon viele Orte im hessischen und badischen Rheintal eine 1200-Jahrfeier ihrer ersten Erwähnung begehen. Aus unserer Gegend ist nur Pülfringen für das Jahr 788 vermerkt, 1988 ist dort das große Fest fällig. DerTaubergrund war zum Benediktinerkloster Fulda und zum Frauenkloster Bischofsheim orientiert. Das letztere ist wohl nach 2 Jahrhunderten (ca. 950 n.Chr.) und ohne Güterverzeichnisse eingegangen. Nach dem weit entfernten Fulda wurde vielleicht wenig aus unserer Gegend gestiftet. Aber in Eubigheim hatte das Kloster Fulda schon im Jahre 856 Besitz und gab ihn tauschweise an Graf Sigehard. Das steht im Codex des Klosters Fulda des Mönches Eberhard. Das Benediktinerkloster Amorbach wurde bei uns mehr beschenkt, aber dessen älteste erhaltene Güterliste betrifft erst die Jahre 1050-1150 und enthält meist keine Jahreszahl zur jeweiligen Schenkung.
(Tauber)Bischofsheim wird schon in der Zeit um 735 genannt, weil dort die heilige Lioba, die Verwandte des Missionsbischofs Bonifatius, ein Frauen‐ kloster errichtete. Der Würzburger Bischof erhielt 807 vom Graf Audulf die Kirche im Dorf ‚.sciffa" (Unterschüpf) im Tauschweg. Die Kirchen in Schweigern und Königshofen bekam der Würzburger Bischof aus Königsgut, was 823 bestätigt wurde.
Um das Jahr 1100 wird im Taubergebiet wie auch sonst die Begeisterung für ein neues Kloster spürbar: für das Kloster Hirsau im nördlichen Schwarz‐ wald, das die Reformgedanken des Klosters Cluny in Frankreich nun in Deutschland verbreitete. lm später geschriebenen Hirsauer Codex steht der für Dittwar wichtige Vermerk: „Diepertus von Tieteburen“,(= Dittwar!)hat fünf Huben (Bauernhöfe) in Tagenbach (westlich Mergentheim, Dainbach) geschenkt, welche dann Trageboto, der Bruder des Richard von Tietickeim (Dittigheim), von uns kaufte. Gegen Ende seines Lebens hat er sie dem heiligen Petrus ( = dem Kloster Hirsau) zurückgegeben. Wir haben sie den Klosterbrüdern zu Schonrain ( = Schönrain bei Gemünden am Main) überlassen". Eine Jahreszahl fehlt leider, aber auf Grund der zuvor und her‐ nach eingetragenen Schenkungen ist die Zeit um 1100 anzunehmen. Das ist
also die erste Nennung für Dittwar, auch für Dainbach." Aber Dittigheim erscheint schon um 800 im Urkundenbuch des Klosters Fulda (veröffentlicht 1850 von Ernst Dronke; dort auch Wenkheim um 800 erwähnt!)
Welch große Anziehungskraft um 1100 das Kloster Hirsau hatte, beweisen folgende Adligen: Diemar von Röttingen (oberhalb von Weikersheim) trat in das Kloster ein und gab 1103 sein gesamtes väterliches Erbe dem Kloster, 365 Hufen (Höfe), Mühlen, Weinberge und Ländereien. Eine Gräfin Geba von Ostfranken‚ wohl die Witwe des 1115 verstorbenen Grafen Heinrich von Rothenburg ob derTauber, 1a) schenkte um 1116 bei ihrem Eintritt zwar nur 12 Hufen und Weinberge bei Mergentheim, aber sie kaufte dem Kloster noch beträchtliche Güter im Wert von 161 Mark Silber und schenkte eine Reihe sehr wertvoller Kirchengeräte. Hirsau hatte irgendwo auch ein Frauenkloster. Bei der Schenkung des Diemar aus Röttingen waren drei Huben in Krensheim (‚.Carentzheim“). Ceispreth von Ussikein schenkte in diesem Ort (Uissigheim) ein Gut, das später für 8 Mark verkauft wurde (in den Jahren 1100-1150).
Durch den Edelherrn Heinrich von Luden an das Domstift Würzburg
Der Diepert von Tieteburen gehörte sicherlich dem höheren Adel an, er konnte auswärtige Höfe verschenken und hat sich nach der Mode des höheren Adels wohl in der Zeit 1100‐1150 eine Höhenbu rg gebaut. Im Jahr 1169 ist diese Burg Dittwar Besitz des Edelherrn Heinrich von Luden (Lauda), der als Edelherr (nobilis homo) ebenfalls dem höheren Adel angehörte, obwohl er kein Graf war. Wahrscheinlich war das Dittwarer Adelsgeschlecht ausgestorben, das Laudaer Geschlecht erbte die Burg Dittwar mit ihrem Zubehör.
Heinrich von Luden übergab nun 1169 dem heiligen Kilian, das heißt dem Domstift Würzburg, seine Güter, seinen Teil an der Burg Luden, die Burg Dietebure mit den Leuten und deren Gütern sowie mit allem Zubehör und dem dritten Teil der Kapelle in Mergentheim; jedoch erhielt er es zu lebens‐ länglichem Nießbrauch zurück. Bischof Herold von Würzburg bestätigt dies urkundlich und gibt ihm lehensweise jährlich 5 Talente Würzburger Währung vom bischöflichen Hof Frickenhausen. Heinrich von Luden machte diese Schenkung zu seinem und seiner Eltern Seelenheil 2). Daß er gerade dem Domstift Würzburg seine Güter anvertraute, könnte seinen Grund darin haben, daß er womöglich einen Verwandten im Domkapitel hatte. Der die Urkunde mitunterzeichnende Domsänger Gottfried war vielleicht sein Bruder und stieg später (1193) zum Dompropst‐ und 1197 zum Bischofsamt auf (aber noch im gleichen Jahr und vor der Bischofsweihe gestorben). Dieser Stiftsherr Gottfried dürfte den anderen Teil der Burg Lauda dem Domstift geschenkt haben.
Nach dem Tode des Heinrich von Luden übernahm Siboto von Luden die Burg Lauda und ohne Zweifel auch Dittwar. Auch dies Geschlecht starb im Mannesstamm aus; die Erbtochter Kunigunde heiratete den Grafen Ger‐ hard von Rieneck. Sie gaben Lauda und Dittwar dem Würzburger Bischof nicht zurück. 1225 soll der neugewählte Bischof Hermann von Würzburg im Auftrag des Domkapitels „das Lehen zurückgewinnen, das Siboto von Luden hatte und das der Graf von Rieneck gewaltsam behält“.3) Der Bischof konnte sich gegen den Rienecker nicht durchsetzen. Dem Graf von Rieneck gehört dann Grünsfeld und Lauda, er gibt ohne Zweifel die Burg Dittwar und den anderen Besitz in Dittwar an Niederadlige (Ritter, Edelknechte) zu Lehen aus. Die Rechte des Grafen von Rieneck werden in einer Urkunde von 1279 sichtbar. Ulrich von Hanau, Elisabeth, seine Gattin und Graf Ludwig von Rieneck gestatten den Nonnen von Gerlachsheim den ruhigen Besitz derjenigen Güter in Diethebur. die das Kloster der Prämonstratenserinnen von dem adligen Arnold von Kochendorf gekauft hatte.4) In der Neuzeit gehörte dem Juliusspital Würzburg ein „Nonnenhof“ in Dittwar. Sicherlich sind das die Grundstücke der Gerlachsheimer Nonnen von 1279. ‐ Vor dem Jahr 1331 war offenbar Engelhard von Dietbur Besitzer der Burg Dittwar, denn am 29.1.1331 erscheint in einer Urkunde des Klosters Seligental (Cisterzienserinnen bei Seckach) Elisabeth, Witwe des Engelhard von Dietbur (Ogiermann, Tauberbischofsheim. 1955 S.334). Es ging um einen Weinberg zu Bischofsheim.
Die Burg als Lehen der Grafen von Hohenlohe an das Rittergeschlecht von Dittwar.
Schon im Jahr 1245 erscheint ein Niederadliger, der sich nach Dittwar nennt und demnach die Burg Dittwar als Lehen vom Graf von Rieneck innehatte. Es ist der Conradus von Diethibur, dessen Frau mit ihren Kindern dabei war, als Kraft von Boxberg für den Fall, daß er ohne Erben sterbe. seinem Schwager Gottfried von Hohenlohe die Feste und Herrschaft Boxberg mit Urkunde vom 15. Mai 1245 vermacht.5)
Ein Jahrhundert später haben die Grafen von Hohenlohe die Burg in Lauda, sie vergeben dann auch die Burg in Dittwar zu Lehen. Das erfahren wir aus dem Hohenloher Urkundenbuch:6)
Gerlach von Hohenlohe, wohl im Jahr 1357: „Heinrich Hundlin hat empfangen einen halben hof zu Dyetbur und zehn malter korn (als jährliches Geld!). Item Cunrad Hundlin hat empfangen ein haus in der burge ze Luden, item die weingarten zu Oberluden." (S. 96). Zwischen 1373-1377: „Item die gut (= Güter) zu Ditbur, di Heintz Hundlins vetter het und Hans Hundlins brudersohn, di gehn zu lehen zu Luden, di hat Hans Hundlin empfangen und seines vetters sun zu treuen henden." (S. 117)
„Item anno 1377 vor dem tag des heiligen Martinus haben wir, Gerlach von Hohenlohe,verlihen Heinrich Munchen von Dyetbur das drittail an dem hus e ze Ditbur, alz sein vater bizher an ihn brocht hat. (S. 117) Die Burg eines Adligen wird oft „sein Haus“ genannt. So ist hier die Burg von Dittwar gemeint, wie aus der nächsten Verleihung klar hervorgeht: „Item Götzen
Münch von Dyetwur haben wir verlihen den dritteil an dem haus zu Dietwur, daz in der burg ze Dyetwur stet bei dem tor, und seine recht, die dorzu gehoren ze turn und zu tor“. (S. 119)
Die Burg Dittwar hatte also einen Turm, ein festes Tor und ein Wohngebäude, das genügend Raum für 2 oder 3 Familien bot. Das Dittwarer Niederadelsgeschlecht dieser Zeit trägt den Beinamen „Münch“, es kann trotzdem von dem Conrad von Dittwar des Jahres 1245 abstammen.
Der erwähnte Vater des Heinrich Münch von Dittwar ist wahrscheinlich der Cuntz Munch von Dietbuer, der als Edelknecht im Jahr 1369 in einer Wertheimer Urkunde genannt ist.“ Es ist oben ausdrücklich gesagt, daß der Vater des Heinrich Munch von Dittwar das Haus (die Burg, wenigstens ein Drittel) innehatte. Die Urkunde von 1369 besagt: Cunrad Hundelin von Werbachhausen, Edelknecht, und Frau Hedwig verkaufen an Cuntz Münich von Dietbur Gülten zu Oberwittighausen um 91 Pfund Heller.
Schließlich urkundet noch ein Rapot Munch von Dittwar im Jahr 1390: „Ich Rapot Munch ze Dyetpuer und Dietrich Zobel ze Grunsfeldhusen tun kunt" über strittige Drittelzehntäcker zu Großrinderfeld. Dabei zeigt das Siegel des Zobel den bekannten Pferdekopf, das Siegel des Rapot Münch aber zwei Ouerbalken im Schild.“ Demnach sind die Dittwarer Münch nicht identisch mit dem Geschlecht Münch von Rosenberg und von Hainstadt. deren Siegel‐ und Wappenbild ein Mönch war. Rapot Munch ze Dietpuer ist nochmals im Jahr 1400 in einer Urkunde des Archivs zu Amorbach erwähnt. Der obige Cuntz Munch von Dietbur des Jahres 1369 hatte ein „Erbburggut zu Schweinberg vom Graf zu Wertheim zu Lehen, das von Cuntz Münch auf Eberhart Hund zu Sweinburg kommen und geerbt ist und von diesem auf Jorg Hund" des Jahres 1454.9) Eberhart Hund war 1371 noch unmündig und ist dann 1392-1436 genannt. Cuntz Munch von Dittwar hatte das Burggut zu Schweinberg vor und um 1370. Inhaber von Burggütern hatten die Pflicht, in Gefahrenzeiten zur Verteidigung der Burg dort anwesend zu sein. Von diesem Cuntz Munch könnten die Hund von Wenkheim ein Drittel der Burg Dittwar geerbt haben, denn Heinrich Münch und Götz Münch hatten je nur ein Drittel.
Ganz unzuverlässig ist dagegen die Nachricht von E. Schuster: „In Dittwar sollen zwei Burgen gestanden haben, von denen die eine 1371 an die von Riedern, dann an die Herde zu Dumenek kam. während der Ortsadel auf der andern Burg gesessen haben soll.“10) Die Herren von Riedern hatten nach den Urkunden nur Zehnten und Gülten in Dittwar, welche wie Gissigheimer Gülten und Rechte erst 1623 an die Herda von Domenek fielen (sieheKapitel Zehnt!).
Die Burg als Lehen der Pfalzgrafen an die Hund von Wenkheim
Die Laudaer Lehensrechte der Grafen von Hohenlohe gingen an die Pfalz‐ grafen bei Rhein über, und zwar 1410 bis 1499 an deren Seitenlinie zu Mosbach: Pfalzgraf Otto I. und dann Otto II. In deren Lehenbücher (heute im Archiv zu Karlsruhe) finden wir wieder Urkunden über die Burg und Ein‐ künfte zu Dittwar.
Am 18. Juni 1411: „Ich Dietrich Hund bekenne, daß ich von dem durch‐ luchtigen fürsten, Herrn Otten pfaltzgraven by Rine und Hertzogen in Beyern diese güter und gülten mit namen zwey teyle an dem winzehenden zu Werpachhausen, den kirchensatz zu Oberaltertheyn und die Cappellanye zu Genrichsheim (Gerchsheim), item die g u t (Güter) zu Dietbur, vier morgen wiesen die heyssen die Renwiese, item eyn Hoff daselbs der liget wüste, der hat golten 10 malter frucht und eyne gans, item 8 malter uff anderen Iehendaselbst und sechzehn huner (Hühner) mit iren zugehorungen und 18 pfennige und den hof zu Beyertal zu manlehen enpfangen han." Die Burg wird ausdrücklich im Lehenbrief vom gleichen Tag an Hans Hund genannt: „Ich Hans Hund der Elter bekenne und tun kund, offenbar mit disem briefe, daß ich von dem durchluchtigen hochgebornen fürsten und herren, hern Otten Pfaltzgraven by Rine und Hertzogen in Beyern myme gnedigen lieben Herren myn teyle an der burge zu Dietpure und einen hoff zu Dietpure halben, der da wüst lyt und 10 malter frucht und ein gans golten hat, zu manlehen enpfangen hon als das auch von yme zu rechtem manlehen ruret und geet, und sollent auch ich und min manlehens erben das furbaß alzyt, als dicke des nott gescheen wurdet, von dem obgenannten myme gnedigen Herren Hertzog Otten und sinen erben enpfahen, haben und tragen . . „ (Siehe Kopie aus 67/1005 f. 106 im Generallandesarchiv).
Am 17. März 1413 erhielt auch Adam Hund seinen Anteil an diesem Lehen (GLA 67/1005, 108). Der Hof Baiertal aber wurde am 6. Jan. 1457 geson‐ dert an Hans Hund verliehen. Die Brüder Leonhard, Hans und Georg Hund bekannten am 23. Mai 1457 das Gesamtlehen, zu dem inzwischen noch Güter gekommen waren, welche die Hund als Erbe von Rupolt und Konrad Münch über ihren Ahnherrn (Großvater) übernommen hatten; dieses Erbe ist aber nur als „Acker, Wiesen, Weingarten, Zinsen und Zehnten“ bezeichnet. So schreibt Jörg Hund in seinem Brief: „Ich Jorg Hundt han enphangen . . . mynen teyl an der burg zu Ditwure und einen hoff zu Ditwure halben, der wüst gelegen ist, und all die güter die von Ropolten und Contzen München uf Hans Hunden mynen anherrn (um 1411 schon!) selig kommen sein‚ es sy hoffe, ecker, zehenden. gülten, wingarten‚ vastnachthunre . . . (GLA 67/1912f.60).
Der Lehenrevers der drei Brüder für Pfalzgraf Otto II. ist am 6. Dez. 1463 ausgestellt (GLA 67/1906‚ 112). DerAnteil des Hans Hund an diesem Lehen ging später auf seinen Sohn Asmus über, der gegenüber Kurfürst Philipp am 27.3.1500 dies bestätigte. (GLA 67/1009, 34) Georg Hund vererbte seine Anteile an seinen gleichnamigen Sohn, der sich 1486 auch die inzwischen an Konrad Mistbeck zu Wertheim gekommenen Lehensanteile des verstor‐ benen Eberhard Hund sichern konnte (GLA 67/870, 16). Sein Lehensrevers für Kurfürst Philipp stammt vom 16.3.1500. (GLA 67/1009, 31). 11)
Da Pfalzgraf Otto II. keine Kinder hatte, fiel die Lehensherrschaft 1499 an den Pfalzgraf in Heidelberg, den Kurfürsten Philipp. Die „Fasnachthühner mit ihren Rechten“ bedeuten früher überall, daß bei Verkauf und Vererbung dieser Güter oder Grundstücke der fünfte oder meist zehnte Teil des Wertes an den Lehensherrn gezahlt werden mußte. Es ist nie die Rede von zwei Burgen in Dittwar, sondern die eine Burg wurde in zwei Teilen und zeitweise in drei Teilen an verschiedene Adlige verliehen. ‐ Noch 1619 zählt ein Verzeichnis der Hund von Wenkheim kurpfälz. Lehen auf: den Kirchsatz zu Oberaltertheim. die Kaplanei Gerchsheim‚ Gülten zu Dittwar (Chronik Wenkheim).
Die Hof- und Burgbesitzer von Muggental und von Bettendorf
Ursula Magdalena Hund von Wenkheim war von 1643 bis zu ihrem Tod 1645 mit Philipp Adam von Muggenthal vermählt. Dadurch hat dieser wohl Anteil an der damals schon verfallenen Burg Dittwar erhalten. Dieses bayrische Geschlecht hatte 1615 das Schloß Laibach östlich Krautheim gekauft und neu gebaut. Auch Meßbach, nicht weit davon, gehörte ihnen. Erhard von Muggental war 1635 churmainzischer Rat und Oberamtmann zu Krautheim. Im Jahr 1668 hat ein Freiherr von Muggental Teil am Zehnten zu Dittwar. Schließlich haben wir eine wichtige Urkunde aus dem Jahr 1707: Johann Philipp Freiherr von Muggental, Herr bu Hexenager (bei Kelheim Bayern), zu Laibach und Meßbach, Oberamtmann zu Krautheim‚verkauft am 18. März 1707 an den Freiherrn Johann Philipp von Bettendorf zu Gissigheim und Eubigheim seinen Teil am großen und kleinen Zehnt und am Weinzehnt zu Dittwar „samt einer frey eigentumblichen Burgg, so mit Muggentalischen Steinen bezäunet“.12)
Anscheinend war in derZeit seit 1500 das Lehensverhältnis durch eine Geldzahlung aufgehoben worden, da die Burg als freies Eigentum bezeichnet wird. Joh. Phil. von Muggental hat 1707 „den Zehnten und den freieigen‐ tumblichen Platz, so mit Muggentalischen Steinen bezäunet, gänzlich abge‐ treten". Das ist sicherlich die ehemalige Burg.
Schon immer erzählt man, eine Burg stand links der Straße zum Hof Stein‐ bach, wo der Flurname Burghelle noch heute im Gemarkungsplan einge‐ tragen und im Volksmund üblich ist. An vielen Orten ist der Flurname Helle aus „Halde“ entstanden. In Tauberbischofsheim erscheint der Flurname Hachmarshelle 1495 öfters als Hadermanshelde und Hadermanshalde. Die Burghelle in Dittwar ist also ohne Zweifel die Burghalde, die Halde, der Abgang unter der Burg. Trümmer der Burg waren 1631 noch zu sehen (Kunstdenkmäler 1898).
Das Wappen der Freiherren von Muggental zeigt in goldenem Feld einen aufspringenden Marder in natürlicher Farbe. Das Bettendorfsche Wappen hat in rotem Feld einen silbernen Ring. Vielleicht findet sich einmal ein solcher Wappenstein. Dagegen waren die zwei Wappensteine am Tor eines Hauses (bis vor ein paar Jahren) bürgerliche Wappen, oder besser gesagt, die Hausmarken der ehemaligen Erbauer und Besitzer. Der Schild des Mannes L K zeigte einen Löwen auf einem Podest, der Schild der Frau M B enthielt eine Pflugschar. Bei adligen Wappen werden die Anfangsbuchstaben der Personen nie in dieser Form dazu geschrieben. Das Tor war von 1681.
- Der lateinische Text des Hirsauer Codex ist gedruckt in: Eugen Schneider, Codex, Hirsaugensis 1887.
2) Monumente Boica Bd. 37 S. 91 f.
3) Karl Schreck: Lauda, Schicksale einer fränkischen Oberamtsstadt. 1973. S. 97 f.
4) Zeitschrift für Gesch. des Oberrheins 24 S. 276.
5) Württemberg. Urkundenbuch IV 95
6) Karl Weller, Bohenloisches Urkundenbuch III (1912)
7) Krieger, Topgraph. Wörterbuch Baden. I Dittwar
8) Zeitschrift f. Gesch. des Oberrheins 18. 320
9) Alfr. Friese, Der Lehenhof der Grafen von Wertheim im Mittelalter. 1955 Nr. 131.
Das ..Mushus" der Burg Schweinberg ist das Haus mit dem Speisesaal.
10) Eduard Schuster. Die Burgen und Schlösser Badens, 1907
11) Vergleiche die Zusammenstellung bei: Günther Wüst, Pfalz‐Mosbach. Geschichte einer
pfälz. Seitenlinie. Dissertation Heidelberg 1976.
12) Original mit 2 Siegeln in Karlsruhe nach ZGO 24. 277. Auch GLA 229/19563.
Benachbarte Orte
Willetzheim und andere verschwundene Siedlungen
Als in den ältesten Dörfern die Einwohnerzahl sich gemehrt hatte und das Ackerland knapp wurde, gründete man besonders in der fränkischen „Aus‐ bauzeit" (700 bis 800) gegen die Gemarkungsgrenze zu eine neue kleine Siedlung. Man rodete dazu bisheriges Weideland oder Waldstücke. Manche dieser kleinen Siedlungen gingen nach ein paar Jahrhunderten wieder ein. Vielleicht spendeten die Quellen nach der Rodung des Waldes immer weni‐ ger Wasser im trockenen Sommer. Man konzentrierte sich besonders in der Zeit 1200 bis 1300 in Städten und größeren Ortschaften. Da hatte man mehr Schutz, und die eingegangene kleine Siedlung benötigte keinen eigenen Viehhirten, Schafhirten und Schweinehirten.
Manche Flurnamen deuten auf solche ehemalige Höfe und Weiler hin, deren Namen aber in keinem Schriftstück jener urkundenarmen Zeit zu finden ist. Bei Auflösung eines Ortes zogen die Einwohner wohl öfters in drei verschiedene Nachbarorte, so teilte man die Gemarkung unter die drei anstoßenden Orte auf. Schon vor 90 Jahren hat ein Sprachforscher unserer Gegend (O. Heilig) darauf hingewiesen, daß der Flurname Hussenbach auf der Gemarkung Dittwar und besonders groß auf der Gemarkung Königheim früher Husenbach geschrieben wurde und als „Häuserbach“ zu deuten ist. Denn husen ist genau die Mehrzahl zum alten Wort hus(= Haus). Offensichtlich nahm auch die entstehende Stadt Bischofsheim Wiesengelände von Husenbach an sich, denn Wiesen waren sehr begehrt. Es gab noch keinen Klee für die Winterfütterung des Viehes.
Sodann ist der Dittwarer Flurname Ballersberg bemerkenswert, die Volks‐ phantasie vermutete dort schon eine Burg. Auf Königheimer Gemarkung liegt das hochgelegene Gewann Ballerst, und auf Gissigheimer Gemarkung heißt das anschließende Tal „Ballerstatt“, und ‚.Wasserland". In einem Gissigheimer Schriftstück von 1605 ist vom „Ballerstatter Weg" die Rede. Solche Wegbezeichnungen alter Zeit weisen meist auf eine Siedlung hin, da es fast keine besonderen Flurwege gab. sondern nur die Ortsverbindungswege. „Statt“ bedeutet Stätte, Wohnstätte, Siedlung und ist in vielen Ortsnamen enthalten: Dienstadt, Schlierstadt. Wittstadt, Hainstadt. Noch 1850 zahlte ein Baumgarten im Gissigheimer „Ballerstatt“ Zins wie eine Hofreite, wie der Platz eines Bauernhofes. Das muß also die Siedlung gewesen sein. 1)
Zwischen der Dittwarer Gemarkung und dem Hof Steinbach liegt etwas nördlich auf Dittigheimer Gemarkung das Gewann Losenhof. Schon im Jahr 1502 hieß dieses Gewann so. Im „Liber omissorum, Liber div.form. 78" steht, was an Zinsen und Naturalien aus Steinbach, Dittwar, Willetzheim und Dittigheim jährlich nach Grünsfeld an den Graf von Leuchtenberg geliefert
werden mußte. Aus Steinbach hatte zu zahlen „Claus Röder 40 Pfennig, 2 Fasnachthühner und 2 Sommerhühner von einem Lehen zu Losenhofen ge-nannt. Item (ferner) Adam Weber 20 Pfennig von einem Acker zu Losen‐ hofen liegend, auch 12 Pfennig von einem halben Lehen Losenhofen ge‐
nannt." Besonders die Fasnachthühner weisen wie der Gewanname darauf hin, daß dort früher Bauernhöfe standen, aber längst verschwunden waren. denn sonst wäre Losenhofen als besonderer Abschnitt wie Steinbach einge‐ tragen. Der Gewanname Neuberg, der in sehr vielen Orten vorkommt, bedeutet nur, daß dieser Berg erst später gerodet und bepflanzt wurde. Er ist kein Hinweis. daß dieser Berg in neuerer Zeit von einer anderen Siedlung zur Gemarkung gekommen sei.
Dagegen ist der frühere Flurname Willetzheim auf der Gemarkung Tauber‐ bischofsheim und Dittwar ein typischer sehr alter Ortsname auf -heim. Die Gründung der Orte mit Namen auf -heim kann man schon in der Zeit der fränkischen Landnahme 600‐700 nach Christi Geburt annehmen. Dagegen enthält der Ortsname Dittwar, alt, Dietbure“, das Wort bur = Haus. Dittwar ist demnach das Haus eines Dioto oder ähnlich benannten Gründers. „Ditt -war ist wohl Ausbauort noch vor 900, erst auf Kosten des abgegangenen Willetzheim groß geworden. Der Personenname von Dietebure kann noch im Namen des Edelfreien Diepert von Dietebure um 1100 nachwirken.“2) Denn Adelsgeschlechter wählten oft immer wieder ähnlich klingende Namen. Auch der Hochadel hatte zunächst keine Hochburg, sondern einen Gutshof im Tal, der womöglich mit einem Wall und Palisaden, eingerammten Baumstämmen, geschützt war. Der höhere Adel‚ wie unsere Edelherren zu Dittwar und Lauda‚ baute meist ab 1100 eine höher gelegene Burg. Am Fuß des Burgenberges bildete sich oft wie in Schweinberg ein neues Dorf, oder das alte kleine Dorf wie Dittwar erhielt Zuzug. Durch die Burg hatte man mehr Schutz, außerdem mußten die Dorfbewohner Frondienst und mitunter Wachdienst für die Burg übernehmen.
Aus der Zeit vor 1500 konnte bis jetzt keine urkundliche Erwähnung des Dorfes Willetzheim gefunden werden. Es muß also schon sehr früh ausge‐ gangen sein; im Jahr 1491 werden die kleinen Orte Kützbrunn, Hof Stein‐ bach, Dittwar usw. aufgezählt, die noch kein eigenes Dorfgericht hatten und deshalb auch die kleinen Zwistigkeiten und Scheltworte vor das Centgericht in Bischofsheim zur Beurteilung bringen mußten?" Willetzheim fehlt. es be‐ stand offenbar nicht mehr, oder höchstens noch ein Hof davon, der zu Dittwar zählte. Dagegen wurde die Gemarkung, beziehungsweise das Einkommen aus den Grundstücken der Gemarkung Willetzheim getreu wie in älterer Zeit noch im Jahr 1502 aufgezeichnet.
Als 1502 Grünsfeld mit seinem Zubehör ein Lehen des Hochstiftes Würz‐ burg an den Landgrafen von Leuchtenberg, den bisherigen freien Besitzer, wurde, hat man die nach Grünsfeld fließenden Einkünfte sorgfältig aufge‐ zeichnet.” Sie zeigen, daß die Weinberge der Willetzheimer Gemarkung am nahen Höhberg lagen, der heute zu Dittigheim gehört. Aus Bischofsheim hatte das Spital und ein Heintz Herman in der Gemarkung Willetzheim Besitz, aus Dittigheim ein Burckhard Seifried, aus Dittwar ein Peter Link. Die anderen Zinspflichtigen stammten vielleicht alle aus Dittwar und Bischofsheim. Die Abkürzung „d" bedeutet Denar (= Pfennig), „ß" bedeutet Schilling und Thurnes. (1Gulden hatte damals 21 Schilling oder Thurnes. EinThurnes = 12 Pfennig; ein Pfennig = 2 Heller). Nur einmal ist „von einer Hofreit mit seiner Zugehör" die Rede. sonst ‚„von einem Lehen“ oder „von einem Gut". Ob auf einem solchen Lehen oder Gut noch ein Bauernhof stand, läßt sich nicht sagen. Der Text zeigt uns die umständlichen Abgaben aus früh zersplitterten Gütern; er ist uns besonders wertvoll wegen der Familiennamen aus früherer Zeit und wegen des Flurnamens Höhberg.
Wieletzheim Zinsen auf Martini (1502)
Item Peter Linkh zu Dittwar 11 d von einer Wiese‚ davon Heintz Herman zu Bischofsheim von dem andern theil soviel gibt.
Item Heintz Weiprecht 11 d von dem andern theil der obgerurten wiese etwan (= früher) Heintz Hermans.
Item Endres Speer 25 d von einer wiese (1521 in Bischofsheim ein Hans Speer!)
Item Hans Khanneberger 25 d von einer wiese (1521 ein Peter Kanneberger in Bischofsheim)
Item Hans Weinig und Paulus Khun 25 d von einer wiese
Item Ulein Beckh 25 d von einer wiese
Item Christoffels Thomarts Witwe 2 1/2 ß für ein Becher Oels von einer wiese, mehr(= dazu noch) 20 d von einer wiese.
Item Heintz Ziegler 10 d von einem Lehen und von 1/2 morgen feldacker und von 1/2 morgen wiesen.
Item Fritz Aichel 5 ß und 1 Fasnachthun von einem Lehen, davon er auch, als man hernach findet, Gült gibt.
Item Jörg Durman 2 ß von dem Hermansberg.
Item Hans Dürlein 7 d von einem Drittel eines Lehens.
Item Hans Weigk 7 d von dem andern dritteil des Lehens.
Item Hans Hembd und Hans Hergot von dem dritteil des obgerurten Lehens.
Item Burckhart Seifrid zu Dietigkheim 10 d von einem halben Lehen.
Item das Spital zu Bischofsheim 1 ß von einem Lehen uf dem fronhof genannt.
Item Spital und Hans Ulrich 4 d von einem weingarten am Höchberg vornen am knock.
Item Hans Uffinger 3 d von einem weingarten an Jörg Khaufmann liegend. Item Cuntz Herman 7 d von einer Hofreyth mit seiner zugehör.
Item Peter Mubach 2 1/2 d von einem weingarten vornen am Höchberg. Item Hans May der Jung 1 d von einem weingarten am Höchberg, auß Jacob Seytzen gut gelihen worden.
Item Steffan Kolb und Heintz Sashamer 5 d von einem Kirschgarten am Höchberg.
Item Johann Schweinfurter 1 Heller von einem Kirßgarten am Höchberg. Item Hans Hembd 1/2 von einem weingarten am Höchberg.
Item Hans Hergott 1 d von einem weingarten am Höchberg an Ewald Weickel stoßend.
Item Hans Liebleln 4 d von einem weingarten am Höchberg.
Item Schwarz Philips 2 d von dem andern theil des obgerurten weingartens am Höchberg.
Item Heintz Hupp 2 d von dem andern theil des obgerurten weingartens. Item Hans Thaumuth 1d von 3 Viertel weingarten am Höchberg, an Cuntz Fanckhen innen und an Herr Hans lgersheim außen stoßend.
Item Herr Hans Igersheim 2 d von einem weingarten am Höchberg an Cuntz Fanckhen.
Item Hans Sperer 3 d von drei morgen weingarten am Höchberg, an Endres Schanden gelegen. inwendig an Endres Sesshamer.
Item Mertin Löblein 3 d von dem andern theil des obgedachten weingartens am Höchberg etwan Hans Speer und Bertolds.
Wieletzheim Korngült (Gülten sind Naturalabgaben!)
item Fritz Aichel 1/2 malter korn von einem gut alda ligend.
item Lienhart und Peter Soner und Hans Gebhart 3 Metzen flürlich von 3 morgen ackers am Höchberg etwan Hans Liebleins (flürlich = wenn es Brachflur ist, braucht er nichts zu geben).
Habergült zu Wieletzheim
Item Heinrich Ziegler, Fritz Aichel 1 malter von iren gütern.
Item Hans Hembd und Hans Hergot‚ Hans Weickhel und Hans Dirlein 1 malter von einem gut.
Item Hans Burckart 1/2 malter von einem gut.
Dietwar Zinß und Gült
Item Jörg Brotbeckh 4 ß von einem Lehen im dorff.
Item Jörg Brotbeckh und Claus Weber 5 ß, 1 Fasnachthun von einem gut, gibt Jörg Brotbeckh den sechsten thail.
Item Hans Hörwart 40 d, 2 fasnachthüner, 2 sommerhüner von einem Lehen.
Item Hans May 20 d und 1/z fasnachthun von einem Haus und Lehen.
Item Hans Reichlein 20 d und 1/2 fasnachthun von dem andern theil des obgurten haus und Iehen.
Korngült und Haber zu Dietwar jährlich zu geben
Item Claus Weber und Jörg Brotbeckh 1 malter 1 metze körn und 1 malter 3 becher Haber von dem gut, do sie Zinß geben wie obsteht.
Item Jörg Brotbeckh 7 metze korn von 2 Iehen.
Item Hans Herbart (= Hörwart!) 3 malter Haber von einem teil eines lehens
Item Contz Müller 1/2 malter Haber von einem Lehen.
Item Adam Weber 3 becher Haber zu gült von einem Lehen.
Item Hans Reichlein 1/2 malter Haber von einem Lehen, davon Heintz Mulich von dem andern theil auch sovil gibt zu Zinß.
Steinbach Zinß und Gült auf Martini
Claus Röder 40 d, 2 fasnachthüner und 2 sommerhüner von einem Lehen zu Losenhofen genannt.
Item 20 d, 1 fasnachthun, 1 sommerhun von einem halben Lehen.
Item Contz Henn 20 d, 1 fasnachthun, 1 sommerhun vom andern theil. Item Adam Weber (siehe oben als Gültgeber zu Dittwar!) 40 d von einem Lehen etwan (früher) Michel Wertweins.
Item Fritz Hering 20 d, 1 fasnachthun, 1 sommerhun vom andern theil.
Item Adam Weber 12 d von einem halben Lehen Losenhofen genant.
Item 1 d von einem acker vorm Holtz ligend.
Item Fritz Herwarts dochter 40 d, 2 fasnachthüner, 2 sommerhüner von einem Lehen etwan Cuntz Herwart. Item 20 d von einem acker zu Losen‐ hofen.
Item Cuntz Knüttel der Vogler 13 d von einem Lehen.
Item Hamlein Feldener 13 d von dem andern teil des obberurten Lehens. Item Jörg Küller 40 d von einek Lehen.
Item Peter Linkh (zu Dittwar, so steht bei Willetzheim!) 1 d von einem acker vorm Holtz.
Item Peter Linkh und Hans Webers Khind 2 d von 2 morgen Egerten (Weideland).
Item Cuntz Herman (er besitzt die Hofreit zu Willetzheim) 5d, 1 fasnachthun von einem gütlein.
Nochmals Gemarkung Willetzheim 1515, 1560 und 1615
Als Lagebezeichnung für Grundstücke wird Willetzheim wieder 1515 in einem Dittigheimer Einkünfteverzeichnis genannt, das im Generallandesarchiv Karlsruhe unter „Berain Nr. 1836" liegt. Es enthält ab S. 2 Gefälle aus Dittigheim, ab S. 9 Gülten aus Steinbach. Es handelt sich offenbar um die gleichen Abgaben wie 1505, nur außer Adam Weber und Herwart (Herbart) erscheinen jetzt andere Namen in Steinbach:
„Adam Weber 1 malter korn von einem gutlein zu Lossenhofen etwan Ruckers von Distelhausen gewest. Christoffel Herbart 1 malter korn von einem Lehen. Wilhelm Weber 3 malter Heber von einer Hube in der prunnen gasse genannt. 1 1/2 Becher Haber von einem Viertel eines Lehens, davon Michel Wortwein sein teyl gibt. Hans Schreiber . . .von einem halben lehen. Conz Zymermann von dem obgemelten Lehen. Ganz Steffan von einer Hube . .“
Ab S.16 folgt Willetzheim: Heintz Ziegler (1505 genannt ist jetzt durch‐ strichen! Es folgt:) Contz Klet . . . Ebolt Clobes . . . Heintz Hupp (auch 1505!) . . . Linhart Zigler, Hans Stolzenberg, Hans Weickel‚ Hans Hembd, Mathes Hergot geben 1 malter Haber von einem Lehen. Claus Hupp von einem lehen ein fasnachthun. Item Lorentz Lieb und Ebalt Stolzenberk 4 d von einem morgen weingarten am Hochenberg. Heintz Weiprecht, Hans Cannenberger, Peter Kennikamer, Christoffel Dorwarts Witwe‚ sie gibt 1 Becher Öl von einer wiese oder 3 thurnes dafür. Paulus Kun,Hans Stechgraff, Heintz Kuhn; Spital Bischofsheim gibt von einem weinberg vormals am kneck genannt . . .Veith Schubert von einem Weinberg am Hoenberg;
Hans Mayer der Jung, Stefan Kalb und Seßemer von einem Kirßgarten am Hochenberg, Hans Schweinfurt, Hans Hupp von einem Weingarten am Hochenberg; Bastian Beyer, Marx Pundschuch, Cles Weigart der Schmid, Medin Loblein, Mulhans, Cles Pfister von weingärten am Hochenberg (= Hohenberg, Hoeberg!). Dittwar ist in diesem Verzeichnis von 1515 nicht enthalten. ‐ 1.3.1560 verkauft Margarethe Würtzberger zu Bischofsheim 3/4 Wiesen gen Dittwar in Wieltzheim an Barthel Heuser zu Bischofsheim.(ZGONF 6 m 48 Grünsfeld). Bei der Türkensteuerschatzung 1578 haben Bischoffsheimer 3 Wiesen zu Willentzheim (Flurname) und Wald im Husenbach.
Aus dem Jahr 1615 existiert im Generallandesarchiv Karlsruhe (Berain 8471 ) ein „Zinsbuch der Gefälle des verstorbenen Alexander von Riedern in der Vogtei Bischofsheim". Unter Dittwar steht dort: „Wiesen gegen Willetzen hinaus (hinauf?) und an Wieselberg, da müssen die Gültbauern das heu machen und gen Bischofsheim führen. Zinsen zu Dittwar geben Hans Wöppel, Velten Wöppel. Michel Lauer . . . Zu Hof Steinbach zinsen Velten Wöppel und Michel Messert von ihren beeden Höfen und Gütern, das Riederisch Gütlein genannt. Die Mühl zu Dittwar gehört dieser Herrschaft und wird um 18 Malter jährlicher Gült verliehen, sie zinst jährlich an Dietrich
Echter (von Mespelbrunn!) 3 Gulden. einen Lammsbach, 3 Fasnachthüh-ner.“ Willetzen ist 1615 also nur noch Flurname. Die Wiesen bei Willetzen hinaus stoßen an den Wieselberg (in alter Zeit immer Wieselberg geschrieben. Er ist also nicht Wiesenberg zu deuten, sondern Berg mit Wieseln! In Gissigheim nennt man heutzutage diesen Berg also ganz richtig ..Wischelberg“).
Zu der Lage von Willetzheim hat Manfred Maninger in seiner „Chronik der Gemeinde Dittwar“ von 1968 S. 31 richtig geschrieben: „Das sagenum‐ wobene Dorf Willetzheim soll auf der heutigen Gemarkung Dittwar gele‐ gen haben. Beste Schlüsse darauf lassen vor allem die Funde von Kaminen, Herdstellen und gelegten Steinplatten beim Bau der Brehmbachbahn in den Jahren 1912‐1914 zu. Der Name des Flurs „Häuserrain", zw ischen Mühle und Heidenkessel rechts des Muckbachs gelegen, deutet auch darauf hin". Im Jahr 1790 schreibt der Pfarrer: ‚„Es besteht ein alter Jahrtag für Friedrich von Stettenberg und dessen Frau Katharina von Ehnheim. Es ist dafür eine Wiese im Willenzgrund gestiftet, die seither der Pfarrer zu genießen hat. (Ordinariatsarchiv Freiburg! Willenzgrund ist sicherlich aus „Willentzheimer Grund" entstanden!)
Pfarrer Franz Gehrig
1) Franz Gehrig. Ortschronik Gissigheim 1969 S. 1361.
2) Das Land Baden‐Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden IV (1980)
3.345.
3) Ogiermann‚ Tauberbischofsheim S. 330.
4) Original im Hauptstaatsarchiv München Abt. l GL Leuchtenberg 110: Abschrift im Bayer. Staats‐
archiv Würzburg im Liber omissorum. Liber div.form 78.
Kurzgefaßter Inhalt der Urkunde über die Echtheit des Kreuzpartikels für die Kreuzkapelle.
Wir Constantin von Gottes Gnaden, Fürst des Heiligen Römischen Reiches, Abt des Stifts Fulda, Erzkanzler der Römischen Kaiserin, Primas von Ger‐ manien und Gallien, beurkunden hiermit dem Angehörigen des 3. Ordens des hl. Franziskus, Christoph Neubert, die Echtheit dieses beiliegenden Par‐ tikels des heiligen Kreuzes, woran unser lieber Herr und Heiland sein bitteres Leiden für unsere Erlösung vollbracht hat. Der Partikel ist bestimmt für die neue Kapelle unweit Dittwar, welches in dem Kurmainzischen Amt Bischofsheim an der Tauber gelegen ist. Dorthin werden zu Ehren des heiligen Kreuzes Wallfahrten und verschiedene Andachten veranstaltet. Durch diese Kreuzreliquie sollen diese Andachten vermehrt werden. Der Partikel stammt von einem Stück des Kreuzes, welches im Jahre 842 von Papst Gregor IV. übergeben wurde dem heiligen Rhabanus, dem damaligen Erzbischof von Mainz.
Fulda, den 30. Mai 1718
Aus der Geschichte Dittwars II. Teil
Einige Dittwarer Personennamen der Zeit 1556-1586
Das sogenannte Kontraktenbuch des Stadtarchivs Tauberbischofsheim ent‐ hält meist erbrechtliche Verträge aus Bischofsheim und aus der Umgebung von der Zeit 1556 bis 1586. Die Personennamen daraus sind bereits von Regierungsassessor Strack längst gedruckt. Aus Dittwar kommen folgende Namen vor:
Stephan Boiler, Georg Boiler, Peter Eck, Hieronymus Ernst. Veit Frank, Peter Hauck, Bastel Henlein. Bartel Herbart, Bernhard Herter, Cunz Krebs, Kilian Krebs, Veith Link. Weigelt Müller, Raid (Raydt), Andreas Reinhardt, Bernhardt Reinhardt, Urban Reinhardt, Hans Sack, Michel Stephan, Peter Stephan, Wolf Vischer. Hans Volkert, Adam Weber, Kilian Weber. Georg Weber, Urban Weber, Veith Weber, Wilhelm Weber, Hans Wen, Philipp Wortwein. Aus Dittigheim und Königheim und anderen Orten sind ebenfalls viele Personennamen vermerkt, aber Willetzheim fehlt. Dieses Dorf war eingegangen.
Die Einwohner nach der Türkensteuerliste von 1578
Im Jahr 1578 wurde das Vermögen jeder Familie in seinem Wert geschätzt, zuerst der Wert der Hofreite oder des Hauses, dann der Wert der Grundstücke in der Gemarkung. Schulden sind anscheinend nicht berücksichtigt, es sind keine angegeben. Von 100 Gulden war ein Orth, das heißt ein Viertelgulden als „Reichshilfe gegen die Türken“ zu zah len." Manche Einwohner hatten nur Teil an einem Gütlein und waren arm, andere hatten zwei oder drei Häuser und viele Grundstücke, vor allem Weinberge. Im Güterverzeichnis von Dittwar ist leider die Lage der Häuser nicht vermerkt, bei den Äckern und Weinbergen leider auch kein Flurname. Dennoch sind uns die Personennamen wertvoll, da das Standesbuch der Pfarrei erst 1703 beginnt. Nach jedem Eigentümer sei hier noch das Gesamtvermögen in Gulden (fl) angegeben.
Georg Metz 450 fl, Hans Hoiler 742 fl, Thomas Faulhaber 574 fl, Bernhardt Hertter 116fl, Peter Eck 318 fl‚ Hans Hertter 118 fl, Witwe Dorothea mit 2 Hofreiten 510 fl, Peter Seubert 89 fl, Steffan Lawer 43 fl, Michel Lauer 67 fl, Georg Kilgen 36 fl, Margret Stro 45 fl, Urban Weber 897 fl, Sibilla 55 fl, Georg Löbler 281 fl, Veit Webers Witwe 887 fl, Ewaldt Steffen 301 fl, Peter Hauck 149 fl, Stoffel Wursig 174 fl, Margareta Reichlerin 153 fl, Merten Scheffer 30 fl, Peter Steffan 330 fl, Appollonia 330 fl, Bernhard Reinhardt 238 fl, Kilian Rülen 164 fl, Witwe Appel 48 fl, Wilhelm Link 133 fl, Endres Stamm 152 fl, Kilian Waldenberger 181 fl, Hanns Vischer 111fl, Claus Weber 874 fl, Hanns Glock 44 fl, Philipp Wörtwein 100 fl, Ouirin Eyrich 41 fl, Linhard Krumb 80 fl, Wendel Flach 790 fl, Lorenz Schubert 124 fl, Veith Link 118 fl, Georg Weber 506 fl, Weigandt Müller 75 fl, Hans Sackh 777 fl,
Hanns Ketter 241 fl, Jeronimus Ernst 61 fl, Bernhard Reichenbach 225 fl, Heinrich Lamb 135 fl. Hanns Seubert 150 fl, die Neue Beurin 40 fl, Hanns Langenberger 88fl, Heinrich Ott 63 fl, Veith Heim 137 fl‚ Endres Mülich 33 fl, Endres Reinhard 109 fl, Hanns Kranck 49 fl, Hanns Weber 669 fl, Witwe Anna Behinin 83 fl, Marx Wortwein 70 fl, Hanns Jeger 247 fl, Wolff Fischer 170 fl, Lorenz Steffan 211 fl, Hanns Lauer 173 fl, Velten Stulman 375 fl, Claus Wortwein 40 fl, Hanns Krumb 418 fl, Hans Kepler 811 fl, Witwe Anna Metzen 382 fl, Peter Steffan 146 fl, Hans Lauer 395 fl, Witwe Ottilia 89 fl, Erhard Wöppel 943 fl, Bastian Seyler 49 fl, Caspar Helmuth 290 fl, Peter Fischer von Heckfeld 21 fl, Michel Fischers Kinder 41 fl, Niklas Lincken Kinder 72 fl, Wilhelm Webers Kinder 102 fl, Velten Boller 10 fl‚ Claus Wortweins Dochter 17 fl, Matthes Müller 45 fl. Ganzer Steueranschlag für Dorf und Markung 152 fl, die sie 6 Jahr lang zahlen sollen.
Zinszahler an das Juliusspital Würzburg 1669
Von 20 Morgen Ackerfeld im Flur gegen Lauda beym Wetterkreuz oder an gräbern gelegen geben an Gült 8 Becher Haber, 3 Kreuzer für 1 Sommer‐ huhn, 11 Kreuzer für 1 Gans, 9 Kreuzer für 1 Becher Öhl. Anno 1669 (es sind 17 Gültgeber).
Es folgt die Gült aus dem Nunnenhof zu Dittwar, die der hochadligen Frau von Ingelheim geborene Echterin ange hört, so erneuert worden 1669. (Das Juliusspital Würzburg hat später im Jahr 1699 von Maria Ottilia geb. Echter verwitwete von Ingelheim Gülten in Dittwar und etlichen anderen Orten gekauft und sie dann jährlich durch die Kellerei Gamburg einziehen lassen).
Es waren aus Dittwar zu liefern: 1 Malter 6 Simer Korn, 2 Malter 2 Becher Haber. Es waren 23 Besitzer daran beteiligt. Sie mußten die Gült nach Bischofsheim ins Wirtshaus zur Sonne in der oberen Vorstadt liefern (im Jahr 1669!) vermög der alten Dokumente.
Zur besseren Übersicht werden die Namen hier alphabetisch geordnet auf‐ geführt: Peter Albert, Hans Bollers Kinder, Herr Christoff Callenbach. Agnes Fucksin, Ursula Fucksin, Lorenz Fucks, Georg Hammerich. Peter Hammerich. Andreas Heffner, Hanns Herttlein, Hanns Herolden Witwe, Hanns Hilpert, Herr Mathes Honickel, Hans Kilian, Veit Kranck‚ Mathes Kreys, Jost Lesch‚ Claus Linck, Michel Linck, Bastian Mackert, Hanns Nahmb, Jacob Rudolf, Lorenz Schneiders Witwe‚ Hans Schäffer, Hanns Caspar Weber, Hanns Merten Weber, Hanns Weber Jörgen Söhn, Hanns Weber Berndts Sohn, Hanns Weber Stoffels Sohn, Lorentz Weber der Alt, Veit Weber, Velten Woltz, Wenzel Zrothen Witwe.
Erst in dieser Linie erscheinen die später stark vertretenen Familien Hammerich und Honickel, wohl durch Einheirat. In den Juliusspitallisten von 1704
und 1705 kommen dann noch Jörg Rotkapp‚ Hans Merten, Andres Lotter, Michel Schmit hinzu. Der Bestand an Familiennamen ändert sich beständig. Denn manche Familiennamen sterben aus, da keine männlichen Nach‐ kommen geboren wurden oder durch Krankheit, Krieg, Unglücksfall und Wegzug ausschieden. Neue Familiennamen tauchen meist durch Einheirat auf, seltener zieht ein Ehepaar zu. (Juliusspitalakten Nr. 291, 292, 293; beim Bayer. Staatsarchiv Würzburg zu bestellen).
Die Erhebung des Zehnten
Der zehnte Teil, der vom Getreide abgeliefert werden mußte, hieß bei uns wie überall der große Zehnt oder Fruchtzehnt. Beim sogenannten kleinen Zehnten wurden die Hackfrüchte und das Heu. manchmal auch Sommergerste erfaßt. Außerdem wurden der Weinzehnt und der Blutzehnt erhoben. Der Blutzehnt war von den jungen Haustieren zu entrichten, in späterer Zeit meist in Geld. Schließlich beanspruchte der Landesherr den Novalzehnten oder Neurottzehnten von jenen Äckern, die erst später durch Rodung ent‐ standen waren.
Seit Karl dem Großen setzte sich bei uns wohl überall folgende Regelung durch: Zwei Drittel vom großen Zehnt und Weinzehnt erhält der adlige Ortsherr, der die Kirche gebaut hat und das Patronatsrecht (Besetzungsrecht oder Vorschlag dazu) hat. Das übrige Drittel steht dem P farrer zur Besoldung neben dem Pfarrgut zu. Das Zehntrecht konnte als Einnahmequelle verschenkt und verkauft werden. An sich sollte der Ortsherr mit den zwei Dritteln des Zehnten die Kirche erhalten und im Bedarfsfalle neu erbauen. In den Verkaufsurkunden des Zehnten stand selbstverständlich von dieser Baupflicht nichts. Meist mußten diese Zehntherren erst von einem Amtmann durch Beschlagnahme des Zehnten gezwungen werden, zum Kirchenbau beizutragen. So war es auch in Dittwar beim Kirchenbau 1753. Im Jahr 1746 wurden die Dezimatoren (die Zehntherren) für schuldig erklärt, den Chor der Kirche pro rate (das heißt: nach dem rechnerischen Verhältnis des Zehntbezugs) zu bauen. Die Gemeinde wurde baupflichtig für das Kirchenschiff. Zehntempfänger waren damals die Fürsten von Löwenstein-Wertheim und vor allem der Freiherr von Bettendorf zu Gissigheim‐Eubigheim (GLA 2291/19563).
Der Zehnt aus Dittwar kam schon im Mittelalter in die verschiedensten Hände. Das „Geographisch-statistische Lexikon von Franken" von 1800 be‐ richtet unter Schweinberg: „Heinz Lange genannt von Schweinberg ver‐ kaufte auf Petri Stuhlfeier 1335 den 4 Teil Weinzehnten zu Dittwar an den Stein von Riedern zu Gissigheim." Auch 1329 wird ein „Heinrich genannt Langehund von Schweinberg" erwähnt. und später haben die Hund von Wenkheim gesessen zu Schweinberg einen Teil der Burg Dittwar in Besitz. Die Nachricht von 1335 ist also glaubwürdig.
Bei der Visitation der Kirche 1549 heißt es: Den 3. Teil des Zehnten haben die Hund (von Wenkheim), der Landgraf zu Leuchtenberg (Zu Grünsfeld!) hat den 8. Teil, der größte Teil aber fällt an die Adligen von Riedern.
Im Lehenbuch der Grafen von Wertheim steht: Philipp von Riedern. Caspar seligen sohn zu Riedern, erhält seinen teil des weinzehenden zu Dietwar (um 1450 Nr. 72). Eberhart von Riedern, Ritter, erhält seinen teil am großen und kleinen zehenden zu Ditwar (um 1455 Nr. 77). Dalwich von Rosenberg erhält zu Lehen einen teil am zehenden zu Dytwar" (wohl um 1460 Nr. 85). Warum der Graf von Wertheim einen Teil des Zehnten als Lehen zu vergeben hatte. ist nicht ersichtlich.
Im Jahr 1615 hatte das Geschlecht von Rosenberg ein Sechzehntel unseres Zehnten, der Herr von Riedern neun Sechzehntel (teilweise als Lehen der Grafen von Wertheim); und sechs Sechzehntel hatte Dietrich Echter von Mespelbrunn, sein Anteil kam von Horneck her (also von der Rufina Hor‐ neckin von Homberg zu Beckstein, die eine geborene Hund von Wenkheim war und den Anteil der Hund bekommen hatte). (Aus dem Zinsbuch des verstorbenen Alexander von Riedern. GLA Karlsruhe Berain 8471) ‚
Im Jahr 1668: Echter hat 6/16 Zehnt, der Freiherr von Muggental hat 5/16 die Grafschaft Wertheim 5/16,wovon der Kartäuse Grunau die Hälfte zusteht, großer und kleiner Zehnt! Den Weinzehnt hat Wertheim und Muggental allein.
Als der Freiherr von Bettendorf sich in Eubigheim und Gissigheim festsetzte, kaufte er Einkünfte in der Nähe. Er hatte den Echterischen Zehnt in Dittwar geerbt und kaufte 1707 vom Freiherrn Johann Philipp von Muggental dessen Anteil am großen Frucht- und Weinzehnt wie auch am kleinen Zehnt auf Dittwarer Gemarkung (GLA Karlsruhe 229/19563).
So besaß dann im Jahr 1743 der Freiherr von Bettendorf 11/16 und der Fürst von Löwenstein-Wertheim 5/16 Fruchtzehnt. So war es auch noch im Jahr 1803. Dabei gehörten vom Weinzehnt 5/8 dem Freiherrn von Bettendon‘ und 3/8 den Fürsten von Löwenstein-Wertheim. Nur aus 6 Morgen bezog der Pfarrer den Zehnt. Den Noval- oder Neureutzehnt erhielt das Fürstentum Leiningen.
Die Erhebung des Zehnten war an sich schon umständlich, das Einsammeln der 10. Garbe auf den Feldern, das Heimführen, das Dreschen und Verteilen an die verschiedenen Zehntherren. Das brachte vielerlei Probleme mit sich. Mancher Bauer suchte zu betrügen. So gestattete der Badische Landtag 1833 die allgemeine Zehntablösung. Als Ablösungssumme wurde der zwanzigfache Betrag des durchschnittlichen jährlichen Ertrags festgesetzt. Davon sollten die Gemeinden im Namen der Grundstückseigentümer vier Fünftel, der Staat das übrige Fünftel zahlen. Da die Zehntablösung für die Bauern güns-
tig erschien, beantragten mit der Zeit alle Gemeinden die Ablösung. Vom Zeitpunkt der Beantragung bis zur endgültigen Berechnung und Genehmigung vergingen überall etliche Jahre.
1803 heißt es, der Freiherr von Bettendorf hat ein Gebäude von zwei Woh‐ nungen. Damit war aber die Zehntscheuer zusammengebaut. Denn als die Familie Bettendorf ihre Besitzungen in Gissigheim und Umgebung 1841 an den Badischen Staat verkaufte, ist darunter aufgezählt: „In Dittwar die Zehntscheuer und das Wohnhaus unter einem Dach zu 1400 Gulden". Durch die Zehntablösung war die Zehntscheuer überflüssig für die Herrschaft. Das große Gebäude steht noch heute.(Ortschronik Gissigheim S.98)(Zehnt des Rüdiger Pfal von Grünsfeld 1289 siehe nächstes Kapitel!)
Urkunden zeigen zersplitterten Besitz an
Am 23. November 1299 schenkt Rüdiger Pfal von Grünsfeld an das
Deutschordenshaus Mergentheim die Güter zu Dittwar, Königshofen und Beckstein (dui guit zi Diddibur zu Künigeshofin zu Begistain). Berchdold der Unterlandvogt zu Wimpfen an dem Landtage zu Wimpfen hat es besiegelt (Württemb. Urkundenbuch 11 S.332).
Derselbe Rüdiger Pfal, Ritter, hatte vor dem 17.1.1289 bereits einen Teil des Zehnten in Dittenbure an Conrad von Bockisberc verkauft. Letzterer verglich sich wegen dieses Zehnten mit Ulrich von Hanau und Ludwig von Rieneck.
(Hohenloisches Urkundenbuch I Nr. 673.)
Jörg Hund, der als Lehenbesitzer 1457 eines Teiles der Burg erscheint, hatte im Jahr 1454 Streit mit einem Grünsfelder Geistlichen wegen dessen Ein‐ künften aus Dittwar.
22. Febr. 1581. Ich Ruffina Horneckhin von Homberg, geborne Hundtin von Wenkheimb. des edlen ehrenvesten Melchior Hornecks von Homberg zu Beckstein eheliche Haußfrau mit Rath und Beystand meines itzgedachten lieben Haußwirths bekenne hiermit, daß ich verkauffet habe dem edlen und ehrenvesten Diederich Echter von Mespelbrunn. Fürstlich Würzburgischen Rath mein Holtz zur langen wiesen genannt, anstößer innen Alexander von Riedem. außen und oben die Gemeine (Gemeinde!) zu Buch, mehr meine beede Stuckh wiesen zu Dittwar gelegen, die eine die Mühlwiese genannt, die andere im Brichell geheißen, mehr das Holtz im Eißgrund genannt, an‐ stößer gegen Dittwar Claus Weber, ahn dem äußeren orth obgedachter Alexander von Rdern, mehr mein theil kleinen Zehends zu Dittwar, item ein gulden ahn Lambsbauch oder 36 Pfennig Zinß uff der Mühlen zu Dittwar und ein Fasnachthun samt seinen Rechten, wie ich bisher solches innegehabt,
aller Lehenschaft ledig für 1180 Gulden Landeswehrung zu Franckhen, die der gemelt Diederich Echter mit zugestellt hat. Wenn kurz oder lang diese Güter als verpfändet oder als Lehen ansprüchig würden, so will ich ihn schadlos halten. Der Käufer darf in den nächsten sieben Jahren nach vorheriger halbjährlicher Kündigung den Kauf rückgängig machen. Der edle Godfried von und zu Aschhausen, Fürstlich Würzburgischer Ambtmann zu Stadt Lauda, mein lieber Schwager hat für mich sein angebohren Insiegel angehenkt. Ich Melchior Christoph Hornegg von Homberg zu Beckstein er‐ kläre meinen Willen dazu und habe mein Insiegel auch angehenckt. Geschehen uf Petri Cathedra 22. Februarii nach unseres Erlösers und Seeligmachers Geburt 1581. (GLA 229/ 19560). Es waren 49 Morgen Wald zu je 10 Gulden, 5 Morgen Wiesen zu je 70 Gulden, der kleine Zehnt zu 300 Gulden, der Mühlenzinß zu 40 Gulden. Ruffina hatte aber im nächsten Jahr nochmals 100 Morgen Wald zu verkaufen:
22.2.1582 Rufina Horneckin von Homberg zu Beckstein geb. Hundtin von Wenkheim und ihr Gemahl verkaufen für 400 Gulden 100 Morgen Holz zu Niedewviesen am unteren und oberen Knock zwischen Dittwarer und Heckfelder Markung an Christoph von Dachenrod zu Oberlauda.
22.2.1593 Christoph von Dachenrod zu Oberlauda und Melzendo rf. Rat und Hofmarschall zu Mergentheim, verkauft an Stephan Zobel von Giebelstatt 100 Morgen Holz zu Niederwiesen zwischen Dittwarer und Heckfelder Markung für 1200 Gulden (also mit 800 Gulden Gewinn hat er es wieder verkauft!) (Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 52 m 124 Archiv Zobel).
Allerlei Abgaben und Nachrichten vom Jahr 1803
Wenn der Zehnt die einzige Abgabe gewesen wäre, wären unsere Vorfahren froh gewesen. Aber jedes Dorf hatte immer wieder „Schatzung“ an das Amt zu liefern, dazu oft außerordentliche Kriegssteuer wie die Türkenschatzungen oder 1803 „Husarenschatzung“ für das Militär, dazu „Chausseeschatzung“ zur Verbesserung und Verbreiterung der Landstraßen. Im Jahr 1803 hatte der damalige Amtsvogt Dölling, der in Königheim wohnte, für seine Amtsorte Königheim, Dittwar, Dienstadt und Hochhausen einen ausführlichen Bericht an die Fürstlich Leiningensche Regierung in Amorbach zu machen. Er ist im Archiv zu Amorbach erhalten. Da ist zu lesen:„ Alle Abgaben werden nach der Grundschatzungs-Matrikel angesetzt. Die herrschaftlichen ordinären (normalen) Schatzungen werden alle Monate erhoben. extraordinäre (außerordentliche) Schatzungen alle Vierteljahr, Chaussee- und Husarenschatzung am Ende des Jahres, die Akzise und Zollabgaben werden alle
Vierteliahr geliefert. (Akzise wurde von den Metzgern für verkauftes Fleisch und von den Wirten für den ausgeschenkten Wein gezahlt. Diese Zahlung der Wirte und Heckenwirte hieß auch Umgeld). Dazu hat die Gemeinde die Zinsen für 6307 Gulden Schulden zu zahlen, dann Frongeld (für frühere Fronverpflichtung gegenüber der Herrschaft), Kaufhabergeld, Zählgeld, Besoldung (für Schultheiß, Ortsbüttel usw.), Landoffiziersgage, Weidhammelgeld, Bürgereinzugsgeld, Neujahrsgeld, Holzhauerlohn. (Man müßte erst in den Gemeinderechnungen und Archivalien weiterforschen. was das alles bedeutet! Königheim zahlte im Jahr 1729 zum Beispiel dem Oberamtmann zu Bischofsheim zu Neujahr einen Kuchen oder einen Gulden, Großrinderfeld ein Lamm oder Spanferkel, jeder Jud in der Stadt einen Zuckerhut!) Dittwar hat folgende Gülten und Grundzinsen an auswärtige Empfänger zu liefern (1803):
Der Freiherr von Bettendorf erhält 22 Malter Korn. 18 Malter Haber und 2 Gulden Geldzins. Er besitzt in der Gemarkung 35 Morgen Wald, 2 Morgen 2 Viertel Wiesen und ein Gebäude von 2 Wohnungen (mit der Zehntscheuer). Die Kellerei zu Gamburg hat 2 Malter Korn, 2 Malter Haber (es ist die Kellerei des Juliusspitals, das die Zinsen, des Nonnenhofes und andere Gülten gekauft hatte) erhalten.
Das Kloster Gerlachsheim hat 13 Malter Korn, 12 Malter Haber, 4 Gulden Zins. Die Kellerei Grünsfeld hat 27 Malter Korn, 22 Malter Haber, 2 Gulden Grundzins (es ist die Kellerei des Fürstbischofs zu Würzburg, der die schon 1502 festgestellten Grundzinsen des Landgrafen von Leuchtenberg beim Aussterben dieses Geschlechtes bekommen hat).
Die Mahlmühl aber ist privates Eigentum. Die Gemeinde hat kein Rathaus, sondern ein Schul- und Wachhaus (zum Aufenthalt der Nachtwächter sicherlich mit Ortsarrest). Die Wohnung des Freiherrn von Bettendorf ist verliehen (die Freiherrn von Bettendorf wohnten nie in Dittwar. sondern zuerst in ihrem Hof zu Walldürn, dann im Schloß zu Gissigheim und Eubigheimi). Es gibt in Dittwar keine Gebäude der Herrschaft (Leiningen). Das Pfarrhaus ist eingefallen. Es wurde für das Pfarrhaus einstweilen ein Haus gemietet, weil wegen des Pfarrhausbaus ein Rechtsstreit zwischen der Gemeinde und den Zehntherren erwachsen ist. Der Schullehrer Conrad Stoll ist zugleich Gerichtsschreiber. Das Ortsgericht besteht aus: Schultheiß Joseph Steffen, Bürgermeister Joh. Anton Honickel (Bürgermeister bedeutet Gemeinderechner!) und die drei Gerichtsleute Valtin Stephan, Franz Weber und Sebastian Honickel. ‘
Zu Dittwar besteht keine Leibeigenschaft mehr. aber zu Königheim. Dien‐ stadt und Hochhausen ist jedermann leibeigen. Die junge Mannschaft muß Kriegsdienst leisten, oder sie müssen von der Herrschaft die Befreiung erwirken. Die Bürger sind in die Kellerei Bischofsheim zur Fron verbunden, die jährlich dorthin bezahlt wird. Das Amt Grünsfeld übt die Centgerichtsbarkeit aus (für schwere Vergehen!). Um die Gemarkungsgrenze ist kein Streit. Es sind hier 83 Häuser, 127 Familien, worunter 15 Handwerker sind;
die übrigen 112 Haushaltungen sind Acker- und Weinbergsleute. Es sind 800 Seelen. Die Einwohner ernähren sich hauptsächlich vom Weinbau, was das Haupterzeugnis ist (wie auch in Königheim, Dienstadt und Hochhausen).
Auf der Gemarkung liegen 4 Morgen herrschaftlicherWald. keine herrschaftlichen Güter (gemeint ist die neue Herrschaft Leiningen, früher also Kur‐ mainz). Dittwar hat ungefähr 2467 Morgen Ackerfeld, 81 Morgen Wiesen, 538 Morgen Weinberge, keine Triften und Hutweiden, 599 Morgen Busch‐ waldung.
Bisher mußten von Wegziehenden der zehnte Teil des Vemögens an die gnädigste Herrschaft gezahlt werden. Nach der kurmainzischen Verordnung bestand aber Freizügigkeit mit manchen Orten. in Dittwar, auch zu König‐ heim, Dienstadt und Hochhausen, ist eine Landzollstätte. (Wohl für nach auswärts verkaufte Waren, Getreide, Wein; dagegen stand am Gewann Zollstock für den früheren Straßenzoll ein Zollstock, kein Zollhaus, der anzeigte, welcher Herrschaft der Durchgangszoll auf dieser Straße zu zahlen war.) Die Gemeinde hat eine eigene Schäferei. Der kleine Bach, der durch die Gemar‐ kung fließt, gehört der Gemeinde und wird von der Gemeinde (zur Fischerei) verliehen. Alle fremde Salzeinfuhr war verboten. Die Untertanen bezogen bisher das Salz von gnädigster Herrschaft (Kurmainzer Oberamt Bischofsheim!) zum angesetzten Preis (mit der Salzsteuerl !). Einkünfte hat die Gemeinde aus Waldungen, Schäferei, Grundzins und (wohl halbem?) Ohmgeld (für den ausgeschenkten Wein)."
Das war die schöne alte Zeit. Wenn die Familien kein Bargeld zum Zahlen hatten, sammelte die Gemeinde sicherlich wie die Gemeinde Königheim Wein aus den Kellern zur Zahlung. 1803 wird auch noch die Verpflichtung zur Ablieferung des Zehnten erwähnt, dessen Ablösung in den badischen Gemeinden etwa 1840‐1850 erfolgte. Daß wegen der Baupflicht zum Pfarr‐ haus ein Rechtsstreit entstanden war, ist verständlich. Denn ursprünglich hatten die Zehntempfänger Kirche und Pfarrhaus zu bauen, wenigstens in den ursprünglichen Pfarrorten. In Dittwar aber war der Landdechant Helfferich von Bischofsheim laut Schreiben vom 8. Sept. 1699 gesonnen, die Behausung zwischen Valtin Weber und Adam Walter in Dittwar als Pfarrhaus für Dittwar zu kaufen und bat den Kurfürst um Steuerfreiheit für dieses Gebäude. Der Dekan hat dann wirklich ein kleines Pfarrhaus samt Scheuer und Stall für 215 Gulden gekauft. Die Zehntherren konnten sich also darauf berufen, daß sie früher das Pfarrhaus auch nicht bauen mußten (GLA 229/19566).
Bis zum neuen Pfarrhausbau verging noch viel Zeit. Erst am 29. Sept. 1874 genehmigt das Bezirksamt den Bau an der Stelle des alten Pfarrhauses. Der Voranschlag beträgt 11.000 Gulden, das alte Pfarrhaus ist eine Hütte, dem Einsturz nahe. Am 22. Nov. 1875 steht das neue Pfarrhaus unter Dach, es
kommt schätzungsweise wenigstens auf 14.000 Gulden, das sind nach der neuen Währung 24.000 Mark. Die arme Gemeinde baut es und hat bereits 7.000 (Mark oder Gulden?) aufgenommen. Das Domkapitel hat aus einer Stiftung 700 Mark bewilligt. Die beiden letzten Jahre war die Ernte gut.2)
Strittig war 1803 auch, ob der Ortspfarrer, die Gemeinde oder der Dekan des Dekanats Bischofsheim den Schulmeister zu präsentieren hatte. Die Einsetzung oder endgültige Ernennung war durch das Erzbischöfliche main‐ zische Vikariat erfolgt. Daß der Schulmeister zugleich der Mesner war, erfährt man aus der Kirchenvisitation 1754.
1) Bayer. Staatsarchiv Würzburg MRA VI Ältere Kriegsakten 1/88 __
2) Anscheinend hatte man zuvor das Pfarrhaus nur immer ausgebessert. wenn es durch Uberschwemmung beschädigt wurde.
Dittwar schon 1491 und früher zum Amt Bischofsheim gehörig:
Im Jahr 1491 werden kleine Orte wie Werbachhausen, Brunntal, Kleinrinderfeld, Gerchsheim, llmspan, Krensheim, Grünsfeldhausen, Kützbrunn, Hof Steinbach und Dittwar aufgezählt, die noch kein eigenes Ortsgericht hatten und alle Händel, Erbschaftsstreit, Schuldforderungen und Scheltworte, also auch die kleinen Vergehen und Angelegenheiten vor das Centgericht in Bischofsheim bringen mußten. (Ogiermann, Tauberbischofsheim S. 330.)
Das Vogteirecht, also das Recht zu strafen und zu richten, stand dem Cent‐ gericht in Bischofsheim zu. Dies Recht wird auch in keiner Lehensurkunde an einen Adligen verliehen oder genannt, wie das sonst bei ritterschaftlichen Orten zu finden ist. Daß Dittwar wie einige andere 0rte1592 dem Centgericht des Landgrafen von Leuchtenberg in Grünsfeld zugeteilt wurde, bedeutet keine Trennung vom kurmainzischen Amt Bischofsheim. Nur die schwereren Vergehen mußten jetzt durch einen Dittwarer Centschöffen vor dem Centgericht Grünsfeld vorgebracht werden. 1592 war Claus Weber der Centschöffe aus Dittwar. Der Centgraf in Grünsfeld erhielt von Dittwar, Schönfeld und Gissigheim jährlich 6 1/2 Malter Haber, das Centfutter genannt (E. Weiß. Grünsfeld 1981 S. 354, 356). Auch Gissigheim gehörte als ritterschaftlicher Ort nicht zum Amt Grünsfeld. An den Landgraf zu Leuchtenberg waren aus Dittwar noch die 1502 aufgezählten Zinsen und Gülten nach Grünsfeld zu liefern.
Wer zunächst in Dittwar die Abgaben (Schatzungen) an das Amt Bischofs‐ heim einzusammeln und abzuliefern hatte. ist noch nicht bekannt. Vielleicht ein ‚.Burgermeister". Erst 1620 billigte Kurmainz dem Dorf Dittwar ein Dorfgericht zu, wo dann sicherlich unter Vorsitz eines „Schultheißen“ kleinere Vergehen und Erbschaftssachen verhandelt wurden. Dennoch mußte die Gemeinde Dittwar die von ihrem Gericht ausgestellten Urkunden von den „Herrn Centgrafen zu Bischofsheim als dies Orts Oberschultheißen" besiegeln lassen. 1620 wurde ein Geburtsbrief für Peter Weber von „Schultheiß, Burgermeister und Gericht zu Dittwar" ausgestellt, wurde aber „aus Mangel aigenen Insigills“ von dem Centgrafen Leonhard Hugel als dem Oberschultheißen dieses Orts besiegelt. 1755 versah der Bischofsheimer Stadt‐ und Oberschultheiß Joh. Franz Baumann wieder einen Dittwarer Geburtsbrief mit seinem Privatsiegel. Am 27. Oktober 1768 aber siegelte das Dorfgericht mit dem „gewöhnlichen Gerichts-Insigel". Es wurde noch 1854 verwendet und zeigt neben dem Mainzer Rad die Inschrift G.S.DITTWAR („Gerichts-Siegel Dittwar). Das Mainzer Rad zeigt die Zugehörigkeit zum Amt Bischofsheim an. Es enthält auch Pflugschar und Traube.
Bei den Musterungen und Türkenschatzungen vor 1600 ist Dittwar ebenfalls als Dorf des Amtes Bischofsheim erfaßt. (Wappenbuch des Landkreises Tauberbischofsheim 1967 S. 75 f). Als Schultheiße aus Dittwar sind bis jetzt bekannt geworden:
12.6.1655 „Der Churmainzische Bediente J.S. von Sickingen (= Oberamt‐ mann!) an seines anbefohlenen Amts und ergebenen Schultheiß zu Dietwar, Hans Boller" (GLA 125/3501). 1750 bestand ein Jahrtag für Schultheiß Johann Valentin Boller; das wird derselbe Schultheiß sein. 1669/70 Mathes Hammerich, 1670 Mattäus Honikel, 1678 Lorenz Hammerich, 1733/35 Johannes Rudolf. 1739 Joseph Stephan. 1748, 1754 Johann Bartholome Seyfried. 1803 Joseph Steffan. 1782-1803 war Dittwar der Amtsvogtei Königheim und somit auch dem Oberamt Bischofsheim zugeteilt.
Pfarrer Franz Gehrig
Namen der Wehrfähigen im Jahr 1619
Die wehrfähigen Jungmänner und Männer aus Dittwar bildeten die dritte Korporalschaft des „Königheimer Fähnleins“ oder der Königheimer Kompanie. (Aus dem Staatsarchiv Würzburg Nr. MRA Milit. 217/13) Es sind 60 Mann.
Feldwebel Hannß Fischer
Korporal Hannß Trost
Lantpasat Simon Weber (= Landjäger?)
Musketiere (mit Muskete, Handfeuerwaffe) 1. Rott:
Jakob Linkh Hanne Weinich Hanne Gries
Eobal Weber Michel Link Hanne Weber
Melchior Sohn
2. Rott:
Thoma Weber Hanne Heim Bastian Kellermann
Georg Weber Peter Kilian Endreß Stumpf
3: Rott:
Hanne Schmidt Michael Bolster Endreß Müller
Peter Weber Peter Sack Hanne Eck
4. Rott:
Michel Weber Hanne Wenzel Lorentz Voller
Hanne Link Wilhelm Weber Balthes Lawer
Hanßen Sohn
5. Rott:
Hannß Herolds Michel Weber Peter Höfling
Endreß Hilbert Hannß Wellenberges Burckhardt Kremer
6. Rott:
Balthasar Haffner Hanns Krank der Jung Georg Stumpff der Jung
Hannsß Fuchs Stoffel Nutzer Michel Kremer
7. Rott:
Hannß Boller Fritz Hilbert Hannß Link
Hannß Seibert Wendel Voller Bernhard Weber
8. Rott:
Stoffel Weber Hannß Weber Michel Löffele
Wenders Schmidt Veltin Meppel Bernhard Zimmermann
9. Rott: Eobalt Seibert
Doppelsoldtner: (Bedeutung unklar)
- Rott:
Stoffel Reinhardt Melchior Nickel Michel Eck
2. Rott:
Elias Fischer Veyt Hobel
(Diese Liste wurde von Oberstudienrat LR. Karl Uihlein zur Verfügung gestellt.)
Landwirtschaft, Dorf und Gemeinde in Dittwar
Seit der Landnahme der Franken (bis ca. 600 n Chr.) war das fränkische Gebiet in Gaue, mit je einem Grafen an der Spitze, eingeteilt. Dazu gehörte auch der „'I'aubergau”. Die Besiedlung dieser Zeit beweisen die fränkischen Reihengräber (z.B. bei Impfingen und bei Dittigheim).
Zwar wird heute von der Wissenschaft der Ortsname nicht mehr als so bedeutend eingeschätzt (1), aber die Endungen ‐ingen und -heim deuten auf diese Zeit hin. Die Ortsnamen auf ‐berg, -burg, -bach werden als Hinweis auf eine Gründung in der hochmittelalterlichen Ausbauzeit gesehen. Daher könnte die Siedlung Dittwar schon vor 1000 gegründet worden sein.
Die Dörfer der Landnahmezeit bestanden im fränkischen Raum vornehmlich aus 2 bis 3 Höfen mit ca. 5 ha Ackerfläche und etwa 20 Bewohnern. Erst mit der Konsolidierung im fränkischen Reich stieg die Bevölkerung, und nach 800 hatten die Dörfer daher etwa 220 Einwohner (2). Nach der Jahrtausendwende gab es ganze Aussiedlungswellen aufgrund des Bevölkerungswachstums, dadurch war Rodung, Ausdehnung der Ackerfläche, Verfeinerung des Anbaus mit Verstärkung der Sonderkulturen (Wein, Flachs, Obst) notwendig. In diese Zeit fällt auch der Wandel in der Verwendung de s Weins, ursprünglich nur bei Hof und bei Festen des Adels, dann auch in den Klöstern verbreitet, schließlich im 13. Jahrhundert gar zum Volksgetränk geworden.
Ab 800 kam statt der vorherigen germanischen Volksfreiheit immer stärker das Lehenswesen auf, der Lehensherr stellte Grund und Boden zurVerfügung, der Vasall setzte Abgaben und Fron, auch Gehorsam, entgegen. Unter Otto dem Großen wurden im 10. Jahrhundert vornehmlich geistliche Fürsten, besonders Bischöfe, Lehensherrn. Die Anhäufung von Regalien und die Vielzahl von Schenkungen an das Erzbistum Mainz ließ dieses im 11. Jahrhundert vom Großgrundbesitzer gar zum Grundherrn und Ortsherrn werden, wenn auch nur ein Territorium mit Streulage entstand. So kam die Schenkung des Heinrich de Luden an den Bischof in Würzburg 1169 zustande, wobei die Schenker meist ihr Geschenk (hier Burg, Leute und Zube hör in Dietebure) wieder als Lehen zurück erhieiten. Adelige und Klöster waren bis zum Ende des Alten Reiches (1803) Lehensherrn unter der Landeshoheit des Kurfürsten‐Erzbischofs von Mainz
Unter König Konrad II wird 1037 das Lehensrecht auch für niedrige Adelige erblich, zuvor fiel das Lehen nach dem Tod immer zurück an den Landesherrn. Damit ist die Stärkung der Adelsfamilien und damit Burgbau und Ritterstand erst möglich, Neuanlage und Befestigung von Dörfern, Rodungen und Ausdehnung der Herrschaft waren davon die Folge.
In diese Zeit fallen die ersten Erwähnungen Dittwars: ca. 1100, 1169‚ 1245, 1279, 1357, 1369, 1377. Stadtgründungen ließen manche benachbarte Sied‐ lung im 13./.14 Jahrhundert eingehen. Die Pest brachte im 14. Jahrhundert Bevölkerungsdezimierung und Agrarkrise mit sich, das bedeutete einen auffallenden Wüstungsprozeß: viele Dörfer wurden aufgelassen, Äcker undWeiden wurden nicht mehr gepflegt, oft zog die Restbevölkerung eines Weilers ins Nachbardorf und verließ Hab und Gut. „Bede", „Leibhuhn" waren 2 neue Abgaben neben den bisherigen „Zehnt”, „Gült" und „Besthaupt".
Erst Ende des 15. Jahrhunderts hat die Landschaft sich wieder so weit erholt, daß aufgrund neuen Auftriebs in Wirtschaft und Bevölkerung eine erneute Ausbauphase einsetzen konnte. Neulandgewinnung, Rekultivierung, Ortsausbau und Stadtvergrößerung, auch Neugründungen, sind Zeugen diesen Vorgangs. In diese Zeit gehört auch der Ausbau der alten Burganlagen und der Neubau von Befestigungen aus Sicherheitsbestreben und Repräsentationsinteresse.
Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1618 folgt eine Hochphase der Agrarwirt‐ schaft. Man spricht von den „Goldenen Jahren der Landwirtschaft“: Die ungeheure Ausdehnung der Weinbauflächen in unserer Gegend auf Kosten von Ackerbau ist ein Zeichen für den Wohlstand der Bauern:
im Gebiet des ehem. Landkreis Tauberbischofsheim
vor 1618 8000 ha Weinbau
1877 3460 ha Weinbau
1883 3664 ha Weinbau
1928 400 ha Weinbau
1946 196 ha Weinbau
im Gebiet des ehemaligen Kreises Mergentheim
1828 2300 ha Weinbau
im Gebiet des Main-Tauber-Kreises
1823 6772 ha Weinbau
1952 531 ha Weinbau
1974 619 ha Weinbau 3)
Der 30jährige Krieg und mehrere Pestepidemien in dieserZeit sorgten für einen erneuten Bevölkerungsrückgang, viele Bewohner flüchteten in Wälder und Burgen. Dieser Völkerkrieg brachte etwa 40% Bevölkerungsverlust, und etwa ein Drittel der Gebäude wurden zerstört. Weniger Arbeitskräfte bedeuteten wieder extensivere Landwirtschaft und damit Rückgang des Weinbaus. Neue Anbauformen im 18. Jahrhundert (z.B. Kartoffel und Grünkern), die Einführung des Futterbaujahres statt eines reinen Brachjahres in der Dreifelderwirtschaft und neue Früchte wie Tabak zeigen den Versuch in unserem Raum, der Notlage zu entrinnen. Erst die Auswanderungswellen und die
Landflucht im 19. Jahrhundert brachten endgültig wieder ein gutes Auskommen für die Landwirtschaft.
Für Dittwar hat der 30-jährige Krieg nicht so deutliche Auswirkungen gezeigt. Waren in der Türkensteuerliste von 1578 noch 79 Höfe in der Gemeinde aufgezählt, so brachte die Zählung 1668 „80 Herdstätten, 80 Männer, 85 Weiber, 100 Söhne und 192 Töchter”, also 357 Einwohner”. (4).
Später im Jahr 1803 wurden 83 Häuser,127 Familien‚15 Handwerker‚112 Ackerbürger, also ca. 800 Einwohner gezählt (5). (1895 waren 750 Enwohner, 1900 ‐745, 1949‐810 und 1961‐ 745 Einwohner im Ort.)
Bis 1803 hatte im Alten Reich der Erzbischof von Mainz die Landeshoheit über Dittwar, wobei das Dorf im Oberamt Bischofsheim der Vogtei Königheim unterstellt war. Mit dem Reichsdeputationshauptschluß infolge der napoleonischen Expansion wurden die deutschen Adelsfamilien, die linksrheinische Güter an Frankreich abgeben mußten, mit Gebieten der geistlichen Fürsten (Bistümer, Klöster, Orden) im Restreich entschädigt. So kam Dittwar im Oberamt Bischofsheim an den Fürst von Leiningen.
Die Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 brachte eine weitere Neuerung: der Kurfürst von Baden erhielt den königlichenTitel eines Großherzogs, und dabei wurden ihm u.a auch die Souveränität über den Besitz der Fürsten von Leiningen übertragen. Damit hatte Baden die oberste Gerichtsbarkeit, die Gesetzgebung, die hohe Polizei, das Wehr- und Kriegsrecht und die Besteuerung übernommen. Die jetzt unterstellten Fürsten behielten ihre persönlichen Domänen, z.B.. der ” Leininger Wald” auf Dittwarer Gemarkung, die mittlere Gerichtsbarkeit, den Zehnten, das Forst‐‚ Fischerei- und Jagdrecht. 1849 verzichtete der Fürst von Leiningen auf Gerichtsbarkeit und Polizei, 1863 wurde in Baden u.a der „Kreis Mosbach” mit 9 Amtsbezirken, darunter Tauberbischofsheim, geschaffen. 1939 wurden die Landkreise statt der Bezirksämter eingerichtet, darunter war Dittwar dem Landkreis Tauberbischofsheim zugeteilt.
Zwischen1609-1620 billigte Kurmainz der Gemeinde Dittwar ein Gericht und einen Schultheißen zu. Der Schultheiß war im Alten Reich von der 0brigkeit eingesetzt oder bestätigt, im Gegensatz zu den damaligen Bürgermeistern, die von der Bürgerschaft frei gewählt waren. So war der Bürgermeister der Sprecher der Gemeinde und Vertreter des Volkes, der gegenüber der Herrschaft aufzutreten hatte. Der Schultheiß hatte als Beauftragter des Grundherrn bei Sühnegerichtsbarkeit, bei örtlichen Streitigkeiten für die Interessen der Obrigkeit im Dorf zu sorgen. Von alters her war ihm die Eintreibung der Abgaben zugedacht, als dem „die Schuld heischendem" (6).
Diesen beiden war der Beamte zu Bischofsheim, seit 1782 der Amtsvogt zu Königheim, vorgesetzt; zur Unterstützung und Entscheidungshilfe war noch das „Dorfgericht" eingesetzt, das waren 3-12-Bürger, je nach Ortsgröße.
1768 hatten „sämtliche des Gerichts", 10 Bürger neben Schultheiß und Gerichtsschreiber mit unterzeichnet (7). Im Bürgerbuch 1837 unterzeichneten nur 3;1891 waren es 6; danach immer 6 Bürger.
Ab 1809 wurde in Baden der „Schultheiß“ vom „Vogt" abgelöst, und ab 1831 wurde nur noch der Titel „Bürgermeister“ geführt.
Schon am 17. Mai 1670 wird der „Ehrenveste” Schultheiß Matthäus Honickel und die „ehrenachtbaren Gerichtsmänner” Lorentz Külsheimer und Simon Müller in einer feierlichen Urkunde des Notars Faulhaber aus Bischofsheim, zur Bestätigung der Heilung an der Anna Krank aufgrund des Gnadenbildlein vom Kreuzhölzle, genannt (8).
Am 4. Januar 1748 verfassen Pfarrer, Schultheiß und Gericht von Dittwar einen Bericht über die Entstehung der Wallfahrt am Kreuzhölzle (8). 1768 folgt der Geburtsbrief von Andreas Weber, beurkundet von Schultheiß Joseph Testen und 10 Gerichtsmitgliedern neben Geric htsschreiber J.H. Demos (7); 1903 berichtet Amtsvogt Dölling u.a über Dittwar an die leiningische Regierung vom Ortsschultheiß Joseph Steffen, dem Bürgermeister Johann Anton Honickel und den drei Gerichtsmitgliedern Valtin Stephan, Franz Weber und Sebastian Honikkel (11).
Schultheißen, Vögte, Bürgermeister zu Dittwar
1670 Matthus Honickel (10)
1678 Lorentz Hammerich (11)
1758 Johann Teston (13)
1768 Joseph Testen (12)
1803 Joseph Steffan (14 )
1807 Stephan (Schulth.) + Johann Anton Honickel (Bürgerm.)
1811 Honikel (Vogt)
1837 Hammerich (Bürgerm.)
1844 Joseph Anton Honickel
1850 Honickel
1879 Ferdinand Honickel
1884 Boller
1885 - 1891 Th.Both
1891 - 1918 Franz Joseph Zegowitz
1919-1933 LotharBoth
1933-1945 Hermann Both
1945‐1953 Lothar Both
1953-1961 IsidorManinger
1961-1974 Andreas Schmitt
1975 Heinz Haberkorn (Ortsvorst)
seit 1975 Heinrich Hafner (Ortsvorst)
Die Ratsschreiberfunktion hatte im Dorf grundsätzlich der Schulmeister inne, dem neben geringfügigem Einkommen „. noch ein utilität qua Gerichtsschreiber zu kombt, so ad 30 bis 40 fl.(Gulden) belaufet..."; 10 Gulden verdiente er als Lehrer, das Vierfache also durch die Gerichtsschreiberei, was auf seine Interessenlage schließen läßt (12). Der Schulmeister war als Gerichts‐ bzw. Ratsschreiber weniger deswegen gut geeignet, weil die Bürger am Ort noch nicht lesen oder schreiben konnten, als vielmehr, weil er in der Lage war, ein Protokoll oder einen Brief in eine saubere und ansprechende Form zu kleiden und dazu eine an Geist und Zierade reiche Wortwahl zu treffen.
Die Gerichts- und Ratsschreiber zu Dittwar:
Bastian Becker vor 1656 (Lehrer)
Andreas Schmitt 1656-1661 (Lehrer)
Johann Bopp 1661-1678 (Lehrer)
Johann Heinrich Zegowitz 1678-1679 (Lehrer)
Bastian Becker, jn. 1691-1693 (Lehrer)
Paulus Ditterny 1693-1707 (Lehrer)
JohannMartinVogel 1708 (Lehrer)
Vältin Rösch (Lehrer)
Johann Georg Nieß (Lehrer)
Valtin Hauck (Lehrer)
Johann Heinrich Dürr 1758 (Lehrer)
Johann Michael Demoll 1759-1771 (Lehrer)
Johann Heinrich Dürr 1774 (Lehrer)
Joseph Gottfried Rudolph 1775-1801 (Lehrer)
Conrad Stoll 1802-1806 (Lehrer)
Herkert 1806 (Lehrer)
Hartbrecht 1837. (Lehrer)
Weber 1850
A. Honickel 1889-1891
Hammerich 1891
Zegowitz 1891-1918
Eugen Süß 1919-1922
Albin Zegowitz (Sohn von Bürgerm.
F.J.Zegowitz) 1922- 1957
Richard Bauer 1957-1960
Arnold Stephan 1960 - 1974
Nach der Gemeindeordnung in Baden von 1831 gab es zu den Gemeinden häufig noch „Nebenorte“, wie z.B. Hof Steinbach zu Dittigheim, Baiertal zu Großrinderfeld, Lilach zu Poppenhausen, Uhlberg zu Grünsfeld und Wolferstetten zu Külsheim. Diese Nebenorte hatten als Verwalter den „Stabshalter", der zum Zeichen seiner Funktion bei offiziellen Anlässen einen Amtsstab zur Hand hatte, der kein Siegelrecht hatte, dessen dienstliche Schreiben das Signum und das Siegel des zuständigen Gesamtbürgermeisters haben mußte (13). Vgl. dazu die Funktion des „Stabshalters” in Hof Steinbach, diese Bezeichnung führte dort eine Familie Wöppel noch nach dem Krieg.
Familiennamen in Dittwar
Außer den Adeligen sind keine Bürger des Dorfes in Urkunden und Archivalien vor1500 genannt. Erst 1502 werden im Zinsbuch für Willetzheim als Dittwarer aufgezählt:
Peter Link
Brotbeckh
Hörwart
May
Weber
Reichlein
Müller
Der Bildstock am Haus von Karl Market bringt für das Jahr 1524 noch dazu den Namen Michel Linch.
Das Kontraktenbuch von Bischofsheim zählt für das Jahr1556 folgende Familiennamen auf (14):
Boller Eck Ernst Frank Hauck
Henlein Herbert Herter Krebs Link
Müller Raid Reinhard Sack Stephan
Vischer Volkert Weber Werr Wortwein
Die Türkensteuerliste von 1578 (14) zeigt eine noch vollständigere Wahl der vorkommenden Familiennamen im Ort Dittwar:
Appel Heun Löbler Seubert
Behin Holler Metz Seyler
Boller Jeger Mülich Stamm
Eck Kapler Müller Steffan
Ernst Ketter Ott Stro
Faulhaber Kilgen Reichenbach Stulmann
Fischer Kranck Reichere Vischer
Flach Krumb Reinhard Waldenberger
Glock Lamb Rülen Weber
Hauck Langenberger Sackh Wirsig
Helmuth Lawer Scheffer Wöppel
Herker Link Schubert Wörtwein
Die heute so häufigen Namen Hammrich und Honickel kommen erst im Zinsbuch des Juliusspitals Würzburg von 1669 vor (15). Und der Name Zegowitz (früher „Sechewtiz", wie heut noch im Dialekt), wird im Bürgerbuch von 1837 erstmals aufgeführt.
Nach der ersten Bürgerliste im Bürgerbuch 1837 kommen folgende Familiennamen vor:
22 x Weber 4 x Hart einmal: Satorius
18 x Hammrich 3 xWenzel Staph
Hammerich 3 x Häfner Süß
16 x Hohnickel 3 x Sechewitz Schwind
4 x Honikel 2 x Glock Korn
11 x Schmitt 2 x Weinlein Ditter
8 x Nahm 2 x Löfller Blatz
6 x Krank 2 x Rothkapp Haberkorn
6 x Both 2 x Berberich Martin
6xLink 2 x Frank Geier
6 x Maninger 2 x Kraft Wandling
7xRudolph 2xEck Uihlein
1x Rudolff 2 x Hofmann Farrenkopf
5 x Hilbert 2xLang Weichand
5 x Volkert 2 x Reitzel Scherer
5 x Stephan 2 x Albert Brandel
4 x Holler 2xGiller Zipperich
4 x Lotter 2 x Zöller
Dies sind 137 Bürger (Volljährige mit bürgerlichen Rechten, innerhalb der Gemeinde Recht auf Schälholz, Leibholz, Mitbenutzung von Allmende, u.a.), ohne ihre Frauen und Kinder, alle zwischen 1760 und 1816 geboren. Bis zum 17. März 1850 wurde auf 192 gezählt, wobei aber inzwischen 39 Bürger gestorben waren. Bis zum Ersten Weltkrieg 1914 schwankte diese Zahl der anwesenden Bürger zwischen 173 (1905) als Maximum und 126 (1890) als Minimum.
Manfred Maninger
Quellenhinweise und Anmerkungen zu „Landwirtschaft, Dorf und Gemeinde in Dittwar"
1 Martin BORN „Geographie der ländlichen Siedlungen 1" Stgt 1977, S. 24
2 Werner DETTELBACHER „Bauern und Agrarwirtschaft" im Bd. 2 der Reihe „Deutsche Geschichte", Gütersloh1982, S. 225
3 W. BUCHLER „300 Jahre Buchler". München 1958
4 M.MANINGER „Chronik der Gemeinde Dittwar".1969,S.5
5 Franz GEHRIG „Skriptum zur Geschichte Dittwars". 1983 (= II). S. 18
6 Helmut LAUF „Uissigheim", 1966, S. 109
7 Geburtsbrief des Andreas Weber im Bayerischen Staatsarchiv Würzburg (L 57, Nr. 897)
8 „Wallfahrtsbüchlein" 1747/1866, in Franz GEHRIG „Das Kreuzhölzle zu Dittwar", 1982 (= GEHRIG III). S. 8
11 Franz GEHHIG, II, s.o.‚ S.18
12 H HELD„Geschichte der Entwicklung des Volksschulwesens im Großherzogtum Baden“Bühl‚ 1894, S.268
13 „Wappenbuch des Landkreises Tauberbischofsheim". 1907. S. 29
14 Franz GEHRIG, II, s.o., S12f., entspr. Stadtarchiv TBB und Bay. Staatsarchiv Würzburg
15 Bayerische Archivinventare Hft 9. „Archiv des Juliusspitals Würzburg", vgl. in F. GERHRIG, II, S.13
Kreuzlied
Heiliges Kreuz‚ sei hochverehret,
hartes Ruhbett meines Herrn.
Einstmals sehn wir dich verkläret
strahlend gleich dem Morgenstern.
Sei mit Mund und Herz verehrt,
Kreuzstamm Christi, meines Herrn.
Kreuz, du Denkmal seiner Leiden,
präg uns seine Liebe ein,
daß wir stets die Sünde meiden,
stets gedenken seiner Pein.
Sei mit Mund…
Heilges Kreuz‚ sei unsere Fahne
in dem Ka mpf, in jeder Not,
die uns wecke, die uns mahne,
treu zu sein bis in den Tod.
Sei mit Mund…
Heilges Kreuz, du Siegeszeichen,
selig, wer auf dich vertraut.
Glücklich wird sein Ziel erreichen,
wer auf dich im Kampfe schaut.
Sei mit Mund…
Eines sei uns noch gewähret,
ruft uns einst die Stimm des Herrn,
sei im Sterben noch verehret,
leucht uns als ein Morgenstern.
Sei mit Mund. ..
Abgaben und Lasten der Landbevölkerung
Schon im 6. Jahrhundert wird bei den Franken von der Kirche, in Anlehnung an das Alte Testament, wo die Juden den zehnten Teil von allem den Leviten (Tempelpersonal) zu geben hatten, zur Finanzierung der kirchlichen Aufgaben der Zehnt eingeführt. Die Geistlichen und das kirchliche Personal wurden ja noch nicht vom Staat unterhalten. Karl der Große führte den Zehnten ein für den Handelsgewinn, für Schutzbriefe und für „alles was Halm und Stengel treibt" (= Getreide), aber nur bei Juden.
Ursprünglich verstand man unter „Franken“ nur „Freie“, das heißt also keinerlei Abgabepflicht, keine Dienste! Aber die Entwicklung des Lehenswesens aus den Königshöfen und Villikationssystemen greift im 8. Jahrhundert immer stärker um sich. Die Niederwerfung des alemannischen Herzogtums bringt zudem eine 2-Klassen‐Gesellschaft mit sich, wo die unfreien Unterlegenen natürlich tributpflichtig wurden.
Das Herrschaftssystem der Franken, in Stützpunkten quer durch das Land und in Villikationen, das sind Fronhofverbände mit einem Zentralbetrieb und einer ganzen Reihe von Außenwirtschaften. entwickelt das Lehens- und Grundherrnsystem weiter. Frondienst ist für die Landbevölkerung auf sol‐ chen Gütern unabdin gbar.
Man unterschied den großen (für Getreide) und den kleinen Zehnt (für Futter‐ und Hackbau). Als im Hochmittelalter der Weinbau überhand nahm. wurde auch davon der Weinzehnt eingeführt.
Zuerst bekamen die Grundherrn den Zehnt in Naturalien, aber schließlich war die Eintreibung doch kompliziert, und die vielen Früchte waren nicht leicht zu verwerten. Deshalb wurde der Zehnt bald durch die Herrschaft versteigert, an den Meistbietenden. Später wurde der Zehnt teilweise auch in Geldabgabe berechnet.
Nachdem durch den Beauftragten. den Zehntschöpfen im Dorf, jede zehnte Garbe der Getreideernte und ein Zehntel der Anbaufläche beim Fruchtbau eingesammelt bzw. abgeerntet waren, die Kosten dafür hatte der Zehntherr zu tragen, wurden diese Anteile in die örtliche Zehntscheuer gebracht. Dort wurde nach der Ernte eine Versteigerung anberaumt und dabei hatte der Schöpfe Anspruch auf den Überschuß, den er über den festgelegten herr‐ schaftlichen Abgabenbetrag erzielte. Die Anteile des Ritters Georg von Rosenberg mußten jedoch beispielsweise 1534 von den Bürgern Buch am Ahorns, als Frondienst, von Dittwar und anderen Orten in die herrschaftlichen Speicher nach Buch gefahren werden.(E. HONECK „Buch ‐ ein Dorf am Ahornwald", 1983, S.88)
Mit der Verstärkung des Handels aufgrund der Blüte von Marktstädten und Klöstern kommt auch dem Zollwesen Bedeutung zu. Und 1235 ist es not‐ wendig, daß der Mainzer Reichslandfriede alle Zölle, die ohne königliche Genehmigung errichtet wurden, abstellt. Der Mißbrauch mit dieser leicht zu erhebenden Einnahme nahm überhand, während die Gegenleistung der Zollnehmer, Wegenetz erhalten, Schutz und Geleit der Reisenden, Schutz der Waren aufgrund des Raubritterwesens kaum zu erbringen war.
Das Geleit war eine gute Einnahmequelle und ein gefragtes Privileg. Wurde doch neben dem eigentlichen Zoll für das Durchfahrrecht noch die „Freß‐ gelder“ für die Unterhaltung der Geleitmannschaft und die „Geleitgebühr“ für den Schutz verlangt.
Im 14. Jahrhundert, während es dem Reich und den Fürsten an festen und ausreichenden Einkommen mangelt, ergreifen die Fürsten das Mittel der Besteuerung, um ihre Territorien von ihnen zu stärken. Die „Bede“ wird zu regelmäßiger Einnahme. sie wird als Grundsteuer erhoben. Dem setzen die Städte Grundsteuern für die Bürger gegenüber.
Als Zeichen der Leibeigenschaft hatte jede Familie ein- oder zweimal im Jahr das „Leibhuhn“ zu liefern. meist an Fasnacht. Diese Abgabe wird später durch eine Geldzahlung abgelöst. Als sich 1502 der Graf von Leuchten‐ berg mit seinen Gütern rund um Grünsfeld in den Lehensschutz des Hoch‐ stifts Würzburg begab, wurde für Dittwar von den Zinspflichtigen u.a. 3 und zwei halbe Fasnachtshühner und 2 Sommerhühner verlangt. Schon 1669 verlangte das Juliusspital von Würzburg u.a. 11 Kreuzer für eine Gans und 3 Kreuzer für ein Fasnachtshuhn.
Ebenfalls im ausgehenden Mittelalter wurden die Leibeigenen mit “Best‐ haupt“ oder „Todfall“ belastet. Diese Zahlung mußte beim Tod eines Leibeigenen an den Grundherrn abgeführt werden. Allerdings war damit eine Besitzwechselabgabe gemeint, meist in Form von einem Stück Vieh, dem besten Stück im Stall, genannt der „Sterbochse" oder die „Todgans“. Es konnte aber auch ein Gewand sein, das „Bestgewand“ oder „Bestkleid". Mancherorts wählte der Herr statt den Naturalien auch das „Leibgeding“, hier mußte vor dem Ortsgericht das gesamte Vermögen festgestellt werden, davon wurde das der Ehefrau abgezogen, und dann 5 % berechnet. (Hel‐ mut LAUF „Uissigheim", S. 166). Als später die Naturalien lästig wurden, verlangten die Herrschaften dafür „Hauptzins“.
Ähnlich ging es beim „Hagestolz“ zu. Wurde ein Gut an einen älteren Unverheirateten vererbt, dem „Hagestolz“, so fiel ein Teil als Erbschaftssteuer an den Grundherrn.
Die Leibeigenschaft war auch der freien Wahl des Wohnorts im Weg. Erst hatte sich der Interessent von der Leibeigenschaft loszukaufen, um dann umziehen zu können. Diese Zahlung wurde „Abkaufgeld“ genannt.
Ganz ähnlich dazu war der „Handlohn“ zu zahlen beim Verkauf bestimmter Güter. Wie bei .,Besthaupt“ und bei „Hagestolz“ ist dies als eine Besitz‐ wechselabgabe anzusehen.
Die „Akzise“ ist eine Steuer, die besonders in der kapitalarmen Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg als Verbrauchssteuer von den Landesherrn eingeführt wurde. Zunächst wurde Akzise nur von Gewerbetreibenden und vom Handelsgewerbe verlangt, später auch bei den Verbrauchern. der „Akezi‐ sor“ war der zur Einziehung Beauftragte, und in Dittwar spricht man noch heute von der Familie „Akeziser“, (Fam. Hammerich, trieb noch nach dem 1. Weltkrieg Steuern für das Finanzamt ein!) die in dem Haus wohnten, das ehemals am Platz des heutigen Anwesens von Theo Hammerich stand.
Wie heute die Grundsteuer. mußten die Leibeigenen neben dem Zehnt auch noch Zins und Gült als Bodenabgabe zahlen. In der Regel war die Gült eine Naturalabgabe, meist Hühner oder Gänse, während der Zins generell in Geld verlangt wurde. Beide fielen jährlich an. Die Naturalgült wurde aber bald durch angemessene Zahlungen abgelöst.
Das „Atz- und Frongeld“ wurde zu allem andern noch erhoben, um die Reisekosten der Beamten des Königs und der Herrschaft abzudecken. Ver‐ pflegung, Herberge und Reisekosten waren damit zu tragen (..Atzung" = Speisung). Manchmal wurden damit auch die Fuhren derZehntabgabe finanziert.
Wären diese feststehenden und regelmäßigen Zahlungen der Bewohner einer Herrschaft die einzigen Abgaben gewesen, so hätten sich diese glücklich gepriesen. Für unvorhersehbare Vorkommnisse wurden noch außergewöhnliche Schatzungen durchgeführt. Dabei wurden die Vermögen der Ortseinwohner aufgelistet und deren Wert geschätzt. Danach wurde dafür eine Steuer festgesetzt. Für Dittwar zeigt die Türkensteuerliste von 1578 eine solche Schatzung.
In diesem Zusammenhang sind die Einquartierungen der Kriegstruppen sowie die Beuteverpflegung der Soldaten auch zu nennen.
Der Frondienst war eine ebenso große Plage für die Bauern wie die Ab‐ gaben. Hatten sie doch dabei die herrschaftlichenGüter zu bearbeiten. Dazu kam noch Dienst bei herrschaftlichen Ein- und Verkäufen, der „Vorspann“, oder die .“Jagdfron“, als Treiber. Im Laufe der Zeit wurden die Frondienste mehr und mehr durch Fronzahlungen abgelöst.
Noch Mitte des letzten Jahrhunderts hatten die Ortseinwohner in unseren Gemeinden an die Ortsverwaltung Frondienste zu leisten. Der Wegbau, Instandsetzung von Gemeindegebäuden, Erhaltung der Brücken, Wasserleitungsbau und Befestigung der Wassergräben wurde, allerdings gegen ein Frongeld, verlangt, das sich je nach Konjunktur und Arbeitsangebot hoch oder niedrig gestaltete.
Fron und Zehnt durften ab 1833 laut badischem Dekret abgelöst werden. Vorgesehen war, daß die Zehntherren als Entschädigung 20 Jahreszahlungen erhalten sollten. Die Gemeinden hatten davon vier und der badische Staat ein Fünftel zu übernehmen. Jedoch zog sich diese Ablösung bis in die 70erJahre hin, und Bürger und Gemeinden waren durch die Schulden auf Jahrzehnte hinaus schwer belastet.
Manfred Maninger
Dittwar: Kirche und Geistliche
Neues zur alten und neuen Kirche
Man war schon immer erstaunt, daß bereits im Jahr 1232 ein „St. plebanus (= Pfarrerl)von Dietebure" genannt ist. Es bestand ein Waldstreit zwischen dem Kloster Bronnbach und den Bauern von Neukirchen. Die Verhandlung war am 19. Januar vor dem Konvent des Klosters Amorbach. Der Mainzer Erzbischof schickte dazu einen Stiftsherrn von Aschaffenburg, den Dekan R. von Zimmern und den Dittwarer Pfarrer St. als Richter. Der Dekan Rudolph von Cimerin kommt auch 1212, 1225 und 1233 vor. Er war also zu Zimmern bei Grünsfeld Pfarrer und Dekan des Landkapitels Taubergau.” Herren der Burgen Zimmern, Lauda und Dittwar waren aber damals die Herren von Rieneck. Ein Edelherr Heinrich von Zimmern soll sich nach 1180 sogar „von Dittwar" genannt haben.” Daß Hochadel zu Dittwar schon um 1100 seinen Sitz hatte und auch um 1200 ein Edelherr von Zimmern hier besonders daheim war, dürfte zur Stiftung einer Pfarrei durch diese Ge‐ schlechter geführt haben. obwohl Dittwar noch ein kleiner Ort und vielleicht Willetzheim größer war.
Ein Neubau oder Vergrößerung der Kirche kam wohl 1340 zustande, denn bei der Kirchenvisitation 1549 wird festgestellt: ‚„Es ist eine Urkunde von der Stiftung der Kirche mit Ablässen des Papstes und von zehn Bischöfen des Jahres 1340 vorhanden (Litterae fundationis ecclesiae in Ditbar cum indulgentiis papalibus et Episcopis decem anno millesimo trecentesimo quadragesimo)3) Für das Jahr 1549 heißt es weiter: „Die Pfarrkirche zu Ehren des heiligen Laurentius. Der Erzbischof (von Mainz) vergibt die Pfarrei. Die Kirche hat vier geweihte gute Altäre, 3 gestiftete Jahrtage mit Stiftungsbrief der Catharina von Ehenheim (ihre Grabplatte von 1418 ist in Bronnbach; die ihres Mannes Friedrich von Stettenberg von 1411 ebenfalls). Vier Malter Korn jährlicher Gült sind von Fritz Zobel gestiftet. Der Pfarrer erhält von gewissen Äckern ungefähr 3 Malter Zehnt. Ein Weinberg von einem Morgen
erträgt als Frucht jährlich eine Fuhre (Fuder) Wein, aber die Gemeinde pflegt ihn nicht (später, 1754, schreibt der Pfarrer, von 3 1/2 Morgen Wein‐ berg werden nur 2 Morgen in der Fron, gegen Reichung 2 Pfund Brot und 1/2Maß Wein jeden Tag gebaut). Die Kirche hat 13 Morgen Wald (1754 heißt es: 9 Morgen Wald im Heiligen Holz, ringsum mit bürgerlichem Holz umgeben. nur Buschholz, neuerdings mit nur rauhen Steinen versteint). Die Pfarrei ist seit 6 Jahren verweist. Ehedem wurde diese Pfarrei durch den Kaplan am Elisabethaltar des Spitals Bischofsheim versehen, zur Zeit besorgt der Pfarrer (Pastor) in Dittigheim den Gottesdienst. Die Pfarrei hat kein Pfarrhaus?
So war es also 1549. Übrigens wurde auch im Jahr 1344 die Kirche von Dittwar ewähnt und die Verpflichtung der Dittwarer, die zum kirchlichen Sendgericht zu ihrer Mutterkirche in Bischofsheim gehen mußten.
Aus der Kirchenvisitation 1754 ist noch bemerkenswert: „Von einer 10‐ Gulden-Stiftung werden die Zinsen zur Feier des Amtes Sankt Urban ver‐ wendet. (Urban war der Schutzpatron der Weinberge!) Von 41 Morgen Ackerfeld hat die Pfarrei den großen und kleinen Zehnten. Den Weinzehnt hat sie von einem Morgen in den Wiesenweinbergen und von 1 1/2Morgen in den Pfaffenweinbergen, ferner von 4 3/4 Morgen im Brugel. All dieser Zehnt muß auf Kosten der Pfarrei gesammelt und heimgebracht werden. Eigene Weinberge aber 3 1/2Morgen. Dekan Helfferich hat Wohnung, Scheuer und Stall (ohne Keller) gekauft, Spitalverwalter Carolus Sauer hat dazu ein Extrahäuschen mit einem Keller erbaut. Der Pfarrer hat es bisher an seine Kosten unterhalten, sonst müßte es verfallen."
Interessant wird 1753 über die alte Kirche berichtet: „Das Mauerwerk des alten Kirchturms ist 50 Schuh hoch (= etwa 15 Meter, darüber also noch das Dach), der Turm steht auf dem Chor. Der Chor ist auswendig in der Vierung 20 Schuh breit und lang (etwa 6 m). Das Langhaus auswendig 43 Schuh (= nicht ganz 13 Meter)." Die Kirche war also wie an vielen Orten eine Chorturmkirche, das Heiligtum des Chors wurde vom Turm würdig bekrönt. Und man sparte für den Chor ein besonderes Dach und Mauern, aber man konnte später den Chor nicht gut erweitern. So wurde 1754 die alte Kirche ganz abgebrochen. die neue von Grund auf erbaut. Beachtenswert an der Inschrift über dem Portal ist, daß sie ein Chronogramm ist. Wenn man die römischen Zahlenbuchstaben (sie sind größer geschrieben!) zusammenzählt, erhält man das Erbauungsjahr 1754.
HAEC
NOVA PORTA
Deo PATRONOQVE
ECCLESIAE
DIVO LAVRENTIO .
SACRA
OPE PAROCHIANA
EXSTRVCTA
EXVRGEBAT
Übersetzung:
Dieses neue Portal ist errichtet worden und erstand Gott und dem heiligen Kirchenpatron Laurentius geweiht durch die Hilfe der Pfarrgemeinde.
Die enthaltenen Zahlenbuchstaben DDCCCCCCLLXXWVWVIIII ergeben 1754(D = 500/C = 100/L= 50/X = 10/V= 5).
Die schöne gotische Sakramentsnische aus der Zeit um 1500 ist in den neuen Chor links eingelassen. In ihr wurde das Allerheiligste aufbewahrt, da bis um 1600 kein Tabernakel auf dem Altar üblich war. Wer die prächtigen Altäre und die Kanzel fertigte, ist unbekannt. Die Deckengemälde, die erst 1896 durch die Gebrüder Wallischek aus Wiesloch gemalt waren, wurden bei der letzten Renovation übertüncht. Die Reliquien aus der Kreuzkapelle, neuer‐ dings kunstvoll gefaßt, sind jetzt im Chor zu beiden Seiten zu sehen.
Über den Zustand der früheren Kirche wurde am 15. Juni 1744 an den Erz‐ bischof und Kurfürst in Mainz berichtet: „Es ist zu berichten, in was für miserablem, ruinösen und allerschlechtesten Zusta nd sich das Gotteshaus zu Dittwahr befinden thue. welches mit gutem Fug eher Spelunke und Schafstall als Haus Gottes zu nennen ist. Es ist allzu kurz und eng. so daß die halbe Gemeinde auf Sonn-und Feyertägen das heylige Meßopfer versäumen muß und das Gotteshaus unter größter Gefahr kaum mehr betreten werden kann. Das wilde Gewässer hat sich im letzten Frühjahr allerorten hinein‐ gedrungen, daß solches über 3 Wochen lang gegen 4 Schuh hoch (1‚16 Meter! hoch) darinnen gestanden ist.“
Um für das Langhaus mit Turm Geld zu haben, hat die Gemeinde 1753 die eigene Schäferei mit 150 bis 200 Stück für 30 Jahre in Bestand (Pacht) gegeben, was gleich bar mit 1000 Reichstalern (= 1500 Gulden!) erlegt werden soll. Auch will die Gemeinde 500 Gulden Rückstände einziehen. Auch bittet man um Erlaubnis, in den Pfarreien des Erzstiftes Mainz eine Kollekte halten zu dürfen." Das Gotteshaus liegt an einem quellenreichen Berg, es ist mehr ein Wasserloch als Bethaus, worin wochenlang kein Gottesdienst verrichtet werden könne. Der Geistliche hat mehrmals bis an die Knöchel im
Wasser und Morast zum Allerheiligsten waten müssen.“ (GLA 229/19564) Sie hatte bei der Kirchenvisitation 1549 vier Altäre; wahrscheinlich, daß bei
einem Seelenamt für einen Adligen zugleich vier Geistliche die Messe feiern konnten. Erst 1700/1701 zog wieder ein Pfarrer in Dittwar ein. Grundriß der alten Kirche nach den Angaben von 1753:
- Würzburger Diözesangeschichtsblätter 18 (1956) S, 94
- Elmar Weiß, Geschichte der Stadt Grünsfeld 1981 S.29
- Staatsarchiv Wülzburg MRA 619/H 1240 c
Aus der älteren Zeit sind nur ein paar zufällig gefundene Namen und Umstände hier angeführt, von den Geistlichen der jüngeren Zeit steht jeweils in der Zeitschrift „Freiburger Diözesan‐Archiv“ eine kurze Lebensbeschreibung.
Konrad Brotbeck, Kanonikus in Mergentheim. Er hat vor 1780 ein Jahrtagsamt hier für sich gestiftet. Der Familienname Brotbeck ist hier schon 1502 nachzuweisen.
Anton Hammerich, Kaplan in Sailauf bei Aschaffenburg, hatte ebenfalls schon vor 1780 ein Jahrtagsamt in Dittwar.
Gottfried Hammerich, Abt des Prämonstratenserklosters Oberzell (unter‐ halb Würzburg) 1692-1710. Er ist um 1630 in Dittwar geboren, an der Uni‐ versität Würzburg erwarb er den Doktortitel. Dort standen ihm akademische Aufgaben und Ehren in Aussicht. Aus Bescheidenheit schlug er sie aus und wurde Propst des Frauenklosters Unterzell. Dies blieb er 19 Jahre lang, bis er 1692 als Abt des Klosters Oberzell gewählt und berufen wurde. In barocker Freude und Begeisterung ließ er die romanische Klosterkirche Oberzell stuckieren, so daß der Kirchenraum ein barockes Gepräge erhielt. Die Seitenmauern wurden durchbrochen, und die Kirche erhielt vor allem eine neue Fassade im Barockgeschmack. Seitdem steht an dieser erhaltenen Vorder‐ seite ganz oben der Erzengel Michael, in einer Muschelnische in der Mitte die Gottesmutter mit dem Jesuskind, links vom Portal der Ordensgründer Norbert, rechts der selige Gottfried, einer der ersten Gönner und Anhänger des heiligen Norbert. Oberhalb des Portales erinnern zwei Wappen in ba‐ rocker Umrahmung an den Erbauer aus Dittwar.
Das Wappen mit dem blitzartigen Zeichen ist das der Abtei Oberzell, das auch in der Kirche des Filialklosters Gerlachsheim zu finden ist. Es ist eine Anspielung auf den Blitzstrahl, durch den der heilige Norbert bekehrt wurde. Das andere Wappen enthält einen Arm mit einem Hammer in der Hand, es deutet den Namen Hammerich an und ist das Wappen des Abts Gottfried Hammerich. Die lateinische Inschrift darunter besagt: „Als Gottfried Fürst‐ bischof und Gottfried (Hammerich) Abt war. wurde als Pforte des Friedes
dies Portal gebaut. Gebe Gott, daß die Tür allen Zwistigkeiten (bellis) die Jahre hindurch verschlossen sei, wenn sie jeden Tag offen steht. 1696.“
Nach Vollendung des Umbaues wurde Abt Gottfried noch mit der Visitation der Ordensniederlassungen in Westfalen und sonst beauftragt. Er starb 80jährig am 15.3.1710. Durch die Säkularisation fiel das Kloster an den Staat, der es versteigerte. Die Kunstwerke wurden in alle Welt zerstreut. Vor 1901 arbeitete dort eine Schnellpressenfabrik. Dann wurde es das Mutterhaus der Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu. Ihnen ist die gelungene Restaurierung zu danken. Kirche und Kloster sind wieder sehenswert.
Franz Stephan, geb. 25.11.1780, geweiht 25.2.1804, Pater im Prämonstra‐ tenserkloster Gerlachsheim, das in der Säkularisation aufgehoben wurde. Deswegen 1806 Pfarrer in Gerlachsheim, besorgte 1828-1829 die Pastora‐ tion in Distelhausen als Pfarrverweser, gestorben 23.12.1831 als Pfarrer in Gerlachsheim.
Lorenz Rudolph, Dekan des Landkapitels Lohr, Pfarrer in Heimbuchental, stiftete im Oktober 1830 zusammen mit dem folgenden Pfarrer Augustin Rudolf 1000 Gulden zu einem Armenfond in Dittwar, aus dessen Zinsen die Armen des Ortes unterstützt werden sollten.
JosephAugustin Rudolf, Dekan des Landkapitels Aschaffenburg, Pfarrer in Elsenfeld bei Obernburg: dort vor dem Oktober 1830 gestorben. Er trug zu dem beim vorigen Pfarrer Rudolf ewähnten Armenfond bei. Er war der Bruder der Mutter des folgenden Neupriesters Phil. Franz Honickel, der ein Dreivierteljahr lang bei seinem Onkel in Elsenfeld studierte, durch Predigt und Christenlehre, auch durch Schulbesuch in der Seelsorge sich übte, nachdem er die Diakonatsweihe erhalten hatte.
Philipp Franz Honickel, geb. 18. Dez. 1801; studierte 2 Jahre Theologie in Aschaffenburg, 1 Jahr in Würzburg. 1822 im Mai war er im Klerikerseminar Aschaffenburg, zuvor ein Dreivierteljahr bei seinem obigen Onkel Augustin Rudolf zur Einübung in die Seelsorge. Als Neupriester kam er am 26.10.1823 als dritter Kaplan nach Mannheim (Akten im Ordinariatsarchiv Freiburg).
Lorenz Rudolf Honickel, geb. 14.8.1824, geweiht 9.8.1854, Vikar in Bur‐ bach, Rotenfels, 1857 Pfarrverweser in Spechbach, 1859 in Ketsch, 1866 in Distelhausen, 1869 Pfarrer in Rauenberg, 1883 in Dielheim, 1905 im Ruhe‐ stand; gestorben 20.9.1910 in Königshofen.
Bonifaz Hammerich, geb. 21.8.1838, geweiht 2.8.1864, Vikar in Neunkirchen, Freudenberg, Burbach, Grünsfeld. 1868 Pfarrvenrveser in Grünsfeid (während der Cholerazeit), 1871 Kaplaneiverweser in Lauda; gestorben 27.1.1872.
Philipp Anton Hammerich, geb. 27.2.1843, geweiht 4.8.1868, Vikar in Kupprichhausen, Eberbach, Uissigheim, Lauda, 1872 Kaplaneiverweser in Lauda, 1880 Pfarrverweser in Oberbiedersbach im Schwarzwald, gestorben 30. Juni 1903. („Schafstoni"! Siehe Beitrag von M. Maninger.)
Lorenz Martin Lotter, geb. 6.4.1837, geweiht 5.8.1862, Vikar in Jöhlingen, Rheinsheim, Schlierstadt, 1864 Pfarrverweser in Kützbrunn, 1866 Pfarrer in Unterschüpf, 1871 in Zimmern bei Grünsfeld, 1881 in Krautheim, 1891 in Gommersdorf, Dekan des Kapitels Krautheim; gestorben 28. Juli 1902. Schenkung an den Bonifatiusverein 10500 Mark.
Franz Joseph Wenzel, geb. 27.10.1839‚ geweiht 1864, Vikar in Unterwittig‐ hausen, Königshofen, Badenweiler, 1866 Benefiziumsverweser in Dittigheim, während der Choleraepidemie 1868 Pfarrverweser in Balg, 1869 in Honau und Stollhofen, 1871 in Niederschopfheim, 1872 in Mahlberg, 1873 in Gailingen, 1876 in Watterdingen, 1877 in Blumenfeld, 1881 Pfarrer in Hausen im Tal. 1894 in Wagenstadt, gestorben 2.8.1895 in Freiburg.
Joseph Anton Honickel, geb. 18.3.1850, geweiht 31.1.1874, Vikar inNeu‐ hausen (Dekanat Mühlhausen), Michelbach. lm damaligen Kulturkampf verlangte der Badische Staat die Ablegung eines staatlichen Examens bevor die Priesterweihe erteilt wurde. Der Erzbischof lehnte dies ab, er verlangte Frei‐ heit für die Kirche. So wurde Honickel als unrechtmäßig Geweihter alsbald „wegen Ausübung seelsorgerlicher Funktionen" zu vier Wochen Gefängnis in Karlsruhe und 6 Monaten Gefängnis in Rastatt verurteilt. Honickel war dann wegen dieser Gesetze 1875-1880 in der Diözese Würzburg tätig, 1880 Vikar in Odenheim (Baden), 1881 Pfarrer in Bretzingen, gestorben 16.5.1915.
Joseph August Krank, geb. 25.2.1849, geweiht 1875; wegen des Examensgesetzes und der drohenden Haftstrafe, wie bei dem vorigen Honickel, war auch er bis 1880 in der Diözese Würzburg tätig. 1880 Vikar in Nollingen, 1880 Pfarrer in Tiefenbach, 1892 in Mörsbach, 1895 in Ostringen, 1897 in Wiesental, 1899 in Dittigheim, gestorben 6.5.1907.
Lorenz Valentin Both, geb. 27.5.1850, geweiht 1875, wegen des Kultur‐ kampfes zuerst in der Diözese Würzburg angestellt als Kooperator in Schweinheim, 1877 Lehramtspraktikant am Gymnasium in Rastatt und Pro‐ fessor daselbst, 1882 als solcher am Gymnasium in Heidelberg, gestorben
15.9.1899. Machte eine Stiftung dem Bonifatiusverein.
Lorenz Eck, geb. 9.8.1860, geweiht 1886‚ Vikar in Lichtental, Bühl, 1889 Kurat in Schlageten, 1890 Pfarrverweser im Bühlertal, 1892 Pfarrer in Brenden, 1899 in Seckach, 1918 in Külsheim, gestorben 31.8.1933.
Balduin Werr, geb. 5.8.1846, geweiht 1870, Vikar in Jöhlingen, Neudorf, Odenheim, Lehrer am Gymnasium Freiburg, Pfarrverweser in Zuzenhausen; gestorben 5.12.1885.
Joseph Anton Stephan, geb. 24.1.1844, geweiht 1867, Vikar in Hocken‐ heim, Kaplaneiverweser in Tauberbischofsheim, Vikar in Herbolzheim, 1871
Pfarrverweser in Oberöwisheim, 1872 in Au, 1874 in Nußloch, 1893 Pfarrer in Oberschefflenz, 1899 in Ottenheim, 1911 im Ruhestand, gestorben 8.12.1917 in Mosbach.
Eustach Maninger, geb. am 28. Januar 1865, Ordensgelübde bei den Redemptoristen 15.10.1865, 25.6.1893 Priesterweihe, ab 1897 Missionar in Argentinien; 1909‐1919 Oberer der Klostergemeinde von Buenos Aires, dann Direktor der Ordensschule, Novizenmeister, viel aufgesuchter Beicht‐ vater, gesuchter und bewährter Ratgeber und Helfer. Verstorben nach einem heiligmäßigen Leben am 8.4.1930 in Buenos Aires.
Franz Joseph Krank, geb. 16.5.1866, geweiht 1891, Vikar in Murg, 1895 Pfarrverweser in Strümpfelbrunn, dann Pfarrer daselbst, 1910 in Gommers‐ dorf, 1912 Dekan, 1933 im Ruhestand. Er baute in Strümpfelbrunn die Kirche um und ein Schwesternhaus neu. Der „Priester von soldatischer Strenge" starb an den Folgen einer Liebestat, er hob einen verunglückten Mann auf und verletzte sich selbst dabei die Wirbelsäule. Es starb 19.6.1936.
August Leopold Honickel, geb. 21.2.1866, geweiht 1892,Vikar in Gries‐ heim, 1894 Pfarrverweser in Haßmersheim, 1890 Pfarrer in Kützbrunn, Kützbrunn verdankt ihm die Renovation der Kirche; gestorben 4.6.1935. Johann Florian Hammerich, geb. 23.3.1873, geweiht 1897, Vikar in Götzingen, Stein am Kocher, Schwarzach, Mannheim‐Waldhof, Mu dau, Ubstadt; 1902 Pfarrverweser in Windischbuch, 1903 Pfarrer in Eubigheim, 1920 Pfarrer in Balzfeld. Eine Kropfoperation führte zur Stimmbandlähmung, so mußte er 1926 aus der aktiven Seelsorge ausscheiden. Er liebte vor allem Choralämter, in der Schule drang er noch auf genaues Lernen, Ruhe und Ordnung. Sein großes Pflichtgefühl machte ihn energisch und eifrig. Von 1939 an lebte er im Ruhestand in Tauberbischofsheim und betreute noch viele Jahre in priesterlicher Besorgtheit das dortige Krankenhaus. Er starb am 19.6.1962 in Tauberbischofsheim und ist in Dittwar beerdigt.
Franz Rudolf, geb. 16.12.1884 in Dittwar, Priesterweihe 1.7.1908, Vikar in Michelbach, Weingarten b.0., Hofweier 1909, Appenweier, Mühlenbach, Buchenbach 1912, Oberhausen b.L., Pfarrvewveser in Weiher 1914 und Flehingen 1916, Pfarrer in Handschuhsheim ab 1917, gestorben 22. Sept. 1954 in Handschuhsheim und dort beerdigt.
lm Begriffe, das hl. Meßopfer darzubringen, wurde Rudolf durch einen Herzschlag mitten aus seiner unermüdlichen, reichen und fruchtbaren Pastorationsarbeit herausgerissen, die sich in seinem Leben überwiegend auf Handschuhsheim konzentrierte. Für die ständig wachsende Pfarrei erreichte er eine Kirchenerweiterung, auch denkmalpflegerisch eine beachtlich Leistung. Im Innenaufbau der Pfarrei wirkte Rudolf, ein fähiger‚ stets fördernder Organisator und unermüdlicher, hingebungsvoller Seelenführer, Großes, geachtet auch weit über die eigenen Reihen hinaus.
Heinrich Weber, geb. 1.1.1908 in Dittwar, Priesterweihe am 15.4.1934, Vikar in Karlsruhe-Rüppurr, Konstanz (Münster), Lörrach (St. Bonifaz), Pfarr‐ verweser daselbst 1.6.1944, Pfarrer in Neckarelz ab 1947, gest. 19.7.1980 in Mosbach (Krankenhaus), beerdigt in Neckarelz.
„Er wird ein trefflicher Seelsorger werden“, sagten die Vorsteher des Priesterseminars von dem sehr gut begabten, freundlich frohen und zu allem willigen Jungpriester voraus, und ihre Prognose sollte sich in schönster Weise erfüllen. In den 34 Jahren seiner Tätigkeit in Neckarelz suchte er, wie ein guter Seelsorger es tun muß, allen alles zu werden, selbstlos jederzeit ansprechbar. mit Rat und Tat helfend, wo immer er konnte. Zur Pfarrei war ihm auch das Exerzitienhaus Neckarelz anvertraut. Nur ein kurzes Jahr war ihm im Ruhestand vergönnt, ein Zeichen, daß er sich in seinen Neckarelzer Aufgaben restlos verzehrt hat.
Pfarrer Kleemann
Der Jesuit Franz Callenbach und seine Komödien.
Im Lexikon für Theologie und Kirche ist „Franz Callenbach, Jesuit, Satiriker, geboren in Dittwar/Franken…“ zu finden, ganz besonders ausführlich in Kayser’s Bücher‐Lexicon von 1835 mit dem Titel von acht Komödien. Im Jahr 1903 wurde in Freiburg sogar eine Doktorarbeit „Franz Callenbach und seine satirischen Komödien“ gedruckt. Der Verfasser Rudolf Dammert suchte in Dittwar vergebens nach der Familie Callenbach, denn die Standesbücher beginnen hier erst 1702. Er wußte aber aus Schriftstücken des Jesuitenordens: Der Vater des Jesuiten war zeitweise Amtsschreiber in Tauberbischofsheim und dann 1680 Amtskeller in Gamburg, er hieß Christoph Callenbach, gestorben 1717, die Mutter hieß Anna Katharina, sie starb 1721. Nun konnte in dem alten Zinsverzeichnis des Juliusspitals zu Würzburg vom Jahr 1669 der „Herr Christoph Callenbach" als Ackerbesitzer in Dittwar und Zinszahler festgestellt werden. Nur noch Matthes Honickel wird dabei als ‚.Herr" bezeichnet. Christoff Callenbach hatte demnach hier schon ein besonderes Amt, wurde dann Amtsschreiber in Bischofsheim, dort wurde am 13.1.1670 ihm und seiner Frau Katharina ein Kind namens Veit Karl getauft, wobei Veit Weber Taufpate war. Der Familienname Weber kommt 1670 auch in der Geschichte vom Kreuzhölzle vor, und der vorige „Herr Matthes Honickel“ war 1670 Schultheiß zu Dittwar. Es stimmt also, daß der Vater Christoph Callenbach zuerst in unserem Dittwar wohnte und daß der kleine 1663 geborene Franz Callenbach einige Jahre hier aufwuchs. Er lernte hier noch die fleißigen‚ geduldigen und betenden Bauern kennen, die durch harte Arbeit und großes Gottvertrauen den steinigen Äckern und Weinbergen ihre Nahrung abrangen. Mancher Acker und Weinberg mußte in diesen Jahrzehnten nach dem 30jährigen Krieg erst wieder gerodet werden. Praktische Lebensauffassung und glaubensfrohes Gottvertrauen werden bei dem späteren Jesuiten ebenso gerühmt.
Franz Callenbach wurde in die Anfangsgründe der lateinischen Sprache sicherlich in Bischofsheim eingeführt. Weitere Ausbildung erhielt er im Würz‐ burger Jesuitenkolleg, wo er im Frühjahr 1683 zum Magister ernannt wurde. Damit hatte er ungefähr unserAbitur und die Erlaubnis, Unterricht zu erteilen. Am 20. Juli desselben Jahres trat er in Mainz in den Jesuitenorden ein. Nach der Probezeit als Novize wurde er 1685 nach Bamberg versetzt, um sich in der Wissenschaft und Lehrbefähigung weiter auszubilden. 1685/1686 lehrte er Grammatik‚ 1687 Poetik, 1689/90 Rhetorik. Er habe dort als geistreicher Lehrer einen bezaubernden Einfluß auf die Jugend ausgeübt, heißt es später. Nachdem er noch an der Universität Würzburg 1690-1694 Theologie studiert hatte, wurde er 1694 zum Priester geweiht.
Damals wurde das Reichskammergericht in das Reichsstädtchen Wetzlar verlegt. Für die zahlreichen Familien des höchsten Gerichts mußte erst eine ordentliche Schule gegründet werden. Franz Callenbach erhielt 1694 den Auftrag zur Gründung. Er leitete sie zuerst allein; es war schwierig, da alle Konfessionen vertreten waren. Er war zugleich der Hauptprediger. 1697 war er Prinzenerzieher im hessischen Wanfried bei Eschwege, 1698 Lehrer am Bamberger Jesuitenkolleg, zuerst für Mathematik‚ dann für Logik und Philosophie. Die späteren ersten Männer der Stadt waren seine Schüler und dach‐ ten später mit Bewunderung an ihn zurück. Wahrscheinlich dort verfaßte er für das Jesuitentheater mehrere Schauspiele. 1702 war er Missionar im elsässischen Hagenau, 1703-1721 oblag er wieder in Wetzlar den alten schwierigen Aufgaben. Hier verfaßte er seine Komödien, die mancherlei Wetzlaer Zustände satirisch betrachten. Sie waren wohl nicht für das Schultheater geschrieben, sondern mehr zum Lesen; sie wurden offenbar viel gelesen und von Schauspielertruppen oder Wetzlaer Bürgern aufgeführt. Der barocke Redestil von Abraham a Sancta Clara und die scharfe satirische Schilderung der gesellschaftlichen Zustände hatte die Lacher auf seiner Seite, zumal er persönlich sehr liebenswürdig war.
1721 wurde Callenbach der ehrenvolle Ruf zum Rektor und Novizenmeister des Würzburger Jesuitenkollegs zuteil. 1725 wurde er Seelsorger, zeitweilig auch Sekretär des oberrheinischen Ordensprovinzials in Bamberg, in Heidelberg und Mainz, ab 1734 wieder in Bamberg, wo er am 3.2.1743 starb, achtzigjährig! Er war in vielseitiger Arbeit unermüdlich gewesen. Bis in die letzten Lebenstage besuchte er noch die Krankenhäuser und die Hütten der Armen.
Die satirischen Komödien von Franz Callenbach passen selbstverständlich nicht mehr recht in unsere Zeit, zum Beispiel diese gesuchte Virtuosität und Handhabung der Ausdrücke, die Anhäufungen von aburteilenden Bezeich‐ nungen. Dazwischen kommen lateinische Sätze vor. Mitunter bringt er be‐ kannte Sprichwörter: „Da Adam hackt und Eva spann, sag wer war da der Edelmann?“ Seine Art, Unsitten und Laster lächerlich zu machen, hat viele Nachahmer gefunden. Da geht die Frau Wahrheit zum Hof und zu anderen Ständen, wird aber abgewiesen. Der Lehrer wird aus dem Haus geschickt, weil er mehr Katechismus als Mode lehrt. DieVerehrung des Tabaks veranlaßt ihn zum satirischen ..Tabak‐Ordens‐Gesang" und zur „Tabak-Ordensregel“. Die Titel der Komödien sind halb lateinisch: „Wurmatia‐Wurmland" will die Wurmstichigkeit seiner Zeit dartun und schickt die Wurmschneider aus in Kirche und Staat, in die Schule und ins Haus, zum Militär und Gericht, um überall die Würmer aufzuspüren und auszuschneiden. „Quasi vero“ zeigt, wie in manchen Berufen leicht alles zum Scheine und aus Heuchelei geschieht. Es wird aber nicht eine spannende Handlung geboten, sondern es folgen immer neue Ausschnitte aus dem Leben, die durch eine Idee zusammengehalten werden. Verstorbene kehren auf die Welt zurück und sehen das entartete Treiben ihrer Nachkommen. Zwei Bauern zanken sich, wem von ihnen der Kuckucksschrei Glück verheißen hat, sie prügeln sich und werden bestraft. Manche zeitgemäße Schwülstigkeiten in der Sprache können das Verständnis erschweren, aber zu bewundern ist seine scharfe Beobachtungsgabe und die anschauliche Schilderung.
Als Kostprobe eine Szene zwischen den Bauern Rippel und Merten:
Rippel: Merten, warum so lustig?
Merten: Juchheu! Wer Glück hat, führt eine Braut heim!
Rippel: Du bist doch sonst nicht betrunken. Stellst dich manchmal,
als wär dir der Hopfen erfroren.
Merten: Sags keinem Menschen. Ich hab eine Frau genommen.
Still, sie soll nicht hören. daß ich alt bin. Kurz vor der Hand-
reichung ließ ich mich rasieren.
Rippel: Wer ist sie dann?
Merten: Hoho, die reiche Ottel‚ aber still, juchhei!
Rippel: Du alter Narr, sie ist ja nicht schön.
Merten: Sie kann doch schön tun.
Rippel: Sie hat aber Zahnlucken.
Merten: Desto weniger beißt sie mich.
Rippel: Sie hinkt aber und schnappt.
Merten: Schadet nicht, sie hat rechte Falkenaugen.
Rippel: Sie hustet aber wie ein alter Hammel.
Metten: Desto eher stirbt sie, sie ist reich.
Rippel: Hoho Merten, ist dirs darum zu tun. 0 du gute alte
Ottel‚ man nimmt nicht dich, sondern dein Geld.
Merten: So ists jetzt Brauch. Man nimmt keine Frau, sie muß denn
übersilbert sein.
Rippel: Das gibt aber schlechte Zuneigung.
Merten: Zuneigung hin, Zuneigung her, sie ist reich.
Rippel: Du mußt ihr die Hand streicheln.
Merten: Ja, so oft ich sie prügel.
Rippel: Du wirst aber um ihr Geld ihr schön tun.
Merten: Ja, vor den Leuten. Im Haus muß sie kuschen, sonst be
kommt sie Huschen, draußen hat sie gleichwohl die Präce-
denz. Guck, da kommt das schöne Muster, ach guck, wie ein
Morgenrot aus dem Ofenloch.
Rippel: Pfui Teufel!
Merten: Aber sie ist reich. Guten Morgen Ottel!“
Ottel: Dank euch. Aber siehe, Mann, da hab ich einen Ring, der
gefällt mir gar wohl, du wirst ihn mir ja kaufen. Ach sieh, er
glänzt wie ein Karfunkel.
Merten: Aber siehe, Frau. Da hab ich einen Fingerhut, er gefällt mir
gar zu wohl zum Nähen. Den schenk ich dir.
Ottel: Ganz gut, ist dankenswert. Aber sieh, der Ring ist wohlfeil.
Wie kannst du deine Frau relegieren?
Merten: Sieh. Frau, wie kannst du deinen Mann gewinnen? Wenn du
fleißig tätest spinnen.
Ottel: Sieh, Mann. Diese Spitzen stehen mir auch an, soll ich sie
wohl aus den Händen lassen, so kauft sie jemand anders.
Merten: Du hast sie ja nicht nötig.
Ottel: Aber siehe, Mann, man lacht uns nur aus.
Merten: Eben deswegen gehen wir nach Haus.
Ottel: 0 siehe Mann, o siehe Mann!
Callenbach hatte den Mut, gegen Zeitübel anzugehen. Er läßt einen Bauern gegen den damaligen schlimmen Absolutismus sagen: Statt die armen Bauern quälen mit Steuern und Accise, warum legt man keine Steuern auf zottige Perücken, auf Schminken, Reifröck, Schoßhündchen? Das tät ziemlich eintragen.“ Callenbach spricht solcher Forderung selbst die Warnung: „Jörg, Jörg, halt reinen Mund! Das darf man nur denken!" Er weiß auch: Wenn der Bauer zum Edelmann wird, ist nicht mit ihm auszukommen. ‐ Wie wird dieser Satiriker seine Predigten mit entsprechenden Beispielen veranschau‐ licht haben?
Pfarrer Franz Gehrig
Eine neue Gesellschaftsordnung entsteht
Dittwar im Strudel der Revolutionen und Veränderungen des 19. Jahrhunderts
Es ist eine bekannte Tatsache, daß auf dem Lande die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in den oberen Schichten und den Städten abspielen, erst einige Jahrzehnte später ihren Niederschlag finden. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war von dem Geist und Ungeist der Aufklärung, von den Errungenschaften und Zerstörungen der französischen Revolution noch wenig zu spüren. Es gab zwar in Dittwar nicht wie in den Nachbarschaftsorten leibeigene Bauern. Diese entwürdigende Form menschlicher Abhängigkeit blieb der hiesigen Bevölkerung erspart. Aber dennoch hatten die Bauern unter vielen anderen Formen der Unfreiheit zu leiden. Sie hatten einen großen Teil ihrer mühsam geernteten Früchte abzugeben an die verschiedenen Zehntherren, sie mußten Kriegsdienste leisten für rein landesherrliche Interessen, sie lebten in bitterer Armut und Unwissenheit, im Jahre 1871 gibt es noch Analphabeten.
Auf der anderen Seite wußten sich die Menschen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts noch geborgen in einer festgefügten religiösen Ordnung und waren in tiefer Volksfrömmigkeit besonders verbunden mit ihrer Wallfahrtsstätte auf dem Kreuzhölzle. Dort konnten sie in Armut und Not, trotz der Unsicherheit der politischen Ordnung und dem Zusammenbruch der staatlichen Autorität Geborgenheit und Hilfe erfahren. Und doch mußte auch diese Bevölkerung im vergangenen Jahrhundert den Weg in das Industriezeitalter finden. Dieser gewaltige Umbruch hinterließ auch im gesellschaftlichen und kirchlichen Lebendes Dorfes und jeder einzelnen Familie tiefe Spuren. Wir können unsere heutige Gesellschaft und die in ihr sich vollziehenden Umwälzungen nur verstehen, wenn wir den geschichtlichen Weg des 19. Jahrhunderts ein wenig verfolgen. Dies soll geschehen vor allem anhand der in den Pfarrakten vorrätigen Dokumente.
Staatskirche oder Gemeinde Jesu Christi?
Eine neue Zeit hatte sich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts angekündigt. Die Wissenschaft, die Erforschung der Erde, die Technik machten gewaltige Fortschritte. Der Mensch entdeckte ungeahnte, in ihm schlum‐ mernde Möglichkeiten; die Kraft des Geistes schien sämtliche Grenzen sprengen zu können. Es wurde gelehrt, sie sei jedem Menschen geschenkt. So entstanden die Bewegungen der Aufklärung und des Humanismus, die Entdeckung der unveräußerlichen „Menschenrechte“. Dies alles führte zur französischen Revolution, die das Zeitalter einer neuen bürgerlichen Gesell‐ schaft in Europa eröffnete. Der Sturm auf die Bastille im Jahre 1789 ist der erste Höhepunkt dieser Bewegung.
Unter dem Ansturm der Revolutions‐Armeen zerbricht die bisherige euro‐ päische Staatsordnung. Die deutschen Kleinstaaten zerfallen. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation löst sich im Jahr 1806 auf. Es hatte aufBefehl Napoleons im Jahre 1803 als Nachlaßverwalter noch den Reichs‐ deputationsausschuß eingesetzt, der die geistlichen Fürstentümer sowie die meisten reichsfreien Städte auflöste. Napoleon schenkte seinen deutschen Vasallen Ersatz für ihre an Frankreich abgetretenen linksrheinischen Gebiete. Er benötigte außerdem Staatsgebilde, die fähig waren ihn in seinen Eroberungsfeldzügen zu unterstützen. So kommt auch Dittwar aus der Herrschaft des Erzbischofs von Mainz nach einem kurzen Zwischenspiel im Jahre 1806 zu Baden.
Wohl war Baden das erste deutsche Land, das seiner Bevölkerung eine Ver‐ fassung gab (1818) und damit ein kleines Stück von politischer Mitbe‐ stimmung. Aber dennoch war diese wie alle damals entstehenden Verfassungen noch weit entfernt von den Idealen der Freiheit, Gleichheit, Brüder‐ lichkeit. Manche Fürsten wären wohl wieder gerne in das Zeitalter des Absolutismus zurückgekehrt.
Auf jeden Fall fühlten sich die Fürsten als Beherrscher ihrer Untertanen. Sie versuchten alles, das entstehende Parlament. das natürlich noch nicht aus demokratischen Wahlen hervorgegangen war, zu kontrollieren; sie ver‐ suchten auch den geistigen Freiheitsraum des einzelnen Bürgers voll zu beherrschen. Ein willkommenes Instrument dafür schien die Kirche zu sein. Da die Landesherren der protestantischen Gebiete auch zugleich Landes‐ bischöfe waren, war dies für die evangelischen Gebiete schon vorgegeben. Die Pfarrer waren Staatsbeamte, deren Ausbildung vom Landesfürsten überwacht und die von ihm nach Belieben eingesetzt und versetzt werden konnten. Mittels der Pfarrer kontrollierte der Staat auch das gesamte Erziehungswesen, da jene die Schulaufsicht über Lehrer und Kinder führen mußten. Selbstverständlich lag auch die gesamte Vermögensverwaltung in der Hand des Staates.
Sämtliche kirchlichen Erlasse und Verordnungen mußten durch das staat‐ liche Kirchenamt abgesegnet werden, der freie Verkehr mit den päpstlichen Behörden war nicht möglich, die kirchlichen Ordensgemeinschaften blieben insgesamt verboten.
Für die katholischen Untertanen, die nach der staatlichen Neuordnung vielen evangelischen Landesfürsten zufielen, mußte ebenfalls eine Ordnung ge‐ funden werden. Diese sollte möglichst auf den gleichen Prinzipien wie bei der evangelischen Landeskirche beruhen. Damit war bereits der Grund gelegt für ein ganzes Jahrhundert der Auseinandersetzung zwischen dem Staat und der um ihre Freiheit ringenden Kirche. Der Papst hatte einer Neuordnung der deutschen Diözesen schon zur Zeit Napoleons zugestimmt. Das Gebiet des neu entstandenen Großherzogtums Baden gehörte zu 6 verschiedenen Bistümern (Konstanz, Straßburg. Speyer. Worms, Mainz, Würzburg). Im Jahre 1821 wurde innerhalb des neuen Staatsgebildes ein neues Erzbistum errichtet. Es dauerte aber 6 Jahre, bis man in der Auseinandersetzung zwischen Papst und Staat einen Kompromißkandidaten in dem Münsterpfarrer von Freiburg, Bernhard Boll, fand. ‘
Die Lage der Badischen Erzbischöfe war schwierig, zumal sie sich nicht auf ihren gesamten Klerus verlassen konnten. Dieser war durch die Schule der Aufklärung (vor allem in der Diözese Konstanz) gegangen; staatskirchliche Ideen, romfreie Bewegung, Angst vor „religiöser Schwärmerei" waren mit dieser Geisteshaltung identisch.
lm Pfarrarchiv wird das Regierungsblatt des Großherzogtums Baden in vie‐ len Bänden aufbewahrt, denn auch die katholischen Geistlichen sollten ja Staatsbeamte und Vollstrecker des großherzoglichen Willens sein. Aus dem Jahre 1821 finden wir dort die Kirchengemeinde‐Ordnung, die der Groß‐ herzog für die evangelischen Gemeinden erließ. Darin wird die Aufgabe von Kirche und Pfarrer beschrieben. So also wünschte man sich auch eine gefügige katholische Kirche. In der Ordnung wird bezeichnenderweise die Kirche in erster Linie als .‚Sittenanstalt" gesehen. Glaube an Gott und Liebe zum Nächsten spielen dabei keine Rolle, dafür umso mehr „Bürgerliche Ordnung und Zucht". Der Pfarrer hat die Aufsicht über die Führung der Ehe und des Hausstandes, die Erziehung der Kinder und das Verhältnis von Herrschaft und Gesinde. Er kontrolliert die Werktags- und Sonntagsschule, das Verhalten der Lehrer und Schüler, das Sittenleben der Lehrer und ihr Einkommen. Er wacht über die erwachsene ledige Jugend, hat auch sich äußernde Unsittlichkeiten zu bekämpfen und gegen ausgelassene öffentliche Vergnügungen, „Nachtschwärmerei”, Trunkenheit und Händel und Spielsucht vorzugehen. Er führt Aufsicht über den Wandel aller Gemeindemitglieder, schreitet gegen das verdächtige Zusammenwohnen unverheirateter Personen ein, unterbindet Fluchen, Üppigkeit, Schwelgerei und Unehrlichkeit. Schließlich sind ihm die Armen anvertraut; dazu bestellt er einen Almosenrechner. In der Durchführung seiner Aufgaben steht ihm der Staat mit seinen Ordnungsorganen zur Seite.
So ist also nach dem Willen des Großherzogs Kirche und Pfarrer Erfüllungsgehilfe eines Polizeistaates. Dies muß unweigerlich zu Auseinandersetzungen auf der einen Seite mit der Staatsgewalt, auf der anderen Seite auch mit der Bevölkerung führen.
Über eine Reihe von entsprechenden Vorkommnissen finden wir in den Pfarrakten interessante Berichte.
Die Pfarrer von Dittwar zwischen den Mühlsteinen von Staat
und Gewissensfreiheit.
Ein Pfarrer, so recht nach dem Herzen des Volkes. war Pfarrer Anton Hofer. Er stammte aus Osterburken‚ war zunächst Jesuit und übernahm nach der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1807 die Pfarrei Dittwar.
Obwohl im Jahre 1809 die badische Regierung bereits die Zerstörung der „unnötigen" Kapellen verordnet hatte, weigerte er sich‚die Kreuzkapelle aufzugeben. Die Regierung hatte kein Verständnis für das religiöse Verlangen des Volkes und sah darin nur „Schwärmerei“. Wallfahrtszüge, Versammlungen von vielen Menschen außerhalb der kontrollierbaren offiziellen Dorfkirchen waren ihr suspekt und der 0rdnungsmacht zuwider. Man konnte auch sehr leicht die oft im Wald gelegenen Gnadenstätten als „Schlupfwinkel der Unsittlichkeiten" verdächtigen. Dennoch hielt also Pfarrer Hofer an der Kapelle fest, ja er führte sogar dort eine Heilung von Besessenheit durch. So wurde er im Jahre 1817 von der Regierung aus seiner Pfarrei vertrieben. Es wurde ihm darüber hinaus verboten, sich im Amtsbereich Tauberbischofsheim‐ Wertheim aufzuhalten. Seine Nachfolger Schumann und Geiger, die die landesherrlichen Beschlüsse durchführen wollten, zogen sich den Haß der Bevölkerung zu. Wie ausführliche Berichte aus jener Zeit erzählen, kam es zu schrecklichen Szenen in der Dorfgemeinschaft. Der frühe Tod von Kaplan und Pfarrverweser Schumann nach nur wenigen Monaten Amtsführung ist dafür der furchtbare Beweis. Weitere Kämpfe um die Kreuzkapelle sind in der Schrift von Pfarrer Franz Gehrig „Das Kreuzhölzle" geschildert.
Wenn auch die Wallfahrt mit Kreuzweg und Gottesdiensten nach dem Jahr 1817 nicht mehr stattfinden konnte und sich die Kapelle bald in einem ver‐ wahrlosten Zustand befand, so hielt das Volk dennoch am Festtag „Kreuz‐ auffindung" fest. 1830 berichtet der Pfarrer, daß an diesem Tag von der Bevölkerung nicht gearbeitet wird, obwohl fast alle kirchlichen Feiertage schon längst von der Badischen Regierung abgeschafft worden waren.
In den Visitations-Berichten, die ab dem Jahre 1830 erhalten sind, ist viel‐ fach von den Mühen des Pfarrers berichtet. „Ruhe und Ordnung“ herzustellen bzw. zu erhalten. Die Visitationen unter Erzbischof Boll (1827‐1836) und Erzbischof Demeter (1836‐1842) geschahen in erster Linie im Interesse des Staates, der in den zu beantwortenden Fragen vor allem sein Drängen an der Einhaltung der „Staatlichen Ordnung" bekundet: „Der öffentliche sittliche Zustand der Pfarrgemeinde ist großenteils gut. Mit Ausnahme der ärmeren Klassen. Diese verletzen das 7. Gebot und trotz Drohung, Warnung und Belehrung kann man diesem Übel nicht steuern."
„Es herrschen in der Gegend noch manche Spuren des Aberglaubens unter dem gemeinen Volk. Geschwätziger Unverstand oder auch Bosheit erheben den Vorwurf der Hexerei."
„Die Hebamme gibt ein gutes Beispiel durch gewissenhafte Pflicht-erfüllung.“ „Besondere Laster in der Gemeinde gibt es nicht außer Trunkenheit und lang währende Feindschaften.“
Betreff: Auslaufen nach anderen Kirchen.
„Obgleich man dies in hiesiger Gegend nicht ganz wegen der in Walldürn bestehenden Wallfahrt auch bei aller Wachsamkeit zu verhüten vermag, so kann doch der Pfarrer von Dittwar zu seiner Zufriedenheit hier angeben, daß seit einigen Jahren solch Auslaufen nicht überhäuft wird, da es den Pfarrangehörigen zur Pflicht gemacht wird in Predigt und Unterredung, mehr der gnadenreichen Mutterkirche als fremden Gnadenorten zuzueilen, da diese täglich ihre Gnaden dem würdigen Beter darbietet und die Arbeit eines jeden geordneten Haushalts segnet."
„Hinsichtlich des Ortsvorstandes hat der Pfarrer die Klage zu erheben, daß dieser jeder guten Anordnung und Verbesserung in moralischer Hinsicht aus
Stolz und Eigensinn entgegenstand. Er versucht, die Pfarrechte zu schmälern durch Widerspruch und Versagung der nötigen Unterstützung."
Auch die Verkündbücher und Stiftungsrats-Protokolle geben von dem „Ordnungssinn“ beredtes Zeugnis.
1832: „Die Schuljugend und dann die Erwachsenen haben andächtig und erbaulich zum Altar vorzutreten, um die Segnung des heiligen Blasius zu empfangen."
„In der Fastenzeit haben wir uns von rauschenden Ergötzlichkeiten und sämtlichen Zerstreuungen zu befreien und die verborgendsten Falten des Herzens zu durchforschen.“
„Morgen, am Josefstag. halten alle männlichen Christen ihre Osterkom‐ munion und bereits heute nachmittag ihre Osterbeichte.“
„Das Arbeiten ist am Grünen Donnerstag und am Charfreitag den ganzen Tag untersagt."
„Nach dem Nachmittagsgottesdienst werden die Beichtzettel im Schulhaus eingesammelt."
„Dem neuen Kirchenpfleger Anton Holler ist die gehörige Achtung zu erzeugen."
‚„An Mariä Himmelfahrt ist Kräuterweihe, worauf die Kinder die Kräuter sorglich nach Hause tragen, um eine Störung zu vermeiden."
‚Beim Ave Maria-Läuten sollen die Eltern ihre Kinder zu Hause haben zum Gebet. Ist es zu verwundern, wenn Sittenlosigkeit, Ausgelassenheit und Gewissenlosigkeit von allen Seiten überhandt nimmt?"
‚„In der letzten Pfarrsynode wurde festgesetzt, daß jeder, der sich auf der Emporkirche unartig und störend beträgt, nebst der Geldstrafe auch zur größeren Beschämung nicht mehr auf der Emporkirche Platz nehmen dürfe, sondern in den unteren Teil der Kirche stehen muß. Wer angezeigt wird, wird im Synodalbuch aufgeschrieben, denn das gute und böse Beispiel geht sich durch das ganze Jahrhundert durch Verkündbücher und Stiftungsrats‐ protokolle. Immer wieder werden Aufpasser eingesetzt, öffentliche Mah‐ nungen ausgesprochen und mit Hilfe des Schultzen Geldstrafen verhängt. Da die gesamte Bevölkerung sowohl morgens (nur 1 Messe!) als auch nachmittags Sonntag für Sonntag zur Kirche ging, war es notwendig jedem seinen Platz zuzuweisen. Die jung verheirateten Männer, die namentlich aufgeführt werden, müssen wegen Platzmangel auf der Empore und in den Gängen der Kirche stehen.
Ein besonderes Kapitel in der Platzverteilung stellt ein 50 Jahre langer, in vielen Schriftstücken belegter Streit zwischen der Pfarrgemeinde Dittwar und den Bewohnern von Hof-Steinbach dar, die glaubten, ein festes Recht auf die Benutzung der hintersten Bänke zu besitzen. Es gab sogar Handgreiflichkeiten in der Kirche. Oft wurde der Dekan als Schiedsrichter angerufen. Selbst das Erzbischöfliche Ordinariat mußte eingreifen.
Zu Spannungen mußte die vom Großherzogtum erlassene Kirchenordnung nicht nur mit dem Bürgermeister, sondern auch mit dem Lehrer führen. Der Pfarrer hatte ja die Schulaufsicht.und wegen des geringen Einkommens mußte der Lehrer auch meistens seine finanziellen Verhältnisse durch die Annahme des Mesnerdienstes bzw. Organistendienstes verbessern. Demzu‐ folge mußte er seinen Kurzurlaub beim Pfarrer, den längeren Urlaub beim Dekan einreichen. Es entstanden Animositäten, die sich auch hier in Dittwar vor allem zu Beginn unseres Jahrhunderts entluden.
1868: „Es wurde beschlossen. für den Organistendienst, welcher dem Hauptlehrer übertragen wird, 50 Gulden jährlich zu geben."
1832: „Am Freitag wird die Schulprüfung statthaben. Jedes Versäumnis in dieser Woche wird daher besonders vermerkt und bei der Prüfung zur Ein‐ sicht vorgemerkt. Die Versäumnisse der Sommerschule werden der Pfarr‐ synode zur Besprechung vorgelegt."
„Alle Werktagsschüler haben morgen mit ihren Büchern in der Kirche und dann in der Schule zu erscheinen."
Ein interessanter Zwischenfall aus dem Jahre 1848 zeigt einen besonderen Aspekt der Kirchenordnung:
„Brief gehorsamster Bitte der hier beurlaubten Soldaten:
Das ruhestörende Betragen der ledigen Burschen gegen die Soldaten in der Kirche betreff.
Schon früher sind die dahier lebenden Burschen durch das hochwürdige Pfarramt angewiesen worden, in der Kirche während des Gottesdienstes sich in den 1. Platz der Chorkirch zu stellen und diejenigen, welche nicht Soldaten sind, auf den 2. Platz verwiesen worden. Da in jüngster Zeit schon mehrere Unordnungen in der Kirche bei Anfangen des Gottesdienstes durch die ledigen Burschen gegen die Soldaten veranlaßt worden sind, daß sie näm‐ lich von ihrem angewiesenen Platz zurücktreten sollen, so wird das hoch‐ würdige Pfarramt von den unterzeichneten Soldaten gebeten. unter Bezug auf die landesherrliche Gesetzgebung vorn 10.Januar 1804 unsere früheren Rechte wieder in Erinnerung zu bringen.
18.1.1848,
gez. Weber
Ditter
Honikel
Lotter
Hammrich
Maninger
Hefner
Noll"
Die Auswirkungen des „Badischen Kirchenkampfes“ 1854 und 1874 in Dittwar
Im Jahre 1842 wurde nach langem Ringen Hermann von Vicari neuer Erz‐ bischof. In der Zeit des aufbrechenden katholischen Selbstbewußtseins und
des Versuchs, sich von staatlicher Bevormundung zu befreien, erschien der 70jährige der Staatsregierung als ein Mann des Übergangs. Sie konnten nicht ahnen, daß er in seiner 25jährigen Amtszeit wichtige Forderungen nach Eigenständigkeit mit ganz großer Standhaftigkeit durchsetzen würde.
Im großen Freiheitsjahr 1848 trafen sich die deutschen Bischöfe in Würz‐ burg und forderten auch Freiheit für die Kirche. Es ging vor allem um die kirchliche Erziehung und Prüfung des Klerus, um die Beseitigung der staat‐ lichen Oberaufsicht durch den Oberkirchenrat, um die kirchliche Aufsicht des Religions-Unterrichtes und um die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens. Es kam zur offenen Auseinandersetzung mit der Regierung.
Im Jahre 1853 verhängte der Erzbischof sogar gegen die Mitglieder des Oberkirchenrates den Kirchenbann.
Auf dem Höhepunkt des „Badischen Kirchenstreites" wurde im Mai 1854 der Erzbischof für 8 Tag in Haft genommen. In die Gemeinden des Frankenlandes rückten Exekutionsgruppen ein. Eine ganze Reihe von Dekanen und Pfarrern wurde verhaftet und eingesperrt.
In Dittwar verliefen diese Maitage besonders dramatisch. Amtmann Ruth von Tauberbischofsheim erschien mit Gendarmen persönlich im Ort, um den Pfarrer zu verhören. Zwischen diesem und dem Bürgermeister war es zu einem schweren Zerwürfnis gekommen. Der Pfarrer hielt sich nämlich streng an die Weisungen des Erzbischofs bzgl. der Wahl des Stiftungsrates und verkündete von der Kanzel, daß notfalls die Kirche geschlossen werde, wenn der Erzbischof in seinem Kampf um die kirchliche Eigenständigkeit nicht unterstützt würde. Der Amtmann wollte also den Bürgermeister, der sich auf die Seite der Regierung stellte, unterstützen und bestellte den Pfarrer ins Rathaus. Der Pfarrer weigerte sich viermal. der Aufforderung, die rechtswidrig war, zu folgen. Als ein Gendarm daraufhin die Pfarrhaustüre mit seinem Gewehrkolben aufzubrechen versuchte, versammelte sich eine große Menschenschar um das Pfarrhaus. Die Sturmglocken wurden geläutet. Schließlich kam der Amtmann selbst zum Pfarrhaus und forderte den Pfarrer zum Mitgehen auf. Dieser folgte; die versammelten Frauen jedoch versuchten, mit Gewalt ihn vor der Arretierung zu bewahren. Schließlich siegte die Staatsgewalt. Pfarrer Scherer kam 32 Tage in Untersuchungshaft, 12 Tage mehr als verfassungsmäßig erlaubt war. 30 Dittwarer wurden ebenfalls ins Gefängnis eingeliefert und mußten dort 8-14 Tage verbringen. Sie sollen doch darin so fröhlich gewesen sein wie einst die 3 Jünglinge im Feuerofen. Sie sangen frohe Lieder.
Ähnliche Vorfälle wurden überall im Frankenland gemeldet. Der gesamte Klerus stand nun geschlossen hinter dem Erzbischof. Die Folge jedoch war, daß der Staat in den folgenden Jahren die Neubesetzung von Pfarreien verhinderte. So verwalteten lediglich Pfarrverweser die verwaisten Gemein‐ den. Sie erhielten vom Staat keine finanzielle Unterstützung. Auch Pfarrer Scherer, der nach diesen Vorkommnissen nach Bretzingen versetzt wurde, erlitt finanzielle Not. In Dittwar selbst wurde die Pfarrei erst wieder im Jahre 1865 durch einen richtigen Pfarrer besetzt.
Im Jahre 1860 war wohl ein Großteil der kirchlichen Forderungen erfüllt. Der Kampf um die Priesterausbildung jedoch ging weiter. Eine staatliche Prüfung wurde verlangt. Da der Erzbischof sich den Forderungen nicht beugte, erhielten die Priester, die nach 1863 ordiniert waren, keine eigene Pfarrei mehr. Ein Opfer dieses Kampfes war auch der Dittwarer PriesterFranz Josef Wenzel. Im Jahre 1864 war er geweiht worden und hatte sich vor allem im Jahre 1866 als Kaplan in Dittigheim sehr große Verdienste erworben. Die schreckliche Choleraepidemie, die 99 Todesopfer forderte. war ausgebrochen; der Pfarrer des Ortes war kränklich. So stand er ohne Rücksicht auf das eigene Leben den Kranken bei und leistete ihnen geistige und leibliche Hilfe bis zum Tode. Ab dem Jahre 1868 mußte er in vielen Gemeinden wirken, bis er endlich nach dem Ende der Kulturkampfzeit im Jahre 1881 eine eigene Pfarrei in Hausen übertragen bekommen konnte.
Noch schlimmer aber traf es 3 andere jüngere Priester aus unserem Dorf, das in der damaligen Zeit viele Geistliche hervorbrachte. Auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes, der auch zugleich in Preußen herrschte, wurde von der Regierung den Neugeweihten jede kirchliche Amtshandlung strengstens verboten.
Im Jahre 1874 wurde Josef Anton Honikel geweiht. Er wurde alsbald „we‐ gen Ausübung seelsorgerlicher Funktionen“ zu vier Wochen Gefängnis in Karlsruhe und 6 Monaten Gefängnis in Rastatt verurteilt. Er mußte dort Knöpfchen auf Karten aufnähen. Eine besonders harte Behandlung wurde ihm und den andern im Gefängnis Rastatt internierten Neupriestem durch die Rücksichtslosigkeit des damaligen Amtsrichters zuteil. Vom Ministerium waren den Geistlichen täglich anderthalb Stunden zum Beten des Breviers bewilligt worden; am Ostersonntag erklärte der Oberamtsrichter dem Neupriester Honikel, das Brevier sei, wie er erfahren habe, in der Osterwoche kürzer als sonst; darum werde ihm in dieser Zeit nur eine Stunde für das Brevier bewilligt. Auch in anderer Weise wurde der Aufenthalt im Gefängnis unnötig bitter gemacht, indem kein Besuch zugelassen, kein Brief ausgehändigt und die Zellenvisitation mit übergroßer Strenge vorgenommen wurde.
Den Neupriestem des Jahres 1875 erging es nicht besser. Josef Anton Krank feierte für seine verstorbene Mutter eine hl. Messe und wurde von der Kirche aus abgeführt. Latenz Valentin Both, der spätere Gymnasialprofessor in Heidelberg, las in aller Heimlichkeit in der Kreuzkapelle eine Messe. zu der er auf Umwegen sich begeben hatte. Ein Junge mußte vor der Kapelle Wache stehen. Schließlich wurden die 3 Priester in der Diözese Würzburg angestellt, bis im Jahre 1880 der Kulturkampf beendet war.
Für ihre Pfarrer und ihre Kreuzkapelle trat also die Bevölkerung immer wieder ‐ notfalls handgreiflich ‐ ein. Es wird noch einmal vom Jahre 1876 ein solcher Vorfall gemeldet, als ein neuer Pfarrverweser, Josef Anton Barth, in die Pfarrei kam. Die Bevölkerung hing noch an ihrem bisherigen Geistlichen. Viele Frauen rotteten sich an der Brücke zusammen und versuchten, den neuen Pfarrer am Antritt seines Dienstes zu hindern.
Staatliche Eingriffe hatte die Kirche auch in jüngerer Zeit in unserer Gemeinde noch zu beklagen. Im Jahre 1930 war hier eine starke DJK‐Sport-Gruppe mit Fußball-Abteilung usw. gegründet worden. Sie mußte sich alsbald nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus auflösen.
Im Jahre 1937 wurden die katholischen Jungmänner aus einem Zimmer im Rathaus, das sie selbst renoviert hatten, durch die Behörde hinausgeworfen.
Demokratische Gehversuche
Jahrhundertelang war das Volk in Hörigkeit erzogen worden und war von seinen Herren vollständig abhängig. Kein Wunder‚ daß es nicht leicht war, demokratische Praktiken einzuführen. So klagte der Pfarrer im Jahre 1830: „Durch die neue Gesetzgebung: ‚Gemeindeordnung ‐ Volkswahlen’ ist Dittwar fast wie jede Gemeinde mehr entzweit als in Einigkeit und man hat nur zu wachen. daß die Herde nicht in gänzlicher Unordnung ausartet."
Ein zugleich trauriger und fast narrenhafter Vorgang erzählt uns Pfarrer Barth aus dem Jahre 1877. „Im April war Bürgermeisterwahl, wobei der alte Bürgermeister F.H. und der neue Kandidat A.G. einander gegenüberstanden. Die Bürgerschaft samt Weiber und Kindern waren in 2 ziemlich gleiche Parteien gespalten, die sich mit denkbar großer Heftigkeit und Gehässigkeit bekämpften. Auf Kosten beider Kandidaten wurde monatelang gesoffen und gelabt, sodaß den Kandidaten fast alle Lebensmittel aus dem Haus getragen und in den Wirtshäusern einem jeden Kandidaten eine Rechnung bis zu2.000 Mark hingesoffen wurde. Die Bauern ließen auf dem Felde ihre Pflüge stehen und die Weiber ihre Kinder zu Hause im Schmutz erstarren und liefen zusammen, um die künftige Wahl zu besprechen und sich gegenseitig zu verhetzen. G. siegte mit einer Stimme Mehrheit.
Die ärgerlichsten und drolligsten Szenen kamen dabei vor.“ (Wieviel DM ergäbe dies, wenn man 2.000 Mark auf den heutigen Kurs umrechnen würde?)
Armut, das drückende Gespenst
Der Kampf um mehr Freiheit war jedoch in diesen Jahrzehnten überschattet durch die schreckliche Armut, unter der die Bevölkerung zu leiden hatte. Davon war die Kirche und der Pfarrer nicht ausgenommen. Nachdem im Jahre 1809 die Sakristei ausgeraubt worden war. konnte eine Zeit lang keine Messe mehr gefeiert werden, weil die Mittel zur Anschaffung von Kelch und Meßgewändern fehlten. Noch Jahrzehnte später wird immer wieder in Gottesdiensten der Wohltäter gedacht, die schließlich die Mittel für die Anschaffung neuer Geräte spendeten.
Im Jahre 1830 klagt Pfarrer Stiel über die Entbehrungen, die er zu leiden hat und die auf die unordentlichen Leistungen der Frohnarbeiter zurückzuführen sind. Der Pfarrer ist dringend angewiesen auf „Heu, Ohmet‚ Holz, Dung, Rüben‚ Ernt- und Herbstfuhren.“ Der Handfröhner bekommt dafür 2 Pfund Brot und 1/2Maß Wein pro Tag. Ebenfalls muß ihm das Wellenholz aufgrund der Zehntordnung geschlagen werden. Das ganze Pfarrgut ist ver‐ wahrlost und unfruchtbar. Die Auslagen übersteigen die Einnahmen. Es mußte so gespart werden, daß selbst in der Adventszeit der Pfarrer keine Kerzen für die Gläubigen zur Verfügung stellen konnte. Wahrscheinlich hatten diese auch kein Geld für eigene Wachskerzen‚ und die Kirche hatte noch bedeutende Wachsschulden.
Mißernten, vor allem in den Weinbergen, führten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu noch größerer Verarmung. 1874 fand wegen Geringfügigkeit des Ertrags keine Versteigerung statt. Ebenso im Jahre 1891.
1879 erfroren die meisten Obstbäume in der Gemeinde. Andere Kata‐ strophen, z.B. Hagelschauer folgten. Ein großer Brand in der Neujahrsnacht von 1864/1865 zerstörte viele Scheunen mit Frucht.
Kein Wunder, daß viele Bewohner in fremde Länder auswanderten. Über dieses Phänomen und über die Lage im Jahre 1883 wird in den folgenden Kapiteln berichtet.
Die Pfarrgemeinde versuchte‚ den Armen nach den ihr gegebenen Möglich‐ keiten zu helfen. In jedem Stiftungsratsprotokoll ist von der Gewährung von Almosen und anderen Hilfen an Notleidende die Rede.
Einige Beispiele:
„Dem Michael Sartor wurden die Apothekerkosten durch seine letzte Krankheit aus dem Almosenfond bewilligt." (1865)
„Der kranken und armen Theresia Löffler wurden ein paar neue Schuhe für ihr Kind bewilligt. Desgleichen dem armen Kind von Johann Lang neue wollene Strümpfe." (1868)
„Dem Wendelin Schmitt Sohn, welcher das Schlosserhandwerk erlernen will, wurde eine jährliche Unterstützung von 6 Gulden bewilligt.“ (1868)
„Der armen Josefa Weber wurde eine Unterstützung von 2 Gulden zur Anschaffung von Kleidern für ihr Kind bewilligt." (1869)
Wesentliche Gründe für die besonders ausgeprägte Armut in unserem Dorf waren einmal die schlechten Bodenverhältnisse, zum andern die Aufteilung des Bodens in kleinste Parzellen sowie die große Kinderzahl. Wer einmal in Schulden geraten war, kam kaum mehr heraus.
Pfarrer Barth (1877-1891) regte die Einführung von Weidenkulturen und Flechtindustrie an und ging selbst mit dem Anbau von Weiden mit gutem Beispiel voran. Des weiteren bemühte man sich, den jungen Leuten die Annahme einer Dienststelle außerhalb der Gemeinde nahe zu legen. Man dachte auch an die Errichtung einer Fabrik. Im Jahre 1881 bestand im ganzen Taubertal noch keine Industrie.
Für viele blieb nur ein Weg, um der völligen Armut zu entrinnen: die Aus‐ wanderung.
Auswanderer aus Dittwar:
Bereits im 18.Jahrhundert war eine große Auswanderungsbewegung im fränkischen Land in Gang gekommen. Nach den Türkenkriegen ging das Bestreben der Habsburger darauf hin, das Temesvarer Banat in Ungarn neu zu besiedeln. Es sollte ein Bollwerk gegen die Türken errichtet werden. Kaiserliche Kommissare warben auch im Taubergrund Bauern und Häcker (Weinbergarbeiter) an. Die Aussicht auf Verbesserung ihrer bedrängten wirtschaftlichen Lage ließ viele diesem Ruf folgen. Die ersten uns bekannten Auswanderer aus Dittwar sind: Michael Eck, Franz Hammerich, Hans Heffner, Sebastian Heffner, Franz Spönlein, Sebastian Uihlein. Diese verließen alle im Jahre 1724 ihre Heimat. Im Jahre 1766 verbot die Kurmainzische Regierung unter Androhung von Zuchthaus die Abwanderung in fremde Länder. Es verließen dennoch Dutzende von Familien bei Nacht und Nebel ihre Heimat. Der spektakulärste Fall war die heimliche Abreise von 23 Familien mit 114 Köpfen aus Königheim. Oft hinterließen diese Auswanderer nichts als Schulden. Die große Not wird aus der Aussage einer 69jährigen Frau ersichtlich, die vor ihrer Flucht geäußert hat, daß sie gerne sterben und ihr bisheriges Leben beschließen möchte, wenn sie im Ungarlande nur 3 Tage erleben könnte, um sich an Brot satt essen zu können.
Aus Dittwar wanderten in diesem Jahrhundert noch folgende Personen und Familien zumeist heimlich aus: Im Jahre 1771 Josef Hertlein, Hans Valentin Weber mit 6 Personen und Josef Weinlein. Es folgten 1774 Konrad Krank,
1780 Augustin Krank, 1782 mit 6 Personen Lorenz Schmitt, 1791 Sebastian Krank und 1792 Gottfried Krank. .
Von einer Auswanderung nach Nordamerika im 18.Jahrhundert ist nichts bekannt. Ebensowenig von anderen beliebten Auswanderungsländern wie: Posen, Ostpreußen und das untere Wolgagebiet (dorthin zogen im Jahre 1764 20.000 Franken und Hessen).
Im 19. Jahrhundert zog es aber viele Dittwarer in die neue Welt. Hier sind ihre Namen:
Kraft Andreas 29.10.35 Weber Veit mit Familie 05.04.52
Volkert Maria 10.11.38 Hammerich J. Bonifaz 22.04.52
Schimpf Maria Anna 17.07.39 Biller Jakob Ferdinand 52
Hartmann Franziska 23.02.42 Häfner Franz 15.02.53
Honikel Ignaz 03.04.44 Maninger Valentin 07.03.54
Häfner M. mit Familie 18.04.50 Hammerich Lorenz 16.05.54
Mainzer Regina 23.06.51 Schmitt Sebastian 16.11.54
Rudolf Christophorus 02.03.52 Weber Josef Anton 12.02.57
Weber Ambras 05.04.52 Hart Josef Alois 16.04.57
Hart Georg Josef 12.05.57 Honikel Albin 1880
Honickel Margaretha 20.11.57 Honikel Oskar 1896
Hart Nikolaus 18.08.58 Honickel Vinzens 1875
Hilpert Anna Maria 08.11.58 Kraft Georg 1870
Zöller Michael 01.08.59 Krank Stephan 1892
Hilbert Anselm 15.02.61 Lotter Franz Mathes 1888
Hilbert Josef 07.11.61 Lotter Josef Bonifaz 1882
Nahm Josef Anton 01.09.62 Lotter Sebastian 1889
Wirsching Leonhard 05.04.65 Maninger Lorenz 1883
Honickel Maria Justina 13.06.65 Maninger Philipp Josef und
Hart Justina 15.11.66 Maninger Franz Eustach. 1880
Honickel L. mit Familie26.03.67 Maninger Lorenz 1896
Hilpert Wendelin 23.01.69 Rudolf Kilian (2 Akten). 1880
Albert Stefan 09.08.69 Reitzel Josef 1897
Berberich Theresia 07.02.73 Rudolph F. J. und Familie 1872
Schmitt Josef Anton 1887
Albert Katharina 1872 Weber Franz 1887
Berberich Regina 1872 Weber Adolf 1889
Ebert Julius 1895 Walz Franz Stephan 1889
Eck Wendelin 1880 Weber Kilian 1883
Hamerich Franz Josef 1873 Weber Lorenz 1890
Hart Josef 1873 Weber Philipp 1887
Hart Melchior 1877 Wenzel Josef 1867
Hilbert Karl 1886 Weber Franz Josef 1873
Holler Stephan 1886 Weber Ludwig August 1873
Die Erlaubnis zur Abreise bekamen die Auswanderer nur, wenn sie keine Schulden hatten. So verließen manche heimlich ihre alte Heimat. In den letzten Jahren erlebten wir es immer wieder, daß Nachkommen dieser ehemaligen Bürger ihre Verwandten bei uns suchen.
Das folgende Kapitel, das Pfarrer Gehrig verfaßte‚ schildert die Armut unserer Bevölkerung im einzelnen.
Im Jahr 1883 die ärmste Gemeinde im Amtsbezirk
Im Jahr 1883 wurden in 37 Gemeinden Badens Erhebungen über die Lage der Landwirtschaft veranstaltet und auch in Buchform herausgegeben. Man machte es gründlich. In unserer Gegend wurden die Gemeinden Dittwar, Schönfeld und Werbach erfaßt. Der Bericht des Landwirtschaftsinspektors Martin in Tauberbischofsheim über Dittwar umfaßt 56 Seiten, darunter die Haushalts- und Rentabilitätsberechnung eines größeren, eines mittelgroßen und eines kleinen Anwesens. Da ist zu lesen:
„Nur 8 Haushaltungen ernähren sich in erster Linie vom Gewerbe. Allmendfeld ist nicht vorhanden, dagegen bezieht der größere Teil der Bürger jährlich aus dem Gemeindewald 1/2 Ster Schälprügel und 50 Wellen als Bürgernutzen. 43 % des Ackerlandes sind von ganz geringer Qualität. Es werden große Flächen Ackerland angebaut, welche den Anbau nicht lohnen. Seit 14 Jahren ist der Durchschnittsertrag der Weinberge ganz unbedeutend. Die Wiesenfläche ist zu klein, weshalb sich die Landwirte vielfach in den Besitz von Wiesen auf den Gemarkungen Dittigheim und Tauberbischofsheim gesetzt haben, welche übrigens größtenteils näher bei Dittwar als bei den ge nannten Orten liegen. Der Kaufpreis der Wiesen mit 5.425 Mark vom Hektar ist sehr hoch. Die Hochebenen haben meist steinigen, ganz flachgründigen Lehmboden und Tonboden. Es mangelt an Futter und Streu, demgemäß auch an Dünger (Kunstdünger gab es ja noch nicht!). Der Klee leidet sehr unter der Schäferei, die Schäferei müßte abgeschafft werden. Im Winter ist für Frauen keine Gelegenheit zu Verdienst; die wenigen Familien, welche spinnen lassen könnten, schicken den Hanf oder Flachs in Maschinenspin‐ nereien. Der Taglohn für Männer beträgt im Frühjahr, Sommer und Herbst ohne Kost nur 1 Mark 50 Pfennig bis 2 Mark. mit Kost nur 90 Pfennig bis
1,30 Mark, durchschnittlich 1 Mark; fürFrauen ohne Kost 1‚50‐ 1‚80 Mark, mit Kost 80 Pfennig. Die Männer verdienten im letzten Winter im Leiningenschen Wald durchschnittlich nur 50 ‐ 60 Pfennig pro Tag, wobei sie noch 1 1/2 Stunden gehen mußten.
Die Milchkühe werden zu sehr durch Arbeit angestrengt. Der nächste Vieh‐ markt ist in Wertheim und kann wegen der großen Entfernung nicht befahren werden. So ist der Viehhandel fast ganz in der Hand der Juden. Im Winter 1882/83 hat ein einziger Handelsmann für über 6000 Mark geringe Tiere aus Hessen nach Dittwar geliefert. Barzahlung kann meist nicht erfolgen, so ist der Kaufpreis ein viel zu hoher, und es lassen sich an diesen Viehhandel leicht unsaubere Geschäfte straflos anschließen. Mit zwei Ausnahmen werden ausschließlich Kühe zum Zug verwendet. Wer mehr als zwei Stück Großvieh halten kann, sollte die Kühe selbst nachziehen. Viehverstellungsverträge sollen vorkommen, werden aber möglichst verheimlicht. (Der Händler verkauft die Kuh nur halb dem Bauern und hat dann Teil an der Nachzucht; oder ähnlich.) Schlechtes Ackergelände sollte durch staatliche Unterstützung aufgeforstet werden. Die eingetragenen Schulden müßten von dem zu versteuernden Grundkapital abgezogen werden. Die Verschuldung hat in den letzten Jahren bedeutend zugenommen. Es soll auch noch Schulden aus der Zehntablösung geben. Manche neue Hypothek wurde nämlich zu dem Zweck aufgenommen, um eine aus früherer Zeit zu tilgen. Die Gemeinde hat durch Abschwemmung zu leiden, weil die Hochebene und die Steilhänge meist kahl sind. Die lsraeliten geben sich seit Erlassung des Wuchergesetzes weniger mit Geldgeschäften ab, doch wird viel Vieh auf Borg gehandelt. Die Häuser sind meist billig, weil einzelne infolge Auswanderung, Wegzug in Städte oder durch Zwangsversteigerung leer stehen. Die überschüssigen jüngeren Arbeitskräfte haben zu wenig Arbeitsmöglichkeit, sie sollten zum Eintritt in einen auswärtigen Dienst oder durch Erlernung eines Handwerkerberufes zu späterer Niederlassung auswärts veranlaßt werden. Die Gesamtlage der landwirtschaftlichen Bevölkerung Dittwars kann nicht als günstig bezeichnet werden; alle anderen Gemeinden des Amtsgerichtsbezirkes Tauberbischofsheim zeigen günstigere Verhältnisse.
Die Verköstigung in einem mittelgroßen Anwesen: An Werktagen morgens Suppe aus Brot und Milch oder geschmälzte Suppe. Mittags von Martini bis Johannis 2 ‐ 3mal in der Woche Fleisch mit Sauerkraut‚ Kohlraben‚ Bohnen. Kartoffelschnitzen usw. In der fleischlosen Zeit Suppe und Mehlspeisen, oder eine Mehlspeise mit Gemüse. Abends Suppe mit Kartoffeln oder mit Salat, auch mit Sauermilch oder mit Sauermilchkäse. Zwischenzeit Brot mit Wein, in weinarmen Jahren auch Brot mit Wasser.
An Sonntagen morgens Kaffee mit Brot; mittags Kraut und Fleisch mit Kartoffelbrei oder Erbsenbrei, im Herbst grüne Bohnen, Kohlraben, Wirsching mit Kartoffeln; abends Suppe mit Salat. Zur Zwischenzeit Brot und Wein, in weinarmen Zeiten auch Brot und Wasser.
Im Kleinbetrieb gibt es morgens nur an Festtagen Kaffee, mittags im Sommer nur an Sonntagen Fleisch, in der Zwischenzeit meist trockenes Brot, abends gebrannte Suppe oder Reis-‚ Gries- auch Milchsuppe, dazu grüner Salat; im Winter Wassersuppe mit Kraut- oder Kartoffelsalat, auch Kartoffeln, solange solche vorhanden sind.
Abschluß und Ausblick
Es gäbe aus dem 19.Jahrhundert noch vieles aus unserer Gemeinde zu be‐ richten. So wurde z.B.. im Jahre 1837 der Friedhof an der Kirche geschlossen, das alte Pfarrhaus wurde im Jahre 1875 abgerissen und am Geisberg als drittletztes Haus an der rechten Seite wieder aufgebaut, die Willetzheimer Quelle (Pfarrbrünnlein), Eigentum der Pfarrei, wird an die Stadt Tauberbi‐ schofsheim zur Erstellung einer Wasserleitung verkauft. Wir erfahren. daß es am Ende des vergangenen Jahrhunderts 4 Leinenweber im Ort gab, aber auch 4 Gaststätten. Der nicht mehr bestehende Kreuzwirt und Engelwirt hatten auch Bäckereien dabei, außerdem gab es 3 Kolonialwarengeschäfte, 2 Küfer, 1 Schreiner, 1 Wagner, 1 Zimmerer, 3 Schneider, 4 Schuhmacher und 2 Näherinnen.
Das wichtigste Anliegen dieses Beitrages war, etwas von dem Ringen um mehr Freiheit im bürgerlichen und religiösen Bereich und über den Kampf gegen die Armut zu berichten. Dieses Ringen war von Erfolg gekrönt. Die
Jugend von heute weiß wenig mehr von den Entbehrungen, die auch noch die heute lebende mittlere und ältere Generation erleiden mußte. Die Befreiung von Unterdrückung und Armut hat aber auch manche Schattenseiten. Freiheit kann in Zügellosigkeit, Wohlstand in Hartherzigkeit gegen die Armut in anderen Ländern ausarten. Die Besinnung auf die Drangsale und Kämpfe früherer Jahrzehnte sollte uns dankbar für unsere heutige Lage machen und unsere Herzen für Gott und den Nächsten öffnen. Auch die Zeit der Staatskirche ist vorbei. Sie hatte zwei Formen. Es gab Zeiten, in denen die Kirche den Ton angab, es gab Zeiten ‐ wie im letzten Jahrhundert, ‐ da der Staat die Kirche für seine Zwecke gebrauchen wollte. In beiden Formen war es fast selbstverständlich, daß der Christ den äußeren „religiösen Pflichten" nachkam. Das war sicher nicht im Sinne Jesu, der uns die Frohbotschaft als Botschaft der Liebe anbietet. Er möchte unsere freie Entscheidung. ob wir sie annehmen wollen. Denn nur in Freiheit kann die Liebe leben und wachsen. Das ist die Chance der Kirche der Zukunft. Das ist auch die Chance der Kirche in unserem Ort heute. Als mündige Menschen müssen wir unserer Verantwortung bewußt werden, die uns durch die erlangte Freiheit gegeben ist ‐ Gott und dem Nächsten gegenüber!
Pfarrer Rupert Kleemann
Vor 300 Jahren lebten drei bedeutende Dittwarer
Es ist bekannt, daß auch kleine Dörfer hie und da bekannte Persönlichkeiten hervorbringen. Welches Glück aber Dittwar im 17./18. Jahrhundert in dieser Beziehung hatte, ist erstaunlich: Nicht weniger als drei sehr bedeutende Ditt-warer lebten zur gleichen Zeit:
‐ Abt Gottfried Hammerich (um 1630 - 15. März 1710)
‐ Theologe und Prediger, Stiftsherr Franz Heffner (gestorben um 1700)
‐ Dichter und Gelehrter, Jesuit Franz Callenbach (10. Januar 1663 - 3. Fe-
bruar 1743)
Abt Gottfried Hammerich
Von den drei Genannten war Abt Gottfried Hammerich soweit bekannt, für das Dorf am wertvollsten. Er war es, der 1683 die erste Kapelle im Kreuzhölzle stiftete und deshalb mit dem Anlaß dieser Festschrift im engsten Zusammenhang steht.
Das genaue Geburtsdatum Hammerichs steht nicht fest. In den Quellen wird aber häufig erwähnt, daß er am 15. März 1710 als achtzigjähriger Greis gestorben sei. Er wurde also um 1630 geboren. Wie seine Eltern hießen, ist nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, daß Georg und Peter Hammerich von Dittwar, die in der Liste der Zinszahler an das Juliusspital Würzburg (1669) aufgeführt sind, enge Verwandte des gemeinten großen Dittwarers waren. Mit 17 Jahren ging Hammerich nach Würzburg, um dort zu studieren.
In der Matrikel der Universität Würzburg finden wir am 6.12.1647 folgenden Eintrag:
„Johannes Hamerich, Diettwartensis, dedi 5 baceos, Rhetor"
Johannes war der Taufname, Gottfried der spätere Ordensname Hamme‐ richs. Die fünf Batzen lmmatrikulationsgebühr lassen auf ein mittleres Vermögen der Eltern des Studenten Hammerich schließen.
Nach seinem Studium legte Hammerich bei den Prämonstratensern im Kloster Oberzell bei Würzburg das Ordensgelübde ab. Seine Profess war 1651, vier Jahre später wurde Gottfried zum Priester geweiht. Um diese Zeit erwarb er die Qualifikation eines Lizentiaten der Theologie und erhielt den Doktortitel der Theologie. Nun hätte eine vielversprechende akademische Laufbahn folgen können. Gottfried Hammerich schlug aber die in Aussicht stehenden akademischen Ehren aus Bescheidenheit aus und wurde 1673 Propst des Frauenklosters in Unterzell. im selben Jahr hatte er Pfarrpfründe in „Regiscourt" (Königshofen?)
Seine Aufgaben in Unterzell führte Propst Gottfried so lobenswert aus, daß er nach 19 Jahren, am 9. Oktober 1692, von seinen Amtsbrüdern zum 40. Abt von Oberzell erhoben wurde. Der nun schon über 60jährige ging mit viel Tatkraft an seine neue Aufgabe.
Eine rege Bautätigkeit setzte ein. Hammerich ließ die beiden Seitenmauern der Kirche durchbrechen, Anbauten errichten, Säulen anbringen und die Kirche stuckieren. Im Westen wurde die Kirche 1696 mit einer neuen Fassade versehen. An dieser Seite wurde über dem Portal ein Doppelwappen angebracht. Neben dem Klosterwappen ist links das Wappen Hammerichs, ein redendes Wappen, noch gut erkennbar: ein Arm mit einem Hammer in der Hand.
1697 wurde Abt Gottfried zum Generalvisitator der umfangreichen Cirkarien Westfalen, Wadegotien und Ifelden ernannt. Neben diesen Aufgaben, die Hammerich eine Spitzenstellung unter den Äbten der Prämonstratenser ein‐ räumten, wurde er durch die Rechtsstreitigkeiten um das Prämonstraten‐ serinnenkloster Gerlachsheim stark beansprucht. Der Bischof von Würzburg, Friedrich v. Wirsberg, hatte 1563 dieses Kloster aufgehoben und die Verwaltung der Güter übernommen.
Ab 1699 führte Abt Gottfried Hammerich um die Rückgabe dieses Klosters an Oberzell einen hartnäckigen Prozeß, der durch alle Instanzen bei Kaiser und Papst verfochten wurde. Den Erfolg seiner Bemühungen konnte Abt Gottfried jedoch nicht mehr erleben, denn erst 1717, also sieben Jahre nach Hammerichs Tod, konnte das Gerlachsheimer Kloster der Abtei Oberzell wieder einverleibt werden.
Gottfried Hammerich wurde 1710 an einem besonderen Ehrenplatz im Chor der Klosterkirche Oberzell beigesetzt.
1803 wurde das Kloster säkularisiert, versteigert und einige Jahre später eine Schnellpressenfabrik eingerichtet. Die Kunstwerke des Klosters, darunter vermutlich auch ein Portrait des Abtes Gottfried Hammerich, wurden von verschiedenen Steigerern erworben. 1838 wurde u.a. der Chor der Kirche abgerissen. Dabei verschwand auch die Grabplatte von Gottfried Hammerich. 1901 wurde das ehemalige Kloster von der Kongregation der Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu erworben und in der folgenden Zeit restauriert.
So ist es möglich, die unter Abt Gottfried umgestaltete Kirche in wiederher‐ gestellter Pracht zu bewundern.
Stiftsherr Franz Heffner
Neben Gottfried Hammerich gehörte ein weiterer bedeutender Dittwarer dem Orden der Prämonstratenser in Oberzell an: Es war der Stiftsherr Franz Heffner. Geburtsdatum und Sterbedatum sind nicht bekannt, aber einige Hinweise lassen vermuten, daß Heffner um 1700 gestorben ist.
In der Matrikel der Universität Würzburg erscheint Franz Heffner als vierter Dittwarer in der Liste. 1657 immatrikulierte er sich, nannte als Studienrichtung ‚.Logicus" und gab ein Capitellum (= ein Kopfstück = 20 Kreuzer) als Einschreibungsgebühr. Da der Vorname in der Matrikel mit dem Ordens‐ namen identisch ist, ist zu vermuten, daß Heffner erst nach der Profess mit dem Studium begonnen hat.
Dabei qualifizierte er sich als „Lizentiat der Theologie" und arbeitete wissenschaftlich mehrere Jahre bis 1677 in der Abtei Ilbenstadt, wo er gleichzeitig Prior war.
Nachdem er zu seinem eigenen Konvent zurückgekehrt war, wurde er Pfarrer von Acholzhausen, später von Hochstadt und schließlich von Gerlachsheim.
Franz Heffner machte sich als Theologe und Prediger einen großen Namen. Zunächst wurden von ihm einige theologische Thesen veröffentlicht. Besonders großen Erfolg hatten aber seine umfangreichen Predigtsammlungen, die den literarischen Niederschlag des phänomenalen Stegreifredners Heffner bilden.
Die erste Ausgabe des zweibändigen Werkes „Concionator extemporalis: Oder Eilfertiger Prediger" erschien 1691. Innerhalb kurzer Zeit wurden diese in deutscher Sprache verfaßten Predigten wiederholt neu aufgelegt. In den Ausgaben von 1693 und 1695 soll Heffner ein umfangreiches Gedicht (Ode) über Gottfried Hammerich in lateinischer Sprache veröffentlicht haben.
Weitere starke Beachtung fand die Predigtsammlung „Concionator extem‐ poralis continuatus“ (Fortgesetzter Eilfertiger Prediger). Dieses Buch verfaßte Heffner, als er Pfarrer von Gerlachsheim war. Es erschien zuerst 1698, weitere Auflagen folgten 1710 und 1720. Fast alle Werke Franz Heffners sind Abt Gottfried Hammerich gewidmet, der auch jeweils die Druckerlaubnis erteilte. Leider ist nicht bekannt, ob die „Landsleute" dieses außergewöhnlichen Predigers aus Dittwar in den Genuß seiner Redekunst gekommen sind. Vielleicht war er einer der ersten großen Prediger in der Geschichte der Wallfahrt zum Kreuzhölzle.
Reinhold Hammerich
Zeichen der Geschichte:
Bildstöcke und Steinkreuze
Nach Aufschwung und wirtschaftlicher Blüte in der Nachkriegszeit, die auch in unserem tauberfränkischen Raum einen bisher noch nie dagewesenen Wohlstand hervorbrachte, geraten jetzt wieder mehr Bewußtsein für Umwelt und Frieden, für Vergangenheit und Kultur in den Vordergrund. Die Zeit der Existenzsicherung und auch die Periode des stetigen Rennens nach immer mehr Einkommen, höherem Lebensstandard, größerem Auto und an‐ spruchsvolleren Reisen ist vorbei. Man ist wieder nachdenklich geworden.
In diese Strömung gehört auch die neue Bewertung von Denkmälern, von Kapellen und Kirchen, Burgen und Häusern. Man ist sich des Wertes dieser Zeugen der Vergangenheit heute wieder bewußt. In der alten Zeit hatten solche Zeugen die Aufgabe, die Menschen, die in überwiegender Zahl nicht lesen und schreiben konnten, in volksnahem Ausdruck überlieferte Vor‐ kommnisse geschichtliche Tatsachen oder auch Frömmigkeit und Brauch‐ tum kund zu tun. Heute soll dieses Überlieferte erhalten werden.
Der Name ,.Madonnenland" für unser Gebiet dokumentiert den starken und vielfältigen Bestand an Bildstöcken und Plastiken. Die Blütezeit dafür waren Hunger und Pest, besonders aber auch Kriege im 16.‚ 17. und 18. Jahrhun‐ dert. Die Bildstöcke werden im allgemeinen eingeteilt in Kreuze, Unglücks‐ stöcke, Wallfahrtsbildnisse und in örtlich und persönlich sehr differenzierte Zeichen der Religiosität und des Glaubens.
Warum wurden solche Denkmäler eigentlich errichtet? Einmal in früher Zeit zur Abwendung von Hexerei und Teufelsbann, immer an Kreuzungen oder Weggabelungen, zum anderen als Sühnekreuze aufgrund eines Sühnevertra‐ ges zwischen zwei in Fehde liegenden Parteien nach einem Totschlag. Dabei wurden neben dem Sühnedenkmal auch Abgaben an kirchliche Einrich‐ tungen, Messen, Jahrtagsstiftungen und eine Bußprozession von der Kirche zum Grab des Getöteten vereinbart, wo der Täter vor aller Augen Abbitte leisten mußte. Nur so konnte man den über Generationen ablaufenden Fehden entgegentreten. Außerdem wurden natürlich viele Bildstöcke zum Gedenken an Unglücksfälle und Verstorbene, an den Tod und das Jüngste Gericht gestiftet. Besonders im 18.Jahrhundert wurde es geradezu „modern", ein solches Mal errichten zu lassen, und es gehörte für jeden‚ der etwas auf sich hielt, zum „guten Ton", eine solche Darstellung zu veranlassen. Der Bildstock sollte von vielen beachtet werden, daher an vielbegangenen Wegen und Kreuzungen.
In Dittwar zählen wir außer den Darstellungen in Kirche und Kapelle und außer dem Stationsweg zum Kreuzhölzle noch 31 Bildstöcke und Stein‐ kreuze. Trotz vielfacher Renovierung und Erhaltung erleiden diese Dar‐ stellungen immer wieder unersetzbare Schäden. z.B. gerade Nr. 8 am Königheimer Weg, wo Jahreszahl und Abbildung nur noch ansatzweise erkennbar sind. Daher ist große Aufmerksamkeit und laufende Konservierung dringend geboten.
1 Bildstock ohne Sockel, fast in Mannshöhe in die Hausmauer vom Anwesen Karl Market eingelassen; mit sehr kurzer Inschrift:1524 Michel Link (ca 1m hoch).
2 Bildstock, ehemals an der Straße von Dittwar nach Hof Steinbach, nahe dem Muckbachbrücklein, 1,52 m hoch, 26,5 cm breit, 3,3 cm Schrift. In der Nische sieht man Christus am Kreuz, am Stamm die Inschrift: „Gott dem Herrn zu Iob und Ehr auffgericht den ersame Peter Eck zu Ditber (de)m Gott Genedig sei und uns allen am 20 Aprilis 1592”. Zur Zeit wird dieses Bild renoviert
3 Kreuz ohne Sockel, in Mannshöhe in die Hausmauer des Anwesens Wenzel eingelassen. Zu lesen ist: „Anno Domini 1601 ca. 60 cm hoch.
4 Das „Hägeleins‐Kreuz" steht etwa 200 Meter außerhalb des Hägeleinsbrückchens an der rechten Oberkante des Grabens. „Zu Gedecknusz Hans Langenberger 1607 auf der Straße das Leben gelassen." 62cm, Schrift 5cm. Fälschlicherweise berichtet der Volksmund hier von einem „Schwedenkreuz" (1607 hatte der 30jährige Krieg noch nicht begonnen‚und keine schwedischen Soldaten waren in unserer Gegend), und daß an dieser Stelle der Dittwarer Bauer Hans Weber (1644) gepflügt habe als ihn die Schweden überrascht hätten (vgl. Nr. 7)
5 Das Bildnis am „Mangersgraben" in den „Bischemer Tannen", die laut Überlieferung beim Dittwarer Kirchenbau 1753 an Bischofsheim verkauft werden mußten, ist 2‚80 m x 0,40 m groß, hat in einer Nische den Stifter mit Kalb und Hund dargestellt. Außerdem sieht man ein Metzgerbeil mit „I W“ als Inschrift. Zu lesen ist: „Ich Jorg Weimer Bürger und Metziger zu Bischofsheim hat dis Bilt Got zu Lob und Ehr da her machen lasen, die weil in Got mit gesunthem Leib so oft uber den Ber aus und ein hat geholfen Got wol in undt den seinigen undt alen Fromen Metzigern weiter undt lenger Gnadt verlehen durch Jesum Christum Amen 1608".
6 Am Haus von Thomas Zegowitz befindet sich der Bildstock mit der in‐ schrift: „Anno Domini 1614 hat Wendel Schmitt und seine Hausfrau Mar‐ garet Gott zu Lob und Ehr dies Bild setzen herAmen." Es hat 2,16 x 0,26 m Größe und 4-cm-Schrift.
7 Das „Schwedenkreuz“ steht links vom Waldweg. der außerhalb des Räumersberg-Steinbruchs in den Förstleinswald führt und hat die Inschrift: „1644 ist Hans Weber Simons Sohn des Gerichts von den Soldaten ersosen worden”; Größe 120x83,5cm, Schrift 3‐3,5cm. Beim Wegbau im Zuge der Flurbereinigung wurde dieses Kreuz renoviert und neu aufgestellt.
8 Das an der Wegkreuzung Königheimer Weg und Oberer Ölkuchenweg aufgestellte Bild läßt die Jahreszahl nicht mehr genau erkennen. „Got zu Lob und ER Auch zu Christlicher Andacht DISE Figur aufrichten lasen Caspar Hefner 16. . . Darstellung Christus am Kreuz. Maria und Johannes
9 Am Bahnhof steht der Laurentius-Bildstock mit Darstellungen von Laurentius‚ mit Rost und Palme‚ und von Sebastian, nackt angebunden, 2,30 m hoch; „Anno 1702 hat Christof Weinberger und seine Hausfrau Anna Weinbergerin dis Bildnis mache und aufrichten."
10 1728 wurde die Freigruppe .‚Ruh' Christi" an der 5. Station des Kreuzweges zur Kapelle vorn Bischofsheimer Spitalverwalter Joh. Carolus Sauer gestiftet (vgl. „Das Kreuzhölzle zu Dittwar" von Pfarrer R. Kleemann, 1982. S. 131).
11 Seit der Flurbereinigung steht im Flur Scheere an der Autobahn, vorher an der Einmündung des Steigweges in die „Straße“, das Bild mit dem Kreuzträger. Inschrift vorne: „Wen jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Math. 16/24". An der linken Seitenwand steht: „Trägst Du Dein Kreuz, so trägt es dich zur bessern Heimat sicherlich.“ Auf der Rückseite ist der Hinweis: „gestiftet Martin Both 1731. Ernestine Both, Emma Hafner 1902“.
12 Ehemals am Weg durch das Wäldchen an der „Steige“ stand das Bild, das seit der Flurbereinigung am neuen Gewannweg westlich des Flurs „Steige". am Waldrand aufgerichtet ist. Es wurde 1737 von Hans Martin Both errichtet, trägt auf dem Stamm in einer Nische eine Pieta.
13 Auf der Hofmauer des Anwesens Franz Withopf steht ein Marienbild mit der Inschrift „S. Maria 1742". Es trägt das Bild auf einer etwa 1‚20 m hohen Säule.
14 Das „Wetterkreuz“ steht auf einem ..Fünfmärker", einem Grenzstein, an dem die 5 Gemarkungen Distelhausen, Dittigheim (Hof Steinbach), Lauda, 0berlauda und Dittwar zusammentreffen. Auf dem Kreuz, das ein Großkreuz mit Christusfigur darstellt, steht geschrieben „1714 Zu der Zeite Schuld Verzhei . . . L.I.G.S.D.FW". Die fünf Seiten des fünfeckigen Markungssteins unter dem Kreuz tragen die symbolisierten Zeichen der 5 Gemeinden: DDD, LLL, 000; DWD, DHD. An der rechten Seite des Stamms steht: „renoviert durch Johann Gunich". „Wetterkreuze” stehen immer auf Anhöhen und sollen Unwetter abwehren.
15 Das Bildnis im Flur ..Steinige Acker“ steht seit dem Wegbau im Zuge der Flurbereinigung links vom neuen Gewannweg, der von den „Langen Hecken" zu den „Steinigen Ackern“ führt. Es trägt auf dem Stamm eine Darstellung von Christus am Kreuz und die Jahreszahl 1757.
16 Der Bildstock an der Straßenkreuzung am Anwesen Herbert Fast trägt auf dem Stamm eine Abbildung Marias mit dem Kind und am Stamm die Aufschrift „Catharina, Laurentii, Magdalena“ und dazu die Darstellungen dieser drei Heiligen. Am Sockel steht die Inschrift: „1769 hat Magdalene Kranckin durch ihre tötlichen Hintritt ein Gemächtnis gethan und zur Ehr Gottes diese Bildnis aufgerichtet worden."
17 Am Haus von Lorenz Maninger steht ein Bild auf einem Stamm, das eine Pieta darstellt und die Inschrift „0 ihr alle die ihr fürbein geht merket und seht ob ein Schmerz gleich sey meinen Schmerzen" hat. Am Stamm sind Figuren von Maria und des hl. Georg zu Pferd als Drachentöter, und dazu die Buchstaben und Jahreszahl: ‚„HGMHM 1775".
18 Der Stock an den Häusern Lorenz Krank und Ignaz Stephan hat dieWorte: „Got zu Ehren und disen Heiligen Had Franz Weber und Anna Weber Disen Bildstock aufrichten lassen 1787." Seit dem Bau der Hauptstraße im Dorf liegt dieses Bild im Rathaus. man hofft auf Restaurierung und Aufstellung.
19 Der Stock am Hof Joseph Noll trägt auf der Säule eine Abbildung der Himmelfahrt Marias, die Schrift ist nur teils zu entziffern: „Dis Bild Hat Johann Adam Hammerich . . . errichten lassen Den 20. Juni 1747".
20 Das Bild am Gehöft von Richard Withopf trägt auf einem Stamm eine Darstellung des Blutwunders von Walldürn (Tuch mit den 11 Christusköpfen), leider ohne Jahreszahl.
21 Ein Großkreuz mit Christusfigur stellt das Steinkreuz an den Krautgärten, gegenüber dem Anwesen Ewald Maninger, dar. Es ist ca. 4 m hoch und wurde 1872 aufgestellt. Auf dem Sockel steht:„zu Ehren des gekreuzigten Heilandes errichtet von Anton Holler“. Der gewaltige Lindenbaum daneben wird von Fachleuten auf ein Alter von 400 Jahre geschätzt, durch einen Blitzschlag ist er jedoch gefährdet und mit ihm dann auch das Kreuz.
22 Eine Pieta steht am Ende des Weges von der „Kühruh“ zum „Brenne Hölzle“. Sie ist etwa 3,5 Meter hoch und trägt als Beschriftung: „0 hl. Mutter; Drücke deines Sohnes Wunden So wie du sie hast empfunden tief in meine Seele ein.‐ Errichtet von Anton Holler 1876."
23 Ähnlich wie am .‚Brenne Hölzle" und mit der gleichen Inschrift, steht auch am Anwesen Karlheinz Maninger eine Pieta, die durch die Mauer erhöht steht. Diese Abbildung wurde 1879 erstellt und vor kurzem renoviert.
24 Unterhalb dem Anwesen von Werner Lotter steht eine Statuette mit dem hl. Antonius in einem Gehäuse. Dieses Denkmal wurde um 1880 errichtet und 1961 beim Bau dieses Hauses neu gefaßt.
25 Im Jahre 1894 ließ Lorenz Both das „Herz-Jesu-Bild" am Königheimer Weg erstellen. Seit dem Wegneubau und der Reblandumlegung steht dieses Bild am neuen Ölkuchenweg. Zu lesen ist der Spruch: „Siehe das dieses Herz, das die Menschen so sehr lieb hat. Ich werde die Orte segnen,wo das Bild meines Herzens wird aufgestellt und verziert werden".
26 Das „Herz-Mariä-Bild“ an der „Langen Hecke" trägt auf allen vier Seiten Inschriften. „Rose unter Dornen ‐ Behüte uns.“ „0 süßes Herz Mariä ‐ sei unser Rettung" ‐ „Leide so wie sie gelitten ‐ und der Himmel ist dein Leben“. „Gestiftet von M. Anna Stephan, ledig, im Jahre 1904; aufgestellt von der Firma Hofmann in Königshofen". Von diesem Bild erzählt man folgende Begebenheit: Als 1945 die Wehrmacht vor den einbrechenden Feinden immer weiter zurückweichen mußte, schoß ein Landser beim Marsch durch Dittwars Gemarkung vor Wut dem Marienbild die Nase weg. Schon am nächsten Tag riß dem gleichen Soldaten bei einem Feuergefecht zwischen Messelhausen und Kützbrunn eine feindliche Kugel die Nasenspitze ab. So wurde seine Freveltat unverzüglich vergolten.
27 An der Straße nach Heckfeld steht in Höhe des Sportplatzes links das „Josephsbild". Es hat mehrere Inschriften; Sockel: „Hl. Joseph Nährvater Jesu, Bitte für uns" ‐ „Gestiftet von Joseph Valentin Both 1905“; linke Seite: „Gib täglich Brot wend ab die Not, und steh uns bei dereinst im Tod“; rechte Seite: „0 heiliger Joseph, treu bewährt, in deinen Schutz nimm Christi Herd.
28 Das „Weiße Kreuz" am Gissigheimer Weg trägt die Worte „0 hl. Kreuz, meine einzige Hoffnung, sei gegrüßt". Es ist ca. 3.50 m hoch und wurde 1938 auf Veranlassung der Familie Kilian Lotter aufgestellt. (Großkreuz mit Christusfigur.)
29 Das Kreuz an der Kapelle, das die 12. Station des Kreuzweges zur Kapelle darstellt und das eine Ausnahme in diesem Kreuzweg darstellt, da die anderen Stationen Bilder in Sandsteingehäusen auf gemauerten Sockeln tragen (vgl. R. Kleemann „Das Kreuzhölzle zu Dittwar". 1982. S. 27, 32), ist beschriftet: „Jesus mein Heil, Leben, MeineAuferstehung“. Leider ohne Datum.
30 Das Kreuz im Friedhof gehört ebenfalls zum Typ „Großkreuz mit Christusfigur" und trägt auf dem Sockel die Inschrift: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird ewig leben. wenn er auch stirbt. Joh. XI. Cap. 25.-26. Vers. Errichtet von der Gemeinde Dittwar. den 9ten Okt. 1837".
31 1945 wurde zum Dank für die Verschonung des Dorfes vor Bomben‐ angriffen unter Pfarrer Schuhmacher von der Ortsgemeinschaft ein großes Holzkreuz am Steinbruch über der Volksschule errichtet. Bei der Flurbereinigung wurde eine Versetzung notwendig. Dabei stellte man fest, daß das Holz größtenteils morsch war. Spender und freiwillige Helfer sorgten für ein neues Kreuz Dazu kam eine ansprechende Gestaltung des ganzen Areals durch die Flurbereinigungsbehörde. Im September 1977 konnte zum Fest „Kreuzerhöhung” mit einem Gottesdienst von Pfarrer Barton das neue Denkmal feierlich eingeweiht werden.
Die 10 Bildstöcke im Dorf und die 21 Male in der Gemarkung sind beredte Zeichen der Vergangenheit Zu diesen geschichtlichen und christlichen Zeichen, die vor allem die Frömmigkeit und den Glauben in dieser Landschaft dokumentieren, sind auch die Madonnen an den Hauswänden zu zählen. Vor Jahren war dies noch eine ganze Serie, aber eine nach der anderen verschwindet. Vor allem bei Renovierung oder Neubau werden diese Marienbildnisse oft nicht mehr angebracht. Im Moment sind noch Hausmadonnen zu sehen an den Häusern: Edwin Withopf‚ Andreas Schmitt, Willibald Weber, Heinrich Zegowitz, Gerhard Hammerich und am Kindergarten (Herz‐Jesu-Statue!).
Ebenso sind historische Zeichen an einigen Kellereingängen und Häusern in den Jahreszahlen zu erkennen: Fachwerkhaus Otto Schreck „Hannes Boller 1628"; Fachwerkhaus Fritz Both „1717“; Hofeingang Fritz Both „1778“; Kellereingang unter dem Haus Joseph Bitter (ehemals Fridolin Zegowitz) „1592“; Kellereingang unter der Scheune von Herbert Fast „1617"; Keller‐ eingang unter der Scheune von Alois Hammerich „1H7H22“; Kellereingang unter dem Haus von Gottfried Holler (ehemals Edmund Wenzel) „1858“. Diese Gebäude und Keller sind sichtbare Reste von Kultur und Wirtschaft früherer Jahrhunderte im Dorf. Deuten doch die kunstvollen Fassaden der beiden Fachwerkbauten auf den Kunstverstand und auch auf Wohlstand hin, genauso wie die gewölbten Keller mit Naturboden auf den intensiven Weinbau und seine besonderen Lagerbedürfnisse hinweisen.
Bis in die Nachkriegszeit waren die Bildstöcke Ursache für ein kurzes Anhalten, für ein Gebet oder wenigstens für das ehrfürchtige Ziehen des Hutes. Aus der engen Verbindung des Alltags mit der Religion erwuchs das Bedürf‐ nis nach Fürbitte und Danksagung, nach Meditation und Nachdenklichkeit. Heute sind diese Denkmäler eher Gegenstand wissenschaftlichen Interes‐ ses, statt Wanderern und Ackerbürgern hält höchstens ein Denkmalpfleger oder Historiker bei ihnen an, fotographiert und katalogisiert, schätzt und interpretiert. Bedeutung, Alter, Abbildung und Symbole sind Gegenstand solcher Untersuchungen, um Geschichte und Kultur der Landschaft und ihrer Bewohner zu erhellen.
Für uns alle muß es eine Verpflichtung sein, zur Erhaltung der Bildstöcke, der Kreuze und der Madonnen beizutragen.
Manfred Maninger
Zu Nr. 4 + 7 vgl. H.‐W. Siegel in „Steinkreuze in Baden-Württemberg" von B. Losch. Stgt. 1981. Forschungen und Berichte zur Volkskunde in B.-W.‚S.109.XII+ XIII und Abb.194,S.24,
Flurnamen ‐ Zeugen von Kultur und Wirtschaft
Flur- und Landschaftsnamen sind wesentliche Bestandteile der topographi‐ schen Karte und erläutern das Kartenbild (1). Sie sind wichtige Quellen zur Erforschung der Siedlungen und der Bevölkerung, denn sie stammen aus der engen Beziehung der Menschen zu ihrer Arbeit und zu ihrer Umwelt. Alte Flurnamen weisen oft auf die Art der Parzellierung, auf die Nutzungsformen, auf Wandel in der Bewirtschaftungsweise und auf Ortswüstungen hin (vgl. „Willetzheim“ (2))‚ (BORN, 20 + 22 (3)).
Flurnamen unterliegen im Lauf der Zeit einem stetigen Wandel, so daß oft keine Erklärung möglich ist, manchmal nur mit Hilfe von Sprachforschung die Bedeutung klar wird. Die Wichtigkeit dieser Flurbezeichnungen läßt sich am Sinnesgehalt von „Burghelle“, „Kreuzhölzlein“ oder „Heidenkessel" deutlich demonstrieren (4).
Auf der Flurbereinigungskarte 1:2500 des alten Bestandes, auf den 24 Plä‐ nen der „Gemarkung Dittwar 1:1500“ von 1908 und auf der Katasterplan‐ karte 1:5000von 1958 sind fast alle Flurnamen Dittwars nachlesbar. Manche allerdings sind nur mündlich überliefert oder in alten Urkunden genannt. Die folgende Aufzählung ist ziemlich vollständig und gibt in römischen Zahlen die Lage des Flurs in der Gemarkung an, entsprechend der Flurskizze, s.u.. Die 4 Gewanne (I. Laudaer Flur, II. Eisgrundflur. III. Gissigheimer Flur, IV. Königheimer Flur) sind hier nach den Bächen getrennt!
Nur für eine kleine Auswahl sind Erklärungen angefügt (5).
Ackerweinberg IV Dorf
Ballersberg IV Dorfgärten (Dorf)
Berglein II Drachenholz II
Bickeloch I Dreckiger Buckel I
Bildäcker III Dreimärker II
Birklein III Dürre Wiesen I
Bischemer Tannen IV Edelfrauenholz III
Brehmer Straße III Eisgrund II/III
Breiter Baum I Eisgrundsboden
Brenne Hölzlein II Espel III
Brommbeeräcker IV Flachenmännlein III
Bronnenwiesen (Dorf) Fleckenmännlein IV
Brügel II Förstern III
Brügelwiesen II Förstleinsboden III
Brunnwiesen (Dorf) Fuhrt (Dorf)
Buckeläcker I Gänsestirn III
Buckelwiesen ? Geisberg II
Buchbaum II Gissigheimer Weg III
Buchen II Götzenberg =
Burghelle, Barkelle Katzenberg (Ort)
Backelle I Gräbern I
Dänlein (auch „Raben")lV Grasberg I
Datsche III Gumpenwiesen IV
Hägelein II Löchlein II
Hägeleinsboden II Lücke III
Hässelrain II Mangersgraben I
Häuserrain I Mühle I
Hain IV Mühläcker I
Hard II Mühlbach (Dorf)
Hasenpfad II Mühlwiesen (Dorf)
Heidenkessel IV Obere Mühlwiesen (Dorf)
Heiligenberg III Neuberg IV
Heiligenholz II Neubergsflürlein IV
Heiligenrain I Neuer Weg (Kühruh) II
Helferichsgärten (Dorf) Neuer Weg (Ölku.) IV
Hohlenbrunn III Nußbaum I
Holzapfelbaum I Obenraus (Dorf)
Höhe IV Ochsenwiesen ?
Hundsesche I Ölgärten (Dorf)
Hussenbach = Ölkuchen IV
Wiesenbach IV Osterberg I
Jäger (Dttgh) Pfaffenbrunn (Dorf)
Jägersgraben (Dttgh) Pfaffenweinberg IV
Kaltes Feld III Pfarräcker
Kaltfeld IV Pfarrfeld III
Kapellenwald I Pfarrwald =
Kirchberg IV Heiligenholz II
Kirchenwald I Pfitzebrünnle I
Kirchenweinberg (Dorf) Quelläcker III
Kleines Wehr (Dorf) Quelläcker IV
Klosterholz I II Räumersberg III
Kniebreche I Rebberg III
Königheimer Weg IV Renngärten (Dorf)
Krautgärten (Dorf) Rennwiesen (Dorf)
Kreuzhölzlein I Rohrwiesen (TBB)
Kriegwiesen (Dorf) Röte III
Kühruh II Roter Stein (Dorf)
Kurzes Gewann III Rotes Gleis III
Kützenberg (Dorf) Sauäcker III
Lange Hecken III Schaftrieb II
Lämmerberg IV Schafäcker ?
Laudaer Berglein I Schere I
Laudaer Birklein I Schiffersboden III
Laudaer Teich I Schneekessel III
Lehmgrube (?) Schrank IV
Lerchenrain I Schrei IV
Liebfrauenholz ? Seegärten (Dorf)
Bisch.Tannen IV Obere Seegärten (Dorf)
Seelein (Dorf) Tal IV
Seewiesen (Dorf) Unheimlich IV
Schuttäcker III Weidenäcker III
Spitalwiesen II Weidengärten (Dorf)
Steig I Wetterkreuz I+
Steinbacher Berg I Wieselberg=Kaltfeld IV
Steingrübe II Wiesenbach =
Steinige Äcker III Hussenbach IV
Steinige Gärten (Dorf) Wiesenweinberg (Dorf)
Steiniger Weg ? Wiesenmännlein II
Straße I Ziegelhütte III
Täfelesholz III Zollstock I
Teufelsholz III137
Am 18. Juni 1411 urkundet Dietrich Hund, daß er von seinem Landesherrn Otto, Pfalzgraf bey Rhein und Herzog in Bayern, Lehen empfangen hat, und zwar u.a. 4 Morgen Wiesen, . . die heyssen die Rennwiese. . (GEHRIG II. S. 5; vgl. Flurname Nr. 117). Dies ist die älteste bisher bekannte Nennung
eines Flurnamens auf Dittwarer Gemarkung.
In der Türkensteuerliste (GEHRIG II, S. 12) von 1578 kommen zwar Familiennamen und Äcker, Wiesen und Weinberge vor, aber leider keine Flurnamen. In dem Kaufbrief von 1581 verkauft Ruffina Horneckin von Homberg, geb. Hundtin von Wenkheimb, ihr Holz in den Langen Wiesen (Heckfelder Gemarkung), . . und Wiesen zu Dittwar, die eine Mühlwiesen genannt. die andere im Brichell geheißen, mehr das Holtz im Eisgrund genannt . . (6). Ebenso ist in dieser Urkunde von der „Mühle" zu Dittwar die Rede, das bedeutet, genauso wie der Flurname „Mühlwiesen“, daß schon 1581 eine Mühle in Dittwar eingerichtet war.
Für 1669 sind in Zinslisten des Juliusspitals von Würzburg 17 Dittwarer Gültzahler aufgeführt, dabei werden Ackerfeld . . beym Wetterkreuz oder an den Gräbern . . aufgezählt (GEHRIG II, S. 13). In der Liste wird auch Gült vom „Nunnenhof“zu Dittwar genannt, die der hochadeligen Frau von Ingelheim, geb. Echterin, zustehen (GEHRIG II, S. 13). Dieser Tatbestand könnte den Flurnamen „Edelfrauenhoiz" oder auch „Klosterholz" erklären (vgl. Flurnamen Nr. 29, 71), möglicherweise auch „Spitalwiesen".
So wie auf dem ..Ballersberg" laut Volksmund eine Burg war, die alte Ortsburg auf der „Burghelle" stand, die .‚Bischemer Tannen" laut Überlieferung beim Kirchenbau verkauft wurden. (obwohl dort die Gemarkungssteine teilweise schon von 1508 und 1580 stammen!) sowie der „Dreimärker“ und das „Wetterkreuz" Grenzpunkte der Gemarkung waren, so deutet „Häuserrain" auf eine Ortswüstung hin (Vgl. „Willetzheim“, Anm. 7). Die Flurnamen „Heidenkessel", „Schrei“, „Unheimlich" und‚ „Hain" sind im Zusammenhang mit der Opferstätte am Heidenkessel durchaus verständlich. Zwar wird heute häufig angezweifelt, daß die heidnischen Kelten, Bewohner der Taubergegend vor den christianisierten Franken, Blutopfer brachten, da ihre Kultur so hoch einzuschätzen ist. Die Geschichte und die Archäologie beweisen jedoch eindeutig diese Opferreligiosität mit Menschen und Tieren bei den Kelten, die ganz darauf abgestellt war, die Götter günstig zu stimmen und Fruchtbarkeit zu sichern (8, 9, 10). Die gefundenen Leichen in Seen, Mooren und Schächten sprechen eine deutliche Sprache über die Menschenopfer der Kelten.
Der Opferstein mit der Blutrinne‚ der bis zum Bau der Tauber-Eisenbahn 1864 am Heidenkessel zu sehen war, wurde in die Eisenbahnbrücke bei der Halbigsmühle eingearbeitet (11).
Auch die relativ enge Besiedlung im Taubertal, belegt durch die Kelten‐ schanzen bei Gerichtstetten, Schönfeld und Brehmen, durch das „Oppidum" (ein städtisches Zentrum) bei Finsterlohr (Dorf bei Creglingen), und natürlich die vielen archäologischen Funde westlich und besonders östlich der Tauber, läßt für die Zeit der Kelten, oder sogar früher, den Schluß auf die Opferstätte einer Stammesreligion am Heidenkessel zu.
Eine Burg von Dittwar stand auf jeden Fall auf dem Berg im Flur „Bekelle“, nordöstlich vom Dorf. Der Flurname laut Katasterplan ist „Burghelle“, der dort liegende trigonometrische Punkt ist mit „Barkelle" bezeichnet. und der benachbarte Flur auf Dittigheimer Gemarkung heißt „Backelle“. Über Alter und Gründer, wie auch über Besitzer ist keine klare Aussage möglich, da der urkundlich genannte „Diepertus von Treteburen" um 1100 zwar aufgrund seiner Benennung nach einem Dorf, mit dem Zusatz „von", als Adeliger sicherlich anzusehen ist, aber nicht unbedingt eine Burg haben mußte (12).
Ebenso ist die Urkunde von 1169, in der die Schenkung des „Castrum Dietebure" von Heinrich de Luden an St. Kilian (Domstift) in Würzburg ver‐ brieft ist, kein Beweis für „Burghelle“, da sich herausgestellt hat, daß man im Hochmittelalter alle befestigten Höfe und Häuser, d.h. also alle gemauerten Gebäude, im Gegensatz zu den Häusern in Holzbau, als „Burg" bezeichnet hat. Ein solches „Steinhaus“ konnte durchaus im Dorf stehen.
Zwar deuten verschiedene andere Flurnamen auch auf Siedlungen innerhalb der Gemarkung hin, z.B. „Häusserrain“. „Hussenbach“, „Ballersberg“, „Ziegelhütte“, und auch in mündlicher Überlieferung wird noch von einer zweiten Burg von Dittwar gesprochen (13), aber es gibt keinerlei urkundliche Hinweise.
Häufig kommt in der Umgebung der Flurname Eisenberg, Eisenbach oder auch „Etzenklinge“ vor. Dies ist im Zusammenhang mit „Eisgrund" zu sehen. „Etz“ wurde öfter auch „Ess“ oder „Is“ oder gar „eys" geschrieben und wurde für .,Äußere ‐" gebraucht. Also wäre der „Eisgrund“ und der „Eisgrundsboden" als „äußerer" Grund oder ‐ Boden zu verstehen, was ja auch einleuchtet. Allerdings ist der Hinweis darauf, daß im „Eisgrund“ der Schnee etwas länger und deutlicher liegt als auf den anderen Gemarkungsteilen, auch als Erklärung verständlich.
Auch der Flurname „Schaftrieb" hat eine Bedeutung, die heute nicht mehr jedem klar ist, da die Ortsherden längst nicht mehr von Gemeindehirten ge‐ trieben werden. Früher hatte man neben dem Kuhhirt, dem Schweinehirt auch einen Gänse- und sogar einen Schafhirten. In diesen „gemeinen“ Herden konnten die Bürger ihre Tiere mitschicken. Der einzelne „Ackerbürger" war nämlich bei weitem nicht in der Lage, genügend Futter für sein Vieh aufzutreiben. Daher wurden die Herden vornehmlich in Wäldern geweidet, um die Felder zu schonen. Wie die Wälder darob aussahen, besonders wenn man noch an die Mengen von Brennholz, die gebraucht wurden, denkt, läßt sich erahnen. Daher hat die Obrigkeit um 1800 die Waldweide generell verboten, um „Forstwirtschaft“ betreiben zu können, und hat kleine Waldrodungen erlaubt, um das Gelände als Eigentum der Gemeinde zu verpachten oder es an einzelne Bauern zu verkaufen. Außerdem wurde der Bau von Klee und Bebauung des Brachflurs dringend angeraten.
„Schaftrieb" bedeutet einen Wiesenstreifen, der von Beackerung frei bleiben mußte, um für die Herden einen Durchgang zu haben. „Hardt“ ebenso wie „Hägelein“ und „Espel” deuten auf Viehhag und evtl. Waldweide hin.
Wie „Täfelesholz“ (15) geht auch „Helferichsgärten“ auf einen Personennamen zurück, der wohl auf den Dekan Helferich aus Bischofsheim, der nach 1670 bei der Wiedererrichtung der Pfarrei Dittwar 4000 Gulden stiftete und ein kleines Pfarrhaus samt Scheuer und Stall in Dittwar (wohl auch Felder und Wiesen) kaufte (14).
Die meisten Flurnamen sind nach der topographischen Umgebung (z.B. „Buckeläcker“, ,.Steige", ‚.Kniebreche", „Osterberg") oder aus Landwirtschaftlichem Erfahrungskreis (z.B. „Krautgärten“, „Lämmerberg“, „Förstlein“, „Geisberg") geprägt. Häufig sind auch Besitzverhältnisse (z.B. .‚Leininger Wald", .,Täfeleshölzle",„Pfarrfeld", „Kirchenweinberg“, „Pfaffenbrunn“‚ „Mühlwiesen“) oder dörfliche Gemeinnutzung (z.B. .,Kühruh", „Hardt" und ,.Schaftrieb" als Waldweide. „Weidenwiesen“. „Weidenäcker“, „Hägelein“ und „Espel" für die Feldweide) die Grundlage für die Flurbenennung.
Oft sind aus den Gewannbezeichnungen auch Hinweise auf Witterung (z.B.
„Kaltes Feld", „Eisgrund”) zu entnehmen, manchmal sind mit ihnen Erzählungen angedeutet (z.B. „Flachen‐”‚ „FIecken‐", „Wiesenmännlein", „Mangersgraben”, „Brenne Hölzlein").
Viele Bezeichnungen bestehen nur im Volksmund, sind nicht auf Urkunden oder Plänen dokumentiert. Daher ist das Sammeln und Festschreiben wichtig.
Diese Zeichen der Dorfkultur und der Wirtschaftsweise der Bewohner sollten auf jeden Fall erhalten bleiben.
Manfred Maninger
Quellen und Anmerkungen:
1 „Flurnamen" Landesvermessungsamt Bader+Württ.,1958‚ S. II 1
2 Manfred Maninger „Ortschronik der Gemeinde Dittwar", 1969, S. 31
3 Martin Born „Geographie der ländlichen Siedlungen1", Stuttgart 1977, S. 20, 22
4 M. Maninger, s.o.‚ S. 30, 22, 29
5 ders. S. 511., weitere Erklärungen
Franz Gehrig. „Gissigheim im badischen Frankenland" 1969 (= Gehrig |)
Franz Gehrig, „Skriptum zur Geschichte Dittwars" 1983, 31S., (= Gehrig ||)
6 nach Generallandesarchiv Karisruhe, Abt. 229, unter 19560, (vgl. M. Maninger, s.o.‚ S. 28)
7 Vgl. oben Anm. 2, im Bereich von Adolzhausen (bei Niederstetten) war ein solcher Weiler, „Dunkenrod", der 1974 vom Landesdenkmalamt ausgegraben wurde; ermittelte Siedlungszeit 11. bis 14. Jahrhundert, dann wurde der Ort aufgelassen und die Einwohner siedelten nach Adolzhausen. Ebenso existierte auf Gemarkung Heckfeld der Weiler „Hattfeld“, der wieder aufgegeben wurde.
8 Prof. H. Jankuhn, „Tier- und Menschenopfer in der Eisen‐ und Merowingerzeit", Vortrag in der Residenz Würzburg, 13.6.69.
9 Alfred Weitnauer „Keltisches Erbe in Schwaben und Baiern", 1961
10 Gerhard Herm „Die Kelten", Düsseldorf 1975
11 M. Maninger, s.o.‚ S. 29
12 „Diepertus von Tieteburen hat fünf Huben in Tagenbach (Dainbach) geschenkt . . .” Hirsauer Codex um1100, nach Gehrig II, S. 2.
13 Vgl. Sage von der Burg am „Ballersberg“.
14 Vgl. R. Kleemann „Das Kreuzhölzle zu Dittwar”, 1982, (nach F. Gehrig), S. 10
15 M. Maninger, s.o.‚ S. 55 + 52
Interessantes aus unserer Schulgeschichte
In früherer Zeit übte die Kirche die Dienstaufsicht über die Schulen aus. Dadurch konnten die kirchlichen Stellen gleichzeitig die Einhaltung von Sitte und Moral überprüfen.
1758 schrieb Pfr. Molitor einen Bericht an das erzbischöfliche Generalvikariat Mainz. Er gestattet uns interessante Einblicke in die Schulverhältnisse des 18. Jahrhunderts in unserem Dorfe.
Joannes Henricus Dürr war damals Schulmeister in Dittwar. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatte es jahrzehntelang andauernde Streitigkeiten über das Präsentationsrecht der Schulmeisterstelle zwischen der Gemeinde (Gericht und Schultheißenamt) und der Kirche (Dechant) gegeben. So erwirkte sich Dürr eine Anstellung vom Mainzer General-Vikariat mit dem Befehl, ihn als Schulmeister anzunehmen. Dies wurde dann auch von der Gemeinde widerwillig akzeptiert, um weitere Unruhe zu vermeiden.
Die Bezahlung der Lehrer war gering. In einem Gerichtsprotokoll aus dem Jahre 1654 ist genau festgelegt, wie groß die Entlohnung bei Begräbnissen, beim Schreiben von Kauf‐‚ Heirats‐ und Geburtsbriefen ist. („Von einem jungen Kindsbegräbnis, so noch nicht zu Gottes Tisch gegangen, sofern man singen tut, wie gebräuchlich 2 1/2 Batzen") 1758 betrug das eigentliche Schulgeld vierteljährlich 10 Kreuzer pro Kind, dazu kamen 15 große Malter Korn und 10 Gulden Accidentien von Hochzeiten, Teufen und Begräbnissen. Schulmeister Dürr verzichtete ganz auf das eigentliche Schulgeld, um Unruhe und Aufstand gegen sich zu vermeiden. Allerdings verdiente er als Gerichtsschreiber noch zusätzlich gegen 40 Gulden. Das Innehaben dieses Amtes wurde von der Gemeinde gar nicht gern gesehen, denn „durch welches Amt der Schuljugend eben das größte Verderben und ruin zustoßet, Ursachen, weilen die Kinder hier nur ein 4tel Jahr pflegen in die Schul zu gehen winders, wo eben die meisten Gemeyndshändel und Rechnungen, so durch des Schuelmeisters Händ verferdigt, vorgenommen werden, mithin die Kinder negligirt werden und wenig für ihre Schulzeit zunehmen können."
Das Amt des Organisten war unentgeltlich mit zu versehen.
Der Schulmeister mußte Musik und Latein verstehen. Pfr. Molitor schrieb, daß hier Latein der Rechenkunst vorzuziehen sei, weil im Ort kein Gewerbe betrieben würde, das die Rechenkunst erfordere. Schulmeister Dürr hatte sich zwar als Lateiner ausgegeben, unterrichtete es aber nicht, weil er es nicht
verstand. Deshalb schickten 3 Einwohner ihre Kinder auswärts, um ihnen Lateinanfangsunterricht erteilen zu lassen.
Um die Schule heizen zu können, mußte jedes Kind mittwochs ein Schul‐ scheitlein mitbringen. Aber diese waren so klein, „womit mann aber oft eim Schoßhündlein kein Bein zwey zu werfen vermag." Den Schulofen einheizen mußte der Schulmeister. '
118 Buben und Mädchen wurden von einem Lehrer in einem Raum unter‐ richtet. Pfr. Molitor schlug vor, ein neues Schulhaus mit getrennten Räumen
für Buben und Mädchen zu errichten. Ein Eremit vom Kreuzhölzle, der „zimlicher massen im Lesen und Schreiben erfahren ist“, könnte die Mädchen unterrichten.
Der Bericht schloß mit einem vernichtenden Urteil ab. Während der Unter‐ richtszeit war der Schulmeister meist mit Gerichtsschreiberei beschäftigt. „Lesen undt schreiben zu lernen ficht ihn auch wenig an, weilen er schon 1 1/2Jahr andere Geschäfte gehabt, wodurch seines Amts gar vergessen, woraus wohl abzusehen, daß das Schuelwesen itzt zur Zeit schlechter nicht stehen mag oder ka nn, wie schon aller Pfarrkinder einhelliger Schluß, diesem Schulmeister kein Kind mehr zur Schuel zu schicken.“
Aufgrund dieses Berichtes wurde Schulmeister Dürr des hiesigen Schul‐ dienstes enthoben.
Auch im 19.Jahrhundert gab es große Spannungen innerhalb der Gemeinde gegen den Schulmeister. 1803 entstand eine arge Hetze gegen den Schul‐ meister Stoll. „Pfarrer und ein Teil der Gemeinde verklagen ihn wegen Nachlässigkeit in der Kirche, irreligiösen Äußerungen bei Privatpersonen, eines unmoralischen Lebenswandels im allgemeinen und bestreiten seine Befähigung.“ 1806 resignierte Stoll.
Unser Ort war ein sehr kinderreiches Dorf. Besuchten im Jahre 1758 118 Kinder die Schule, so waren es 1892 sogar 152 Kinder; 1934 meldete Lehrer Winter 140 Schüler und 1950 wurden wiederum 118 Schüler von Lehrer Antolitsch angegeben. 1983 waren in der EDV-Liste des Rechenzentrums immerhin noch 84 7-14jährige ausgewiesen.
Dittwar war ein sehr armes Dorf. Dies wirkte sich auch aus auf den Bau und die Unterhaltung von Schulgebäuden. Schon Pfr. Molitor stellte in seinem Bericht fest, daß die Gemeinde zu solch einem hochlöblichen Vorhaben (Schulhausneubau) keinen Beitrag leisten könne. Noch in unserem Jahrhun‐ dert beklagten sich immer wieder Lehrer über den unzumutbaren Zustand der Lehrerwohnungen. 1911 meldete ein Lehrer: „Das Zimmer liegt über einer leeren Scheune und hat sehr dünne Wände, sodaß die Kälte sehr leicht durchdringen kann. Man kann die Temperatur im Zimmer, trotz der größten Feuerung, kaum auf 13°C bringen.“
Ein anderer schrieb 1938: „Der übelste Raum ist das Schlafzimmer. Die der Straße zugewandte Seite naßt dermaßen, daß der Schimmelpilz als grauer Belag auf der Tapete liegt. Schon jetzt (im September) bringen wir keine Schublade mehr auf. Die Griffe daran sind bereits alle weggerissen. Die Wand hinter dem Waschtisch fällt herunter. Die Tapete wird nur noch durch die obere Leiste gehalten. Ein Zimmer hat einen so schiefen Boden, daß man sich beim Laufen tatsächlich, es hört sich lächerlich an, etwas zurück‐ legen muß. Sehr ärgerlich ist die Mäuseplage. Dutzende Mäuselöcher in den Zimmern zeigen die zerstörende Arbeit an.“ Er kam zu dem Ergebnis, daß eine andere Wohnung dringend notwendig sei, „aber in dem armseligen Dittwar ist ja nichts aufzutreiben.“
Diese Verhältnisse wurden grundlegend geändert, als 1961 die neue Schule und kurze Zeit später das Lehrer‐Doppelwohnhaus eingeweiht wurden. Jetzt waren optimale räumliche Verhältnisse geschaffen. Nur wenige Jahre später wurden die Schüler ab der 5. Klasse abgezogen, sodaß nur noch die Grundschüler im Ort Unterricht erhielten. Im Rahmen der Durchführung des Schulentwicklungsplanes wurde schließlich 1975 gegen den starken Widerstand der Eltern die hiesige Grundschule geschlossen. Alle Kinder müssen nun die Schulen in Tauberbischofsheim besuchen.
Mit der Auflösung der Grundschule wurde ein Schlußpunkt unter die jahr‐ hundertelange Tradition einer selbständigen Schule in Dittwar gesetzt.
Die Lehrerwohnungen wurden verkauft, das Schulgebäude wurde zur Lau‐ rentiushalle umgebaut und erfüllt jetzt eine neue Sinn‐ und Zweckbestim‐ mung für die Gemeinschaft.
Einige Namen von Schulmeistern und Gerichtsschreibern aus dem 17.Jahr‐ hundert: Andreas Schmith, Johann Bopp, Johann Zegowitz, Bastian Becker, Paulus Ditterney, Johann Vogel.
Einige Namen von Lehrkräften aus unserem Jahrhundert; Ganser, Lenz, Robert Albert, Reißfelder, Daniel, Otmar Freischlag, Imhof, Clausen Frank, Josef Winter, Wiilhelm Höselmann, Josef Fritsch, Wilhelmine Knöpfle, Lutz, Karl Antolitsch, Fritz Gessler, Maria Baar, Günter Grüner, Bertold Nunn, Günther Mainx, Heinrich Hafner.
Quellen: Geschichte der Entwicklung des Volksschulwesens im Großherzogtum Baden, Dittwarer Ortsakten.
Heinrich Hafner
Der Schoof-Toni ‐ „Burepfarr“ von Dittwar
Aufgrund mehrerer Zeitungsberichte und der Erzählungen des Stadtpfarrers von St. Martin in Freiburg, der überall als „Hansjakob". Volksschriftsteller des Schwarzwaldes, bekannt wurde, ist die verwunderliche Geschichte vom Pfarrer Anton Hammerich, geb. 27.2.1843 in Dittwar, noch gegenwärtig.
Anton Hammerich kam 1880 als Pfarrherr nach Oberbiederbach (bei Frei‐ burg) und blieb da, obwohl er sich zunächst gar nicht wohl fühlte und am liebsten gleich wieder gen Franken gezogen wäre, bis zu seinem Tod, am 30.6.1903.
Vor 100 Jahren war es noch Sitte, daß die Pfarrer neben ihrer Seelsorge Landwirtschaft betrieben. Sie waren Bauern unter Bauern und fanden so den Weg in das „Innere“ ihrer Pfarrfamilie leichter. Dies bedeutete aber, daß der Pfarrer neben Haus und Hof auch Scheuer, Stallung, Vieh und Äcker hielt.
Von Anton Hammerich ist bekannt, daß er außer seinem „Leibroß", er ritt einen Apfelschimmel, eine ansehnliche Schafherde, Rinder, Schweine, Kühe und Ochsen hatte. Überhaupt war er sehr landwirtschaftlich orientiert hatte schon damals eine eigene Schrotmühle dafür ein großes Wasserrad vor dem Hof, im Flur des Pfarrhauses standen Futterkübel und Melkeimer. Er wohnte weit vom Dorfkirchlein unten im Tal. In einer engen Bergnische stand sein geräumiges Pfarrhaus mit stattlichen Ökonomiegebäuden; er hatte nämlich den Becherer-Hof erworben
Dem Pfarrhaus gegenüber liegt ein sogenanntes „Reutfeld" (d.h. gerodetes Feld). das „der liebe Gott bei der Schaffung der Welt, an den Pfarrherrn von Oberbiederbach denkend, schuf".Dabei sprach der Herr: „Lassen wir uns im oberen Biederbach einen steilen Berg machen. mit dem niemand etwas Gescheites anfangen kann, damit mein Knecht, der Pfarrer dort, nicht jede Reisigwelle betteln muß."
Dieses Feld hat Anton Hammerich eigenhändig umzäunt, ohne einen ein‐ zigen Nagel. alle Stangen nur mit Zwick festgebunden. Ein idealerWeideplatz für Schafe, für den Pfarrer jetzt das Schafparadies.
Anton Hammerich war ein weit und breit gefragter Fachmann für Schafe; kein Schafmarkt. keine Schafschätzung wurde im Umkreis ohne ihn abge‐ halten. Daher stammt auch der liebevolle Name „Schoof-Toni".
Sonntags wenn die „Bure" der Umgebung Zeit hatten, kamen generell die Händler oder der Schafjud zu den Bauern. So trafen sich im Pfarrhof all‐ sonntäglich beim Toni viele Schafhalter‚ um mit ihm dann den steilen Buckel zu den Schafen hinaufzusteigen und zu feilschen und zu begutachten. Das zog sich dann öfter auch mal über einige Stunden hin. Anfangs waren die Ortsgläubigen bei solchen Verspätungen recht ungehalten. Als der Schoof‐ Toni das merkte, riet er ihnen, doch den Frühschoppen künftig vor der Messe einzunehmen, er würde sie dann schon aus der Wirtschaft zum Gottesdienst holen.
So kam es, daß regelmäßig um halb elf, wenn die Messe eigentlich beginnen sollte, die Hofwirtin in der Wirtsstube rief: „Kommt dr Pfarr scho une ruff?“ ‐ Meistens hatte sie danach zu vermelden: „Ihr könnt no emool rumspiele, es langt no e Runde mr sieht no nix vom Schoof-Toni!“
Die Biederbacher waren ihrem Pfarrherrn nicht mehr bös, wenn der Gottesdienst auch mal eine Stunde zu spät begann, denn inzwischen war es Sitte geworden, zuerst dem Frühschoppen zu frönen und dabei den „Schafkopf“ zu pflegen. So konnten sich „Bure“ und ,.Pfarr" wohl fühlen.
Kam während der Fütterzeit ein Pfarrkind, um eine Messe oder ein Amt zu bestellen, so zog der Toni nicht lange um ins Pfarrbüro‚ sondern schrieb die Bestellung an die Stalltüre. Deshalb richtete sich die Liturgie im Ort weit‐ gehend nach seiner Stalltüre. Und die Inhalte der sonst regelmäßigen Be‐ sprechungen und Sprechstunden schlug er einfach an der Tür des Pfarr‐ hauses an, um bei seiner landwirtschaftlichen Beschäftigung nicht dauernd unterbrochen zu werden.
Die Kunde von diesem netten und beliebten Original machte natürlich die Runde, und so mancher Reporter wollte den Schoof‐Toni besuchen und interviewen. Aber da hielten die Oberbiederbacher alle eng zusammen. Wenn so ein lästiger Schnüffler sich dem Dorf näherte, ging wie ein Lauffeuer die Nachricht bis zum Pfarrhof. und der Schoof‐Toni konnte sich genüßlich aus dem Staub machen und schnell in die Berge verschwinden.
Im Jahr 1903 bahnten sich im Kirchspiel Oberbiederbach durchschlagende Veränderungen an. Pfarrer Anton Hammerich erkrankte schwer. Lange wehrte sich der große und kräftige Pfarrherr mächtig gegen sein schleichen‐ des Magenkrebsleiden. Tag fürTag schleppte er sich mühsam vorn Pfarrhof im Tal zum Kirchlein den Hang hinauf, um dem drohenden Schicksal zu trotzen. Eines Tages war es ihm jedoch unmöglich geworden, sein Gehöft zu verlassen und Messe zu halten. Bald darauf war es soweit, daß die gesamte Pfarrfamilie sich vor dem Pfarrhaus versammelte und von ihm den letzten Segen bekam; den Abschiedssegen für alle Ewigkeit, man sah es ihm und allen Anwesenden an. Am Sterbetag erhielt Anton Hammerich noch die letzte Wegzehrung vom inzwischen eingesetzten Vikar Wilhelm Hermann, nach der 4‐Uhr‐Frühmesse. Am 3. Juli wurde der Pfarrer von Oberbiederbach, der bei allen im Dorf beliebte und hochverehrte „Schoof-Toni“, als erster Pfarrer im Ortsfriedhof beigesetzt.
Die Bauernwirtschaft wurde zunächst noch von der Haushälterin im kleinen Rahmen weitergeführt. Der bald nachfolgende Pfarrverweser, der kein Bauer war und wenig Sinn für das gemeine Volk hatte, dafür aber umso geschliffe‐ nere Predigten zu bieten hatte, ließ die Pfarrgemeinde in der Messe manchmal .,schrauen" (schreien). Dieser Geistliche und diese Gemeinde konnten sich nicht aneinander gewöhnen, nachdem der ‚.Schoof‐Toni" ein so volksfreundliches Wesen und eine so leutselige Art aufgezeigt hatte. Deshalb war es kein Wunder, daß schon im Jahr darauf ein anderer Seelsorger, Pfarrer Siegfried Walz, in die Pfarre bestellt wurde.
Auch dieser hatte es nicht leicht mit seinen neuen Schäfchen, denn er war halt auch kein „Bur“ unter den „Buren“, und deshalb nicht sehr geschätzt. Jeder Nachfolger vom Toni mußte es schwer haben in diesem Gebirgsdorf. Jedoch überkam die Leut' bald ein reuiges Gefühl, und in der alten Sonnen‐ wirtschaft waren sich an einem Sonntag nach der Messe die „Bure" einig, daß man dem neuen Pfarrherrn das Leben so schwer mache, vor allem, daß man ihn beim Antritt nicht mit der Chaise abgeholt habe. Darauf antwortete allerdings der noch recht skeptische „Wirts‐Karle“: „Dr Schoof-Toni habe mr jo au net abgholt. Seiler isch mit seim Köfferle dr Schießacker vom Biereck obera gloffe.“
Aus Aufzeichnungen des obigen Vikars Wilhelm Hermann, in „Vun sellene Zitte", geht auch hervor, wie er als Pfarreihelfer mit dem Rad immer von Freiburg nach Oberbiederbach fuhr, und dabei großen Ärger mit seinem Stadtpfarrer riskierte, der strikt gegen solche neumodischen Geräte war (der sagte: „und ich kauf mr doch kein Rad"). Schließlich war Wilhelm Hermann einer der ersten ” Vikare auf Rad“ im ganzen Erzbistum. Daß der Vikar aber eine Stund’ eher in der Stadtpfarrei zurück war, das ließ dann den Herrn Stadtpfarrer doch versöhnlich stimmen. Wenn der Vikar nach Oberbiederbach geradelt kam, um dem kranken Mitstreiter Anton Hammerichbeizustehen, wurde er immer zuerst von der „Pfarrhusere" im Pfarrhaus mit einem zünftigen Vesper empfangen.
Nach damaliger Speisekarte, recht monoton, bestand die Speise aus einem Käs, dem „Maurerkotelett dazu kam allerdings gewöhnlich ein Krug Bier aus dern Löwenhofbräuhaus Elzach. Bei der Heimfahrt, auf dem Weg durch die „zwei Höllen", blieb der Gottesmann des öfteren im Schlamm stecken und verspätete sich dadurch gewaltig.
Wilhelm Hermann wäre gerne Nachfolger vom „Schoof-Toni“ geworden, er hatte sich sogar schon offiziell beworben. Aber das erzbischöfliche Ordi‐ nariat berief ihn ab und schickte den anderen Pfarrverweser.
Manfred Maninger
Quellen zu „Schoof-Toni”:
1 „Hansjakob und der Schoof-Toni", Aufsatz in „Der Sichtgang“‚ veröffentlichg in „Blätter für Heimat und Volksleben". 1952
2 Martin PFLÜGER „Geschichle der Gemeinde Biederbach“, 1964, S. 81
3 „Waldkircher Zeitung", 1.9.1972. „vun sellene Zitte" nach Vikar Karl Wilhelm Hermann
4 Heinrich HANSJAKOB „lm Paradies“,1981‚ s. 166/167 (6.Aufl.)
5 M. MANINGER „Chronik der Gemeinde Dittwar"‚1969‚ S. 38
„NECKLE“ ‐ Franz Hammerich von Dittwar
In Dittwar war der Pfarrer Anton Hammerich, der „Schoof‐Toni“, auch sehr bekannt. aber als ..Neckle's Pfarrheerle". Er war der Bruder des hier ebenso berühmten „Neckle", des Schusters und Landwirts. Sie stammten beide aus dem Haus im „Geisberg". das heute Marie Rudolph gehört. Man sprach damals allgemein vom „Neckles Schuster", weil Schlagfertigkeit und Gewitztheit in dieser Familie Trumpf waren, und weil der „Neckle“ in der Lage war, jedem, der ihn irgendwie geärgert hatte, tüchtig Paroli zu bieten.
„Neckle" war der einzige Zeitungsleser im Ort und deswegen gut informiert und sehr interessiert. Als Anführer des Aufgebots von Dittwar für die Kämpfe in der Revolution 1848/1849 verstand er es, seine Gruppe aus jeglichem unmittelbaren Fronteinsatz fernzuhalten.
lm Preußisch-österreichischen Krieg 1866 kamen die Preußen vom „Heili‐ genberg" herunter und marschierten den „Geisberg“ herein durch Dittwar. Die drei führenden Offiziere waren beim „Hirschenwirt" eingekehrt. „Neckle“ roch den Braten, und obwohl er als kleiner Bauer knapp bei Kasse war, genehmigte er sich auch mal einen Schoppen, um in die Nähe der drei Preußen, die er nicht leiden konnte, zu kommen. Während die drei Herren noch ihren „Backsteinkäs“, das einzige Vesper einer damaligen Dorfwirtschaft verzehrten, versuchte er, sie zu verhöhnen: „Wenn ihr die Preußen erwischt, schlagt sie, daß sie hopfen!“ So gab er vor, in ihnen bayerische Soldaten zu sehen. Die Offiziere, baß erstaunt über so viel Unverschämtheit, sprangen mit wütendem Geschrei erbost auf, zogen blank, um's dem frechen Dorfbuben zu zeigen. Dieser jedoch verschwand schleunigst durch‘s offene Fenster mit lautem Gelächter. Laute Schimpfworte und wüste Drohungen, die ihm den Tod bringen sollten, folgten ihm. Der „Neckle's-Franz“ warnte die hohen Herrn daraufhin, diese Verwünschungen könnten ja sie selbst treffen. Und tatsächlich, noch am selbigen Tag, wurden die drei preußischen Offiziere am Brehmbachbrückle aus einem Hinterhalt erschossen.
(Manfred Maninger, nach Erzählungen von Oswald Maninger)
Kirchliche Vereine und Organisationen
Einrichtungen und Vereinstätigkeit in der katholischen Pfarrgemeinde St. Laurentius in Dittwar.
1. Pfarrgemeinderat
Dem Pfarrgemeinderat gehören 6 Männer und zwei Frauen an, die im März 1981 gewählt wurden. Sie treffen sich gewöhnlich einmal im Monat. Jedes Mitglied hat eine besondere Funktion (Vorstand, Schriftführer, Kontaktmann zum Kindergarten, Seniorenarbeit, Kirchenchor usw.). Zum Aufgabengebiet des Pfarrgemeinderates gehört die Verwaltung des Kirchenvermögens (Ausschuß, Stiftungsrat), die Unterstützung und Beratung des Pfarrers in pastoralen und liturgischen Fragen, die Öffentlichkeits‐ und Jugendarbeit und die Zusammenarbeit mit den weltlichen Vereinen. Auch die weltlichen und kirchlichen Feste (z.B. die Kreuzfeste) werden in diesem Gremium vorbereitet. In Vorträgen und Schulungen werden die Mitglieder für ihre Aufgaben befähigt. Das Arbeitsklima untereinander und mit dem Pfarrer ist harmonisch. In den letzten Jahren war der Pfarrgemeinderat besonders durch Baumaßnahmen gefordert. In und um Kirche und Kindergarten waren viele Renovationsarbeiten erforderlich. Dazu kam die Renovation von Kreuzweg und Kreuzkapelle. Bei den Arbeiten auf dem Petershof machtensich vor allem die Frauen verdient.
2. Kirchenchor (siehe Seite 147)
3. Katholischer Kindergarten
Der Kindergarten bietet Räumlichkeiten für zwei Gruppen. Er ist im Durchschnitt von 35 Kindern aus der Gemeinde belegt. Zwei ausgebildete Kräfte stehen zur Verfügung. In den letzten Monaten wurden das Gebäude und der Zugang renoviert. Die Spielfläche und die Pausenhalle wurden durch den großen Einsatz der Kindergarteneltern neu gestaltet und erweitert. Wegen der noch nicht fertiggestellten Gissigheimer Straße kann der Vorplatz z.Zt. noch nicht erneuert werden.
4. Offene Jugendarbeit
Im gleichen Gebäude im Erdgeschoß wurde durch die Eigenarbeit junger Erwachsener in den letzten Jahren ein großzügiges Raumprogramm für eine offene Jugendarbeit erstellt. Es stehen ein kleiner Saal, eine liebevoll ausgestattete Teestube. eine Teeküche und sanitäre Räume allen Jugendlichen offen, die das Angebot wahrnehmen wollen. Neben Unterhaltung stehen Bildungs- und Bastelabende auf dem Programm.
5. Gemeindesaal
Die Pfarrgemeinde hat das Gasthaus „Zum Hirschen" gepachtet. Dieses ist an 4 Tagen der Allgemeinheit zugänglich. An den anderen Tagen werden die Räumlichkeiten (Saal und 2 Nebenräume) für die Vereinsarbeit gebraucht.
6 Pfarrbücherei
In dem gleichen Gebäude befindet sich die Pfarrbücherei der Pfarrgemeinde, die in den letzten Jahren neu eingerichtet wurde. 1107 Bücher stehen vor allem den Kindern und Jugendlichen zur kostenlosen Ausleihe zur Verfügung. Während der Ferien wird für die Kinder auch ein kleines Spielprogramm angeboten.
7 Kirchliche Jugendarbeit
In der Pfarrgemeinde gibt es eine organisierte Jugendgruppe der Katho‐ lischen Landjugendbewegung (ab 14Jahren). Außerdem eine Reihe von Kindergruppen, die von ausgebildeten Gruppenleitern betreut werden. Auch ein Kinderchor besteht. Schon seit geraumer Zeit gibt es neben den Buben auch 2 Gruppen von Mädchen, die als Ministrantinnen den Dienst am Altar vornehmen.
8 Krankenverein
In der Pfarrei existiert ein Krankenverein, in dem 140 Familien Mitglieder sind. Die Betreuung erfolgt durch Krankenschwestern der Sozialstation in Tauberbischofsheim.
9. Frauengemeinschaft Dittwar (siehe Seite 143)
10. Senioren
Eine aktive Seniorengruppe trifft sich wöchentlich zur Gymnastik und ein‐ mal im Monat zu einem Bildungsvortrag bzw. einer religiösen Veranstaltung.
11. Bildungswerk
im Winterhalbjahr finden für alle Interessierten eine Reihe von kirchlichen Vorträgen statt. Außerdem ein Seminar mit ca. 10 Bibelabenden.
12. Besondere Veranstaltungen
Jährlich gab es das Angebot einer größeren Reise für die Pfarrgemeinde (Rom, Heiliges Land und Sinai, Assisi, Sizilien). Auch für die Jugend gibt es größere Fahrten. Die Jugend trifft sich außerdem sehr oft auf dem uns zur Verfügung stehenden Petershof. Dort finden Freizeiten und Schulungen statt. Das größte Unternehmen sind die jährlichen Sommerlager, in denen über 100 Kinder betreut werden.
13. Die Glocke
Das wöchentlich erscheinende Mitteilungsblatt der Pfarrgemeinde, das allen Familien zugestellt wird, heißt „Die Glocke". In ihr werden neben den pfarrlichen Mitteilungen auch Nachrichten aus der Geschichte der Gemeinde veröffentlicht.
14. Kreuzhölzle
Die Pfarrgemeinde versucht, auch in unserer Zeit die Wallfahrt zur Kreuz‐ kapelle zu beleben. Am Fest Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung wird die Wallfahrt mit Hilfe der Musikkapelle Dittwar gestaltet. Es finden fast wöchentlich Gottesdienste statt.
Das Vereinsleben
Es ist eine Selbstverständlichkeit, in einer Festschrift anläßlich eines Heimatfestes die Vereine und Vereinigungen zu erwähnen, durch die das Leben in unserem Dorf geprägt wird. Ohne diese, im folgenden kurz dargestellten Kulturträger wäre auch das Heimatfest, so wie es nun gefeiert wird, nicht möglich.
Acht Vereinigungen und Vereine werden aufgeführt. Für ein Dorf unserer Größe eine bemerkenswerte Zahl.
Dittwar hat das Glück, über viele opferbereite, fähige Frauen und Männer zu verfügen. die in oft entbehrungsreicher. ehrenamtlicher Tätigkeit den „Vereinskarren“ weiterziehen. Gemeint sind alle Vorstände, Stellvertreter, Schriftführer, Rechner, Beiräte, Abteilungsleiter, Geräte- und Notenwarte, Mitglieder der Fest‐ und Vergnügungsausschüsse... und alle anderen aktiven Mitglieder, ohne die ein Verein nicht existieren könnte.
Es ist bekannt, daß viele Vereinsmitglieder durch Mehrfachmitgliedschaften stark in Anspruch genommen sind. Gerade diese Mitglieder sind für ein Dorf besonders wichtig, denn sie garantieren den Kontakt und den Meinungsaustausch der Vereine untereinander und haben meist eine besonders große Erfahrung in die Vereinsarbeit einzubringen.
Reinhold Hammerich
Arbeitsgemeinschaft der Winzer
Im Zuge der Flurbereinigung wurde im Gewann Ölkuchen Rebgelände ausgewiesen, da großes Interesse daran bestand. Die durchgeführte Bereinigung im Gewann Ölkuchen war notwendig, um durch regelmäßige Erschließung des Geländes, Entfernen der zahlreichen Steinriegel und Angleichung des Geländes, eine optimale und zeitgerechte Bewirtschaftung zu gewährleisten.
1977 wurde mit den Erdarbeiten begonnen, ca. 11500 m3 Steinriegel ent‐ fernt, und 12000 m3 Erde angefahren. Insgesamt wurden 1,7 km Schwarz‐ deckenwege und 390 m Schotterwege gebaut. Die Gesamtkosten betrugen 475 000,- DM, davon mußten die 27 zukünftigen Winzer 285 000‚- DM aufbringen, der Rest wurde durch Staatszuschüsse abgedeckt.
Nach Abschluß der Planierarbeiten und des Wegbaus standen 10,6 ha Anbaufläche zur Verfügung. Davon sind 6.51 ha Müller‐Thurgau und 4,09 ha Schwarzriesling.
1978 gründeten die Teilnehmer eine Arbeitsgemeinschaft‚ um die Spritz— und Bodenbearbeitung möglichst wirtschaftlich durchzuführen.
Bekannt ist, daß im Gewann Ölkuchen schon immer ein guterTropfen heranwuchs. Besonders die Sorte Schwarzriesling hat großen Erfolg und wurde auf Bundes- und Landesebene bereits mit Goldmedaillen ausgezeichnet.
Es wird beabsichtigt, weitere 7 Hektar Rebfläche (hauptsächlich Schwarz‐ riesling) anzulegen.
Der Arbeitsgemeinschaft der Winzer steht Heinz Haberkorn vor, Ortsobmann ist Josef Stephan und das Amt des Rechners hat Bertram Withopf inne.
Heinz Haberkorn
Frauengemeinschaft
Die Frauengemeinschaft Dittwar besteht seit dem Jahre 1906.
Zur Zeit hat sie 147 Mitglieder. Monatlich trifft sich die Frauengemeinschaft zu Vorträgen und Gemeinschaftsmessen. Das jährlich neu festgelegte Programm wird allen Frauen, auch anderer Konfessionen und vor allem Neuzugezogenen. zugestellt. Es ist breit gefächert und spricht alle an. Neben verschiedenen Kursen sind Theaterfahrten, Bildungsfahrten. Wanderungen sowie Begegnungen mit anderen Frauengemeinschaften enthalten. Bei jedweden Veranstaltungen der Pfarrgemeinde ist die Frauengemeinschaft tätig. Im Rahmen unserer alljährlichen, sehr gut besuchten Fastnachtsveranstaltungen gelang es uns auch, die Frauen anzusprechen, die unserer Gemeinschaft sonst weniger verbunden sind.
Das bedeutungsvollste Ereignis in diesem Jahr ist das 300jäh rige Jubiläum der Kreuzkapelle. Ein solches Fest erfordert sowohl die Gemeinschaft und Beteiligung aller, als auch persönliches Engagement eines jeden einzelnen. Möge unsere gemeinsame Arbeit zum Segen für uns alle und immer mehr vom Miteinander und Füreinander geprägt werden.
Vorstand: 1.Vorsitzende: Ingrid Zegowitz, 2. Vorsitzende: Irmgard Soutschek, Schriftführerin: Maria Stephan, Kassenleiterin: Berta Hammerich, Mitarbeiterinnen: Anna Winter, Anna Link, Elfriede Zegowitz und Renate Bauer.
Irmgard Soutschek
Freiwillige Feuerwehr
Im Jahre 1948 wurde die Freiwillige Feuerwehr durch den damaligen Kreis‐ brandmeister Wilhelm Eckert, Tauberbischofsheim, gegründet. Kommandant war Isidor Hammrich.
Richard Zegowitz wurde 1954 Kommandant. Die Ausrüstung der Wehr wurde modernisiert. 1959 wurde eine Motorspritze TSA-8 angeschafft. Im folgenden Jahr weihte man dieses Gerät bei einem Feuerwehrfest feierlich ein.
1967/68 wurde in Eigenleistung das neue Feuerwehrgerätehaus errichtet. Armin Holler übernahm 1977 die Führung der Wehr. Richard Zegowitz wurde Ehrenkommandant.
Mit den jungen Wehrmännern verfolgte der neue Kommandant das Ziel, die Leistungsfähigkeit der Wehr weiter zu erhöhen. Mit vereinten Kräften konnte man die Leistungsabzeichen in Bronze, Silber und Gold erringen. Selbst nach diesen großen Erfolgen wird derAusbildungsstand der Wehr weiter verbessert.
Mit viel Energie und Einsatz konnte ein weiteres hoch gestecktes Ziel erreicht werden: Am 1.5.1982 wurde ein neues Feuerwehrfahrzeug (TSF) mit 4 Atemschutzgeräten eingeweiht.
Seit 1954 mußten im Ort sechs Brände bekämpft werden.
Zur Zeit verfügt die Freiwillige Feuerwehr über 3 Gruppenführer (Holler, B. Withopf und Bernd Lotter), 6 Maschinisten, 7 Atemschutzgeräteträger und 12 Funker. Kommandant ist Armin Holler, Stellvertreter Bernd Lotter. Schriftführer und Kassenwart Heinz Bauer und der Gerätewart Michael Wenzel.
Armin Holler
Gesangverein Liederkranz
Der Gesangverein Liederkranz wurde 1864 von 16 sangesfreudigen Einwohnern gegründet. Mit fast 120 Jahren ist der Gesangverein der älteste Verein im Dorf.
Am 6. Januar 1907 wurde der Verein neu gebildet und neue Vereinsstatuten erarbeitet. 52 Mitglieder erklärten ihren Beitritt.
§ 1 der Statuten beinhaltet die Übung und Pflege des Gesangs, ferner gesell‐ schaftliches Zusammenleben.
In den Kriegsjahren 1914-1918 und 1939‐1947 ruhte der Verein.
1954 vernichtete ein Brand im Vereinslokal, Gasthaus zum Straußen, Noten, Fahne und weiteres lnventar. Eine neue Fahne wurde angeschafft, die 1958 bei einem Sängerfest geweiht wurde. Im Jahre 1965 feierte man das 100jährige Bestehen des Vereins mit einem großen Sänger- und Heimatfest.
Der Verein zählt heute 87 Mitglieder, davon sind 36 aktive Sänger. Der Chor wird bereits neun Jahre von Fridolin Klebes (Werbach) geleitet. Sein Können stellt der Männerchor bei Liederabenden und Gruppensingen sowie bei kirchlichen oder weltlichen Anlässen unter Beweis.
Auch das Gesellige kommt nicht zu kurz. So stehen das Jahr über u.a. Faschingstanz, Ausflug und Weihnachtsfeier auf dem Programm.
Der Verein stellt sich auch weiterhin zur Aufgabe, das Lied und den Gesang zu pflegen, und somit wertvolles Kulturgut zu erhalten und an die Nachfahren weiterzugeben.
Rudolf Withopf
Kirchenchor St. Laurentius
Die Aufgaben des Kath. Kirchenchores sind die möglichst regelmäßige und vorbildliche Mitgestaltung der Liturgie, insbesondere an Sonn- und Feier‐ tagen‚ sowie das Mitwirken bei außerliturgischen Feiern innerhalb der Pfarr‐ gemeinde.
Nach längerer Pause wurde im Frühjahr 1980 die Probenarbeit beim Kirchenchor wieder aufgenommen. Bereits am 30.03.80. am Fastensonntag, sang der Chor erstmals wieder in unserer Laurentiuskirche, danach regelmäßig das ganze Kirchenjahr hindurch.
Den Vorstand bilden folgende Personen:
Pfarrer Rupert Kleemann, Dirigent Linus Hönninger, Ehrendirigent FritzGeßler, 1. Vorstand Theo Zegowitz, 2. Vorstand Adolf Spies, Schriftführerin Elvira Schmitt, Kassenwart Joachim Geßler und die Beiräte Lydia Hammerich, Lorenz Hammerich, Albert Lotter und Anna Winter.
Einige Sängerinnen und Sänger singen schon über 30/45 Jahre im Kirchen‐ chor Dittwar.
Unser Dirigent, Herr Linus Hönninger. kommt aus Königheim, um jede Woche mit uns am Donnerstag um 20.00 Uhr im Saal des Hirschen z u proben.
Zur Zeit besteht der Kirchenchor aus 26 Sängerinnen und Sängern, 17 Frauen und 9 Männern.
Das Jahr hindurch wirkt der Chor auch bei weltlichen Veranstaltungen mit. Zum Vereinsleben im Kirchenchor gehören ein Ausflug und u.a. ein Familienabend alljährlich mit dazu, um auch die Kameradschaft innerhalb des Chores zu pflegen.
Theo Zegowitz
Musik- und Feuerwehrkapelle
In diesem Jahr konnte mit sehr großem Erfolg das Jubiläumsfest der Musik‐ und Feuerwehrkapelle gefeiert werden.
Im Januar 1923 wurde auf Initiative der Idealisten Isidor Hammrich und Emil Honikel die Musikkapelle gegründet, der zunächst nur 13 Mitglieder angehörten. Von den Gründungsmitgliedern leben noch Eugen Boller, Hugo Hammrich, Isidor Hammrich und Emil Honikel.
Zu Beginn der sechziger Jahre regte Richard Zegowitz an, eine Feuerwehr‐ kapelle zu bilden. Dies wurde 1962 verwirklicht.
Zehn Jahre später zählte die Musik- und Feuerwehrkapelle bereits 27 Mit‐ glieder. 1973 wurde gemeinsam mit dem Bezirksmusikfest das 50jährige Bestehen gefeiert.
Die Aufwärtsentwicklung der Kapelle dauerte in den folgenden Jahren an. In Frankreich und Ungarn wurden Kontakte hergestellt, ein Besuch in den USA steht bevor.
Die Musik‐ und Feuerwehrkapelle nahm aktiv an den kirchlichen Veran‐ staltungen im Ort teil und musizierte auf vielen Festen in der nahen und weiteren Umgebung. Das wird auch in Zukunft so sein. Hoher Leistungswille, musikalisches Können und die ungebrochene Bereitschaft, musizierend zum Gelingen der Feste im Ort beizutragen, haben die Musik- und Feuerwehrkapelle zum Kulturträger ersten Ranges gemacht.
Bemerkenswerter Sproß ist die Tanzbesetzung „Die Muckbachtaler“. Die gehörten Leistungen lassen vermuten, daß sich diese Formation zu einer wesentlichen Bereicherung unseres Dorfes entwickelt.
Erwin Lotter
Sportfischerverein
Da im Zuge der Flurbereinigung die Möglichkeit bestand, in Dittwar einen Angelsee zu errichten, wurde am 6.10.1978 von 24 Interessenten der Sport‐ fischerverein gegründet.
Zum 1.Vorsitzenden wurde Helmut Barth gewählt.
Wenige Wochen nach der Gründung wurde damit begonnen, die nötigen Grundstücke zu erwerben und die Planung des Sees voranzutreiben.
Am 13.8.1978 wurde der Sportfischerverein in das Vereinsregister des Amtsgerichts Tauberbischofsheim eingetragen.
Nachdem nach zwei Jahren die Baugenehmigung endlich erteilt worden war, wurde am 18.3.1981 der erste Spatenstich ausgeführt.
Nach wochenlanger Arbeit hieß es am 18.5.1981 „Wasser marsch“ und der See wurde gefüllt.
Am 6.6.1981 wurden die ersten Forellen in den See eingesetzt.
Beim Anlegen des Sees wurden von den Mitgliedern 2 836 Arbeitsstunden geleistet und auch die finanziellen Kosten wurden von allen gleichmäßig getragen.
Am 26. und 27.6.1982 wurde das erste „Dittwarer Seefest“ mit einem großen Preisfischen abgehalten. Das Fest wurde ein voller Erfolg.
Der Sportfischerverein hat sich in das örtliche Vereinsleben sehr gut einge‐ gliedert. Er hat auch mit seinem See eine landschaftliche Bereicherung für Dittwar und für alle Dorfbewohner ein gemütliches Fleckchen zur Erholung und Entspannung geschaffen.
Helmut Barth
Turn-undSportverein
Der TSV ist mit 278 Mitgliedern der größte Verein im Ort. Davon betreibt etwa ein Drittel aktiv Sport in den einzelnen Abteilungen.
Den Kern bilden die I. und II. Mannschaft. Sie konnten in den letzten Jahren in ihrer Klasse eine gute Rolle spielen und belegten jeweils vordere Plätze. In den kommenden Jahren wird es etwas schwieriger werden, da aus dem Jugendbereich nicht mehr so viele Spieler nachrücken.
Die Jugendabteilung sah sich angesichts der sinkenden Spielerzahl gezwun‐ gen, mit dem TSV Tauberbischofsheim eine Spielgemeinschaft zu bilden, um jedem Jugendlichen die Gelegenheit bieten zu können, Fußball zu spielen. Neben der Jugendarbeit leistet der Verein einen Beitrag, das Zusam‐ menwachsen der Gesamtstadt zu fördern.
Die Aktivitäten der AH‐Abteilung nahmen in den vergangenen beiden Jahren erheblich zu. Sie entwickelt sich dadurch zu einer wichtigen Stütze des Vereins.
Die Frauenabteilung hat sich seit kurzem wieder etwas erweitert, so daß inzwischen in vier Gruppen Gymnastik und Turnen betrieben wird. Als wei‐ teren positiven Schritt darf man die Mädchenmannschaft bezeichnen, die sich an der Spielrunde 83/84 beteiligen wird.
Ansätze für die zukünftige Entwicklung sind somit bereits erkennbar. Hauptaufgabe des Vereins wird es sein, ein möglichst vielfältiges Angebot zu bieten, um auch die immer stärker wachsenden Interessen in Richtung Freizeitsport befriedigen zu können.
Eine wichtige Grundlage dazu ist das neue Sportheim, das diesen Anfor‐ derungen Rechnung trägt.
Nächster Schritt wird der Bau von zwei Tennisplätzen sein. Dadurch wird die Gesamtanlage abgerundet, und der Sportverein kann dann der sich anbahnenden Entwicklung gerecht werden.
Werner Both
Dittwarer Mundart ‐ Sprache der Heimat
Aale = Ei Fäld= Feld
ÄarbtÄrwet = Arbeit Förscht= Fürst
Aache = Eiche Flaasch= Fleisch
ausschdaffiere = ausstatten getli = günstig/gelegen
Boom = Baum gsoat = gesagt
Bendel= Schnur gornet = garnicht
Boach (Die) = Der Bach Gmoon= Gemeinde
Bobbe= Puppe Gääld= Geld
Bouz= Vogelscheuche giegse = stechen
Ba(r)ble= Regenschirmgo onne = hau ab ‐ geh fort
Biereboom = Birnenbaum ge vörri= geh vor
Blood= Blatt groos = groß =
Bool= Ball Goore= Garn
Boolich= Balg Göüger = Gockel/Hahn
Bäch= Pech Gruuch= Krug
Bäsche= Besen gwiesch = gewiss
bläide= fortgehen Groache= Kragen
babbelt/schwätzt = spricht Gloosch= Glas
Bläss= Kopf hortli = schnell
Boude= Boden/Speicher Houls= Holz
Büscheme = Tauberbischofsheim Hawwer= Hafer
dabbit = ungeschickt hot= rechts
Daihenger= (Schimpfwort) Housche= Hose
Döz = dicker Kopf Hoomer= Hammer
Daaf= Taufe Heerle= Opa
Doofel = Tafel Hejfe= Hefe
Denn = Tenne Scheunenboden Hertle= Lattenrost für Dürrobst
Dout= Pate haal = heil
Dausch= Mutterschwein haschblich= nervös
Dorr= Grünkemdarre hinnerschi = rückwärts
Dadde= Vater Hampfel = Handvoll
Diesch= Tisch Iemeszeit= Spätnachmittag
Deigschel= Lenkstange/Deichsel Jösses no = Jesus nein
Drääg= Schmutz/Dreck Koder= Kater
Eemez= Ameisen Kinn= Kinder
Fasöle= Bohnenkerne Klumpe= Quark
Frad= Freude Kümmerling= Gurke
Flogsch= Flachs Kärch= Kirche
Foos = Faß kaafe= kaufen
Frousch = Frosch Kummet = Geschirr für Gespann
Freckling= (Schimpfwort)
Latwerch/Laberches = Zwetschgen‐ schdagse = stottern
marmelade schdribbse = stehlen
letscht = vor kurzem Schdeuber = Stütze
Läwe = Leben Schwaaß = Schweiß
läsche = lesen sabberlotl = toll o.ä‚ (?)
Mouscht = Most/Apfelwein spaatze= spucken
minnanner = miteinander taguff = wohlauf
Moud= Schlamm udädele= kleinerSchaden
meschugge = durcheinander/ übberzwerch = durcheinander/
verrückt kreuz und quer
Noopf= Napf uffgschwänzt/
nü = nüber uffgedackelt = aufgetakelt
nuff= hinauf vörschi= vorwärts
nunner= hinunter Vodder= Vater
Näwel= Nebel verhawe= verhauen
Ohmet = 2. Heuschnitt verlechelt= ausgetrocknet
Ohroa= Hang Wejert= Weinberg
oube = oben Wejd/Weed = (breite Wasserstelle)
Ocksch = Ochse Tränke
ohner= einer Wiesche= Wiese
Ohmer= Emer woar = war
Opfel= Apfel Waschlavoor = Waschschüssel
pressiere= eilen Wäch= Weg
Plootz = flacher Hefeteigkuchen wist = links
protze = angeben Zoo = Zahn
rü= rüber Zemmel = Zweig
Raaf= Reif zammegedatscht
reduur= zurück = ein‐/zusammengefallen
rejde= reden Zohne = Korb
Rächt = Recht Zichle/Überzüchle = Kopfkissen
Sunn = Sonne Schlagg = großer Kerl/Mann
schlejcht = schlägt Schrulle = häßliche Frau
Schohle= Tasse Schinger = flacher Tragekorb
Schoude = böser Mann, Schlejchel = Schlegel Draufgänger
Staffel = Treppe Stütze= Holzkrug = Streit
Sester= Dickkopf (altesTrocken‐ Schlabbe = Hausschuhe hohlmaß, Scheffel)
Rudolf Walz
Dihbermer Bräuch
Brauchtum findet wieder wachsendes Interesse. Bräuche werden in den Dörfern gepflegt oder wieder eingeführt. Die Rückbesinnung auf Überliefertes hängt mit Bemühungen zusammen, die dörfliche Identität zu erhalten und zu festigen.
Auch in Dittwar gibt es solche Bestrebungen, man denke dabei z. B. an den Hammeltanz, der seit wenigen Jahren wieder veranstaltet wird.
„Dibbermer Bräuch’ unn ehnliches Zäuch'" gibt es noch, viel davon ist uns gar nicht bewußt. Allerdings wurde manches schon vergessen, einiges droht verloren zu gehen. Um zu retten. was noch zu retten ist, erscheint es not‐ wendig, die Gebräuche festzuhalten. Da schriftlich fast nichts überliefert ist, bieten die Erzählungen unserer älteren Mitbürger die beste Möglichkeit, örtliche Bräuche zu erkunden und zu dokumentieren. Dabei dürfen wir unse‐ ren Dorfältesten, den Herren Isidor Hammrich, Hugo Maninger und Isidor Maninger herzlich für ihre Mitarbeit danken.
Was nun hier folgt, ist eine unvollständige. knappe Sammlung eines Teils unseres Brauchtums. Manches davon wird vielen Lesern so selbstverständlich erscheinen, daß sie sich wundern, warum dies festgehalten wurde. Aber dieser Artikel über unsere Bräuche erhebt nicht den Anspruch, in allen Sätzen für jeden Leser bedeutsam zu sein, sondern es geht darum, ein kleines Signal zu setzen:
Großeltern und Eltern sollten mit ihren Enkeln und Kindern wieder mehr über das frühere Leben in unserem Dorf sprechen. Die Jugend ist in dieser Hinsicht aufgeschlossener und interessierter, als allgemein vermutet.
Äregoonsch (Erntegans): Die letzte Fuhre mit Garben schmückten die Bauern mit „grüni Weddel" (Laubholzzweige). um ihrer Freude über die abgeschlossene Ernte Ausdruck zu verleihen.
Brootworschtbendel: Wollte man sich an anderer Leute Dummheit erfreuen, so schickte man einen Unwissenden (meist ein Kind) beim Schlachten fort, um bei einem Bekannten Brootworschtbendel zu holen.
Chrischkinnle: „Es Chrischkinnle wor doo!" heißt es am Heiligabend, wenn die Kinder zum Gabentisch gerufen werden. Früher hatten die Kinder das Glück, das Chrischkinnle leibhaftig zu sehen: eine unkenntlich gemachte, hellhaarige Frauensperson (Flachs- oder Hanfperücke) mit hoher Stimme, auf dem Rücken goldene Flügel. Oft war das Chrischkinnle in Begleitung von Maria und Josef. Für den Esel wurde jeweils ein Gefäß mit Futter be‐ reitgestellt.
Foschenoocht: Heute wie früher ziehen verkleidete und maskierte Kinder von Tür zu Tür, um zu fechten (betteln). Früher rieben die Kinder dabei die Fingerspitzen der rechten Hand und ließen ein forderndes „nommenommenommenomme" hören. Heute ist ein kurzes Liedchen in hochdeutscher Sprache üblich:„Ich bin ein armer König, gebt mir nicht zu wenig, laßt mich nicht zu lange steh’n, denn ich muß noch weitergeh'n!"
In den zwanziger Jahren war es einige Jahre lang üblich, daß junge, etwa 20-25jährige Männer mit der Wasserbutte von Haus zu Haus zogen, um becherweise Mouscht‚ aber auch Knäudeli und Dörrflaasch zu erbetteln. ln stark angeheitertem Zustand ging es dann zum „Süß“, um dort die Beute zu verzehren.
Foschenochtsküchli unn Hutzelbrüh: Hauptspeise an Fasnacht.
Gnaukerle: In der Weihnachtszeit gehen die Eltern mit ihren kleinen Kindern zur Krippe am Marienaltar. Dort ist das Gnaukerle, ein Opferstock in Form eines Negerkindes aufgestellt. Immer wenn Geld hineingeworfen wird,
bedankt sich das Gnaukerle, indem es mit dem Kopf nickt.
Haumichblau: Kinder wurden fortgeschickt‚ um Haumichblau zu holen. Oft
erlebten sie dabei eine handfeste Überraschung.
Hauschdür verrammle: Besuchte ein Mann in der Nacht seine Angebetete, wurde von aufmerksamen Nachtgeistern die Tür von außen verrammelt, um dem nächtlichen Besucher Schwierigkeiten zu bereiten.
Heijbhooke: Kurz vor Schluß des Dreschens (mit Dreschschläijchel) war es Brauch, ein Kind in die Nachbarschaft zu schicken. um den Heijbhooke zu holen, wobei man vorgab, ohne diesen nicht die letzte Garbe vom Gebälk herunterholen zu können. Das Kind wurde dabei ohne sein Wissen von der Nachbarsfrau mit Ruß angeschwärzt. Mit Obst oder Hutzel, manchmal auch mit einem Stock, an dessen Spitze ein Nagel befestigt war, wurde das unwissende Kind zu den Dreschern geschickt, die sich herzlich über den gelungenen Streich freuten.
Hochzich: Während in jüngerer Zeit das Hochzeitspaar Gutsli in die wartende Kindermenge wirft, war es vorher üblich, daß die Kinder dem Hochzeitspaar mit einem Bendel den Weg versperrten, um so Geld zu heischen. Noch in den zwanziger Jahren teilte man an die Dorfkinder Kuchen aus. Mußten die Kinder zu lange warten, riefen sie im Chor: „Hochzichleut schmeißt Kuche raus, sunscht kummt dr Tod in Euer Haus!" Besonders während der kirchlichen Trauungsfeier wurde früher kräftig geschossen.
Kärren: Bis vor einigen Jahren war das Kärren in der Karwoche üblich. Dabei handelte es sich um einen alten Brauch. Die Dorfbuben erzeugten mit einem großen hölzernen Gerät, der Kärre, morgens um sechs Uhr anstelle der schweigenden Glocken einen enormen Lärm und sangen dabei: ‚„Das ist das Ave und das erste (letzte) Mal zur Kirch!“
Kärwe: Eine der ganz wenigen Tanzgelegenheiten bestanden an Kärwe. In den zwanzigerJahren wurde auf der Wiese (in der Nähe der heutigenTank‐ stelle) der Göujker ausgetanzt.
Kärweplootz: An Kärwe wurde traditionsgemäß Zwätschichplootz (Zwetschgenkuchen) gebacken.
Kärwesamsti (Samstag vor Kirchweih): Kinder zogen durch das Dorf und schlugen kräftig mit kleinen Holzprügeln auf Blechbüchsen. Bei großem Lärm sangen sie: „Brüchele, Brüchele wamsti, häut is Kärwesamsti!“
Koolch-, Staab- und Spräuspur: In der Nacht bevor ein neues Brautpaar ausgerufen wurde. kennzeichneten Unbekannte den Weg der Braut zu dem Bewerber, der „näwenunnergfalle“ war. Später zog man die Spur in der Walpurgisnacht oder auch in beliebigen Samstagnächten zwischen den Häusern von zwei Verliebten, um dies im Ort bekannt zu machen.
Maien/Schandmaien: In der Nacht zum 1.Mai zierten junge Männer die Hauseingänge der Ortsschönen mit Maien (grüne Baumzweige) Häßliche und böse Mädchen fanden ihren Hauseingang mit blühenden Dornen (Schandmaien) geschmückt.
Näujoohrsbrätze: An Neujahr schenkten die Großeltern ihren Enkeln beim
Neujahrswünschen große Hefebretzen.
Näujoohrsgruß: Die Einwohner grüß(t)en sich mit „Prooscht Näujoohr" oder: „Prooscht Näujoohr, ä Brätze wie ä Schäuredoor, ä Worscht wie ä Ouferoohr, ä Fraa mit roote Hoor des wüinsch i dr förs näue Joohr!"
Näujoohrsesse:Wollte man im neuen Jahr keine Geldsorgen riskieren, mußte man am Neujahrstag Kraut und Speck essen.
Nickelaasch unn Knächt Ruprecht: Am Abend des 5. Dezember kam der Nickelaasch mit seinem Gehilfen, um die braven Kinder zu belohnen, die anderen aber zu bestrafen. Dabei setzte es oft eine gehörige Portion Prügel, mancher böse Bub kam sogar in den Sack. Häufig gab es mehr Knecht Rupprechte als Nikoläuse. Diese überzähligen Schreckgestalten hielten in den Abendstunden die Dorfbewohner, sofern sie sich auf die Gasse trauten, in Bewegung. Mit Säcken, Ketten und Ruten bewehrt, lauerten diese furchtbaren Gestalten auf ihre Chance, Angst und Schrecken zu verbreiten.
Noochtäul, Noochtkrapp, Schlootfächer‚ der schwarze Mann. das Käuzle und der Nickelaasch waren beliebte Drohgeister und Schreckgestalten, mit denen frühere Eltern‐ und Großelterngenerationen ihre Kinder und Enkel einschüchtern konnten.
Oschterhoosch: Der Glaube an den Oschterhoosch war tief verwurzelt. So bauten die Kinder an Gründonnerstag in der elterlichen Scheune Nester aus frischem Moos, worin die Kleinen tatsächlich Oschterhooscheaali fanden.
Polterabend: Sehr variantenreicher Brauch am Abend der standesamtlichen Trauung, der bei uns aber erst in den letzten beiden Jahrzehnten üblich geworden ist. (Übrigens: Nur Ton- und Porzellanwaren dürfen zerbrochen werden. das Zerbrechen von Glas bedeutet, so die Überlieferung Un‐ glück!)
Roggestubbe: Mädchen und Frauen trafen sich in der kalten Jahreszeit in der Roggestubbe (Spinnstube), um Wolle zu spinnen oder zu stricken. Von 21.00 Uhr bis 22.00 Uhr war Roggestunn. Dabei blieben die Frauen in der Roggestubbe, um zu tratschen, die Mädchen aber pflegten verschwiegene Kontakte. Pünktlich um 22.00 Uhr wurde die Arbeit wieder gemeinsam und vollzählig bis etwa 23.00 Uhr fortgesetzt. Es gab in mehreren Häusern Roggestuben, die man abwechselnd aufsuchte.
Silvester: Mit Vorderladern, geladen mit Schwarzpulver und gekautem Papier, wurde das neue Jahr lautstark begrüßt.
Wörzbüschel: Noch vor wenigen Jahren legten alle Familien darauf Wert, daß in jedem Jahr ein neuer, geweihter Wörzbüschel zur Abwehr von Unglück ins Dachgebälk gehängt werden konnte. Alte Wörzbüschel wurden am Karsamstag, morgens um 6 Uhr am Kirchplatz verbrannt. Man bezeichnete dies als Judasfeuer. Der größte Teil der Asche wurde vergraben (= den Judas vergraben).
Früher wußte man genau, welche Kräuter in den Wörzbüschel hineingehören.
Reinhold Hammerich
Sagen aus der Sammlung von Manfred Maninger
Die vom Teufel Besessene
Ein Mädchen von Dittwar ging einmal mit ihren Freundinnen hinaus, um Walderdbeeren zu sammeln. Als sie einen Platz gefunden hatten, der eine gute Ausbeute versprach, begannen sie sogleich ihre Eimer mit den gepflückten Beeren zu füllen. Selbstverständlich verzehrten sie, wie das so üblich ist, auch mal ein solches Beerchen. Das besagte Mädchen fand eine besonders große, schöne, ganz dunkelrote Erdbeere. Es konnte natürlich der Versuchung nicht widerstehen und verschluckte diese sogleich. Plötzlich be‐ gann es zu toben und jämmerlich zu schreien; es warf seinen Freundinnen alle Sünden vor, selbst die geheimsten und die aus der frühesten Kindheit. Die erschrockenen Mädchen führten sie sofort nach Hause. Unterwegs be‐ gegneten sie dem Dorfpfarrer, der infolge des Lärms auf die Straße geeilt war. Kaum hatte die Tobsüchtige den Priester erblickt, warf sie ihm auch seine „Untaten“ vor. Hierbei erzählte sie sogar, daß der Pfarrer, als er noch Student war, einmal bei einer Königshöfer Messe eine Peitsche gestohlen habe, worauf der Pfarrer, peinlich angeklagt, nur noch feststellen konnte, daß die Unglückliche vom Teufel besessen sei. Er veranlaßte die Eltern des Mädchens, es doch zu dem, fürTeufelsaustreibungen bekannten Pater „irgendwo aus'm Gaa“ zu führen. Als sie dort angekommen waren, begann der Pater sofort zu beten und den bösen Geist zu beschwören. Der Dämon verhandelte zuerst noch, er wollte nur ausfahren, wenn er dafür in einen bestimmten Baum an einer sehr belebten Kreuzung stehen dürfe. Der Pater jedoch lehnte ab. Darauf schlägt der Unhold vor, einen Weinberg als neues Betätigungsfeld für ihn zu bewilligen; auch dies konnte der Gottesmann nicht zulassen. Unter ungeheurem Lärm und Getöse verließ der Teufel schließlich den Leib des armen Mädchens, das sich ab sofort wieder normal benahm und von allem nichts wußte.
Der Mangersgraben
Wenn wir früher als Kinder von Tauberbischofsheim nach Hause liefen, nachdem uns unsere Eltern in der Stadt etwas gekauft hatten, mußten wir notgedrungen an den .‚Bischemer Tannen" vorbei, die bei der Dunkelheit ganz unheimlich wirkten und für uns Kinder sehr beängstigend waren. Dabei erzählte unser Vater immer vom Mangersgraben, der weit hinten in den Tannen sei und wo viele Unholde und Geister hausten.
Der Sage nach war Manger ein überall bekannter Bösewicht in Gissigheim und neckte nach seinem Tode noch die Gissigheimer, indem er aus seinem Speicherfensterchen herausschaute und die Bürger, die gerade in der Nähe waren, verwünschte. Der dortige Dorfpfarrer berichtete dies seinem Bischof, der diesen bösen Geist in einen Krug verbannte, den der Pfarrer in den tief‐ sten Graben weit und breit werfen mußte. Das war natürlich dieser Graben hinter dem Dittwarer Bahnhof, der früher bis zu 40 Meter tief hinunter‐ reichte. In den letzten Jahren wurde er von der Firma Brandel mit Bruch‐ schutt weitgehend aufgefüllt.
Die Sage vom Dettelbacher Missionspater
Vor vielen Jahren war zu einer der regelmäßig wiederkehrenden Missionen ein Pater aus Dettelbach in Dittwar anwesend. Am ersten Tage nach der Missionszeit trifft ein Dittwarer Schuster. der „Neckle“ genannt wurde und einziger Zeitungsleser des Ortes war, diesen Pater auf dem Wege nach Bi‐ schofsheim. Der Pater erzählt ihm nun, daß in der Gemeinde etwas nicht
in Ordnung sei und fragt ihn, ob er ihm bei der Bereinigung nicht helfen wolle. Dem Schuster, der gerne helfen möchte, wird daraufhin aufgetragen, mit einer Gruppe von Freunden einen Korb voller Erde an der Stelle im Flur „Hussenbach", an der einst eine Burg stand, zu holen. Auf dem Heimweg sollen alle sieben Schritte eine Handvoll Erde weggeworfen werden. Am Abend käme dann der Pater nochmals; Treffpunkt war das Haus Brandei in der Kirchengasse. Alles verlief, wie es der Pater aufgetragen hatte. Sie versammelten sich in jenem Haus. Der Pater beginnt zu beten und geht bald darauf hinaus auf den Flur. schließt die Türe und ruft: „Alle guten Geister loben Gott den Herrn." Dieser Vorgang wiederholt sich dreimal. Als der Pater zum dritten Mal ruft. antworten eine Frauen‐ und eine Männerstimme: „Ich auch, ich auch.” Da aber sonst niemand im Hause war und die Stimmen auch nicht bekannt waren, mußte es sich um Geister handeln Der Pater verhandelte also mit ihnen eine Weile und kehrte dann zurück in das Zimmer. Dort teilt er den Anwesenden den Preis für die Erlösung zweier armer Seelen mit. Obwohl sehr viel Geld verlangt wurde, kam es bis zum nächsten Morgen zusammen, und die, die den Korb Erde geholt hatten, begleiteten den Pater mit dem Geld nach Dettelbach. Dort angekommen, sollten die Dittwarer vor der Pforte warten, während der Pater das Geld zu seinem Vorgesetzten bringen und danach den Ort eines unermeßlichen Schatzes an der besagten Burg ihnen verraten wollte. Diese wurden aber mißtrauisch und wollten die Verwendung des nicht unbedeutenden Geldopfers erfahren. Da aber war der Pater beleidigt und rief: „Nehmt euer Geld und ver schwindet, die armen Seelen werden auch ohne euer Opfer erlöst; aber der Schatz bleibt, wo er ist." Bei späteren Grabungen und Untersuchungen wurde die jeweilige Unternehmung jedesmal durch ein Naturereignis gestört und vernichtet; einmal war es ein unheimlich schwerer Hagel, dann wieder Wolkenbrüche, Gewitter usw. Jedenfalls konnte nie etwas von diesem Schatz entdeckt werden.
Das wilde Heer
Auch im Frankenland ist die Sage vom wilden Heer bekannt und wird immer wieder erzählt. Das Wilde Heer haust der Sage nach in den großen Wäldern; bei stürmischem Wetter ist genau das Hufgetrappel der Reitpferde und auch das Waffengeklirr zu hören; es wurde auch schon gesehen, daß diese Reiter ihre Köpfe unter dem Arm trugen.
Um 1800 etwa holte ein Heckfelder Bauer in dem Dorf Beckstein Schnaps. Als er auf seinem Heimweg, es war in der Geisterstunde, im Wald anlangt, hörte er plötzlich einen riesigen Lärm, er konnte darunter alle möglichen Laute feststellen, Geschrei von Hunden, Katzen, Hähnen, Kühen usw. Er glaubte‚ daß dies das Wilde Heer sei, legte sich auf die Erde mit dem Gesicht nach unten, wie das bei einer solchen Begegnung üblich war. Die wilden Gesellen traten herbei und tranken seinen Schnaps und grölend entfernten sie sich wieder. Der Bauer erhob sich und nahm seine Krüge, und ohne den Inhalt nachzukontrollieren, kehrte er heim. Die Krüge, die sonst schon nach einigen Wochen geleert waren‚ leerten sich dieses Mal nicht, es dauerte über ein Jahr, noch immer waren sie voll, obwohl die gleiche Menge Schnaps gebraucht wurde. Da konnte der Bauer nicht umhin und erzählte seiner Frau diese Begebenheit. Ab sofort waren die Krüge leer und füllten sich nie wieder von selbst.
Der unheimliche Hund
Ein Fruchthändler aus Tauberbischofsheim, der aus Dittwar stammte, und mit einem Eubigheimer Kollegen intensiv zusammenarbeitete, mußte am Hl. Abend in der Nacht noch nach Eubigheim, um seinen Freund vor falschen Geschäften zu warnen, weil die Früchte verderben würden. Auf dem Heim‐
weg setzte sich ein großer schwarzer Hund zehn Schritte vor ihm hin. Er wußte vom Hörensagen, daß er. um sein Leben zu retten, jetzt geradeaus weiterlaufen und weder nach rechts noch nach links durfte. Also lief er immer geradeaus auf den Hund zu. Als er bei dem Hund ankam, ging dieser zwanzig Schritte weiter und setzte sich wieder, und das wiederholte sich solange, bis er aus dem Wald heraus war. Der Hund verschwand daraufhin sofort, und das Schauspiel war zu Ende.
Hexengeschichte
Ein Dittwarer Nagelschmied war auf der Walz und schlief bei seinem Meister mit einem Gesellen zusammen in einem Bett. Hier lag der Geselle vorne und er hinten an der Wand. Der Geselle wurde von Tag zu Tag magerer und
schwächer. Also fragte ihn der Dittwarer nach dem Grund, ob sie die Schlafstelle tauschen sollten, oder ob er ihm sonst irgendwie helfen könnte. Der Geselle erzählte ihm nach langem Zögern, daß jede Nacht Schlag zwölf ein Wesen hereinkommt, ihm eine Art Joch über den Kopf wirft, dann würde er zum Pferd und müßte mit dem Wesen auf dem Rücken losreiten, eine gute Stunde, dann würde er eingesperrt und gegen Morgen müßte er wieder zurückreiten. Der Dittwarer legte sich also in der nächsten Nacht nach vorne. Das gleiche widerfuhr nun ihm. Um 12 Uhr kam das Wesen, warf ihm das Geschirr über, und er mußte ebenso losgaloppieren und wurde dann einge‐ sperrt. Als das Wesen gegen Morgengrauen zurückkam und ihm wieder das Joch überwerfen wollte, fing er es auf und warf es dem Wesen über, wonach dieses sofort zum Pferd wurde, und er ritt mit ihm los. Unterwegs bei einem ihm bekannten Schmied ließ er es anhalten und das Pferd beschlagen, damit ritten sie nach Hause zurück. Am Morgen gab es kein Frühstück, welches gewöhnlich von der Tochter des Meisters gebracht wurde. Der Schmied, nach dem Grunde gefragt, sagte, die Tochter sei erkrankt, es könnte aber niemand hinein, so ernst sei die Krankheit. Der Schmiedegeselle aus Dittwar behauptete, er hätte sich früher eingehend mit Heilkunde befaßt und könnte doch bestimmt helfen. Also wurde er eingelassen. Und er stellte fest, daß die Tochter an Händen und Füßen mit Hufeisen beschlagen war. Also veran‐ laßte er sie, in der folgenden Nacht wieder zu reiten, und sie hielten wieder‐ um bei diesem Schmied an und ließen die Eisen wieder abmachen. Ab sofort war Ruhe mit diesen Hexenritten.
„Was unseren Vätern heilig war . . .“
Das historische Volksstück.
Für das Heimatfest wurde von H.Pfarrer Kleemann ein Volksstück geschrieben, das die Entstehung der Wallfahrt und ihre Geschichte bis zum Jahre 1842 schildert Es orientiert sich an den vorhandenen Dokumenten und versucht, die weltgeschichtlichen Ereignisse, die mit der Wallfahrt in Verbindung stehen, mit einzubeziehen. Hier eine kurze Inhaltsangabe:
1. Bild, Januar 1669 in Dittwar:
In der Stube von Johann Krank, dem Onkel von Jakob und Anna, die die Figuren irn Kreuzhölze gefunden haben, wird in einem Gespräch mit anderen Bürgern die politische und soziale Lage dieser Zeit geschildert.
2. Bild, 17.5.1670:
In der Stube des Schultz von Dittwar werden Johann Kranks Aussagen über den Fund der Figuren und die ersten Wunder vom Notar Faulhaber aufge‐nommen.
3. Bild, 14.9.1683auf dem Kreuzhölzle:
Die erste Kapelle ist erbaut. Viele Bürger von Dittwar und auch von Tauberbischofsheim kommen zum Wallfahrtstag „Kreuzauffindung“. In Gesprächen wird dabei über die Entwicklung der Wallfahrt berichtet. Der Stifter der ersten Kapelle Propst Hammerich erscheint persönlich. Zwei Tage vor diesem Fest fand die Entscheidungsschlacht am „Kahlen Berg" in Wien statt. Das Türkenheer wurde geschlagen und damit die tödliche Gefahr von Europa abgewendet.
4. Bild, 1.5.1720:
Der erste Eremit Christoph Neubert empfängt vor der erweiterten Kapelle verschiedene Persönlichkeiten. Er wird von dem Erwerb des Kreuzpartikels und der anderen Reliquien gesprochen.
5. Bild, 14.9.1759:
In der Wirtsstube des „Hirschen“ versammeln sich am Abend des Wallfahrtstages viele Bürger. Auch der Pater Guardian von Bischofsheim, der an diesem Tage den Kreuzweg eingeweiht hat, erscheint. Ein fahrender Student berichtet vom ausgebrochenen Geist der Aufklärungszeit, dem auch die Wallfahrt bald zum Opfer fallen soll.
6. Bild, Anfang Dezember 1822:
Von der Kapelle am Kreuzhölzle kommt es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Die Dittwarer Frauen verhindern die Versteigerung und den Ab‐ bruch.
7. Bild, 10.8.1842:
Viele Bürger haben sich vor der Kapelle versammelt. Eine Unterschriften‐
aktion wird beendet. Der Erzbischof von Freiburg wird herzlich gebeten‚die Wallfahrt wieder zu genehmigen.
Joachim Gessler