Aus: Fränkische Nachrichten vom 27. Juni 1984
betr.: besonderes vorkommnis
Schlamm schippen und Schutt schaufeln –
500 Bundeswehrsoldaten im Katastropheneinsatz
Knochenarbeit Schulter an Schulter / Ein Zehn-Tonner versinkt im Morast
von: kommandeur artillerieregiment 12 an: bundesminister der verteidigung. betr.: besonderes
vorkommnis. einsatz bei naturkatastrophe und hilfeleistung im rahmen dringender nothilfe:
hochwasserkatastrophe im main-tauber-kreis durch wolkenbrueche, bereich tauber und nebenflüsse.
Artillerieregiment 12 tauberbischofsheim, kurmainz-kaserne und 3./nachschubbataillon 12 verfügbar.
Mit diesen knappen Sätzen begann das Fernschreiben vom 22. Juni, das die Hilfsmaßnahmen der Bundeswehr im Katastrophengebiet meldete. Generalmajor Lutz Moek erteilte dem Einsatzleiter der Bundeswehr, Regimentskommandeur Oberstleutnant Rolf Eberle, die Vollmacht, auf alle Kräfte der 12. Panzerdivision zurückzugreifen. Die Bundeswehr sieht ihre Aufgabe in der "Durchführung aller Maßnahmen, die der unmittelbaren Lebensfähigkeit der Bevölkerung und der Verhinderung einer neuen Katastrophe dienen, und dies tut sie so lange, bis die anderen Hilfsorganisationen die Lage allein bewältigen können."
Soldaten im Einsatz
Der Regimentsstab in der Kurmainz-Kaserne arbeitet seit Beginn der Hilfeleistungen im Schichtdienst, ein Verbindungsoffizier wurde als Fachberater ins Landratsamt abgestellt. An diesem Tag um 8.50 Uhr sind die Soldaten schon über eine Stunde im Einsatz. Auf großen Übersichtstafeln hält man im Stabsgebäude die Stärke der Einheiten, Anzahl der Fahrzeuge sowie Einsatzort und -zeit fest. Gerade werden Suchtrupps, die entlang von Tauber und Brehmbach Tierkadaver markieren sollen, ausgeschickt. Der stellvertretende Ortsvorsteher
von Königheim hatte Spezialfahrzeuge zur Warmwasserbereitung angefordert, um die Bevölkerung duschen zu lassen: der Stab beginnt die Hilfe zu organisieren.
Um 9.16 Uhr fährt Oberstleutnant Eberle in seinem Dienstwagen zu einer kurzen Absprache mit Regierungs-direktor Hasenbusch, dem Einsatzleiter. Bei der anschließenden Fahrt durch das Brehmbachtal begegnen ihm mehrere Gruppen von Soldaten, die den Bachlauf von Schwemmgut befreien, damit das Wasser bei weiteren Regenfällen ungehindert abfließen kann. Am Ortseingang von Königheim winkt ein Bereitschaftspolizist, der gerade kopfschüttelnd einen zivilen Pkw abgewiesen hat, den Bundeswehr-Geländewagen vom Typ "Iltis"
durch. Die Polizei und alle anderen Hilfsorganisationen haben große Schwierigkeiten mit der seit Freitag voranschreitenden "zweiten Katastrophe": den nicht endenwollenden Strömen von Neugierigen und Schaulustigen.
Verstopft und gesperrt
Um 9.46 Uhr ein kurzer Halt am Königheimer Rathaus, dann geht es, zusammen mit Landrat Georg Denzer, weiter nach Gissigheim und Brehmen, vorbei an einem zertrümmerten Sägewerk, vorbei an immer neuen Stätten der Verwüstung. Unterwegs an Brücken und Durchflüssen wird gehalten. Verstopfungen und Sperren werden entweder selbst beseitigt, "endlich haben wir mal was geleistet", notiert und weitergemeldet. Am Stausee oberhalb von Brehmen weist der Landrat den Regimentskommandeur in die Ursachen und den Verlauf der Katastrophe ein. Er beschreibt den Wolkenbruch, der sich auf ein Gebiet von zirka 20 Quadratkilometer konzentrierte, erläutert den Dammbruch des Regenrückhaltebeckens und zeigt den
weiteren Verlauf der Wasserwellen, die sich, aus zehn verschiedenen Richtungen kommend, auf das Taubertal zuwälzten.
Es beginnt zu regnen, als Landrat Denzer, wieder in Gissigheim angelangt, zwei Sachverständigen der Badischen Gebäudeversicherung die Unterstützung von zwei Kreisbauräten bei der Schätzung der Gebäudeschäden anbietet.
Schlamm aus dem Kuhstall
In Dittwar arbeiten sich Landrat Denzer und Oberstleutnant Eberle mühsam zur Ortsmitte vor. Einsatzfahrzeuge verstopfen die Straßen. Um 11.10 Uhr ertönt eine Lautsprecheransage: Eine Gissigheimer Bäckerei hat kostenlos Brötchen zur Verfügung gestellt, die am Feuerwehrgerätehaus verteilt werden. Soldaten vom Luftwaffenfernmelderegiment 32 schaufeln Schlamm aus einem Kuhstall. Fast 100 Mann der Laudaer Luftwaffe sind hier seit 8 Uhr im Einsatz. Landrat Georg Denzer bleibt in der Einsatzzentrale zurück, Oberstleutnant Eberle fahrt zu einer schwer beschädigten Gärtnerei am Ortsausgang von Dittwar. Hier arbeiten Soldaten der
3. Kompanie des Nachschubbataillons 12 mit riesigen Feldarbeitsgeräten und Zehntonner- Lkw. Bundeswehr und Technisches Hilfswerk haben eine Kette gebildet um den angeschwemmten Schutt möglichst schnell zu verladen. Ein 10-Tonner mit Kran hat sich in der 30 Zentimeter dicken Schlammschicht festgefahren.
Giftschrank gefunden
Beim Dittwarer Bahnhof räumen 55 Soldaten der 5./121 den Muckbach frei. Ihr Batteriechef kommt über die Straße und meldet dem Regimentskommandeur. Er führt ihn zu einem angespülten, stark beschädigten Kühlschrank, der auf einer Müllhalde von Wiese am Bachgrund liegt. Der Kühlschrank enthält teilweise schon ausgelaufene Flaschen und Dosen mit Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden. Einige Schritte weiter liegt eine tote Kuh unter dem Schutt, und auch ein noch halbvoller, glücklicherweise unversehrter Öltank findet sich etwas abseits in einem Getreidefeld am Straßendamm. Fahrzeuge würden hier einsinken, zur Bergung der
Gifte müssen Spezialisten in Schutzanzügen gerufen werden. Diese Probleme wird der Kommandeur um
13 Uhr bei der Sitzung des Krisenstabes im Landratsamt vorbringen. Dort wird dann die wichtige Koordinierung mit den anderen Hilfsdiensten sichergestellt.
In Königheim scheint dann die Sonne. Es ist 12.15 Uhr und die meisten Helfer gönnen sich eine kurze Mittagspause. Ein Geruch von Sauerkraut liegt in der Luft. DRK und Feuerwehr verteilen kostenlose Mahlzeiten. Nach einem kurzen Gespräch mit Oberstleutnant Förster, dem Kommandeur des Feldartilleriebataillon 121, der in Königheim den Einsatz von 130 seiner Soldaten leitet, fährt Oberstleutnant Eberle zur Königheimer Kläranlage.
Brücke wird gesprengt
Die dortige Brücke ist eingestürzt. Männer vom Technischen Hilfswerk bohren Sprenglöcher in den Asphalt, Spezialisten aus Mannheim schneiden Plastiksprengstoff in kleine Portionen. Für 14 Uhr ist die Sprengung geplant. Bundeswehrsoldaten mit Lkw und Kran stehen bereit, um die Trümmer anschließend zu verladen.
Um 12.45 Uhr geht es zurück nach Tauberbischofsheim: die für 13 Uhr angesetzte Sitzung des Krisenstabes drängt. Im Regimentsstab werden ab 17 Uhr allmählich die Rückmeldungen der einzelnen Truppenteile entgegengenommen. 500 Soldaten aus Tauberbischofsheim, Hardheim und Lauda, mit knapp 70 Fahrzeugen, beteiligten sich an den Aufräumungsarbeiten, Wasserbehälter mit einer Gesamtkapazität von 7000 Litern wurden im Notstandsgebiet verteilt, Übernachtungsmöglichkeiten für auswärtige Hilfskräfte geschaffen und zahllose Portionen Verpflegung bereitgestellt. Doch in den Stäben und Einsatzleitungen kehrt noch immer
keine Ruhe ein. Es wird weiter geplant, gerechnet und organisiert, denn alles muß bereit sein, wenn sich am Montagmorgen der Apparat der Hilfsorganisationen wieder in Bewegung setzt.
hau
betr.: besonderes vorkommnis
Schlamm schippen und Schutt schaufeln –
500 Bundeswehrsoldaten im Katastropheneinsatz
Knochenarbeit Schulter an Schulter / Ein Zehn-Tonner versinkt im Morast
von: kommandeur artillerieregiment 12 an: bundesminister der verteidigung. betr.: besonderes
vorkommnis. einsatz bei naturkatastrophe und hilfeleistung im rahmen dringender nothilfe:
hochwasserkatastrophe im main-tauber-kreis durch wolkenbrueche, bereich tauber und nebenflüsse.
Artillerieregiment 12 tauberbischofsheim, kurmainz-kaserne und 3./nachschubbataillon 12 verfügbar.
Mit diesen knappen Sätzen begann das Fernschreiben vom 22. Juni, das die Hilfsmaßnahmen der Bundeswehr im Katastrophengebiet meldete. Generalmajor Lutz Moek erteilte dem Einsatzleiter der Bundeswehr, Regimentskommandeur Oberstleutnant Rolf Eberle, die Vollmacht, auf alle Kräfte der 12. Panzerdivision zurückzugreifen. Die Bundeswehr sieht ihre Aufgabe in der "Durchführung aller Maßnahmen, die der unmittelbaren Lebensfähigkeit der Bevölkerung und der Verhinderung einer neuen Katastrophe dienen, und dies tut sie so lange, bis die anderen Hilfsorganisationen die Lage allein bewältigen können."
Soldaten im Einsatz
Der Regimentsstab in der Kurmainz-Kaserne arbeitet seit Beginn der Hilfeleistungen im Schichtdienst, ein Verbindungsoffizier wurde als Fachberater ins Landratsamt abgestellt. An diesem Tag um 8.50 Uhr sind die Soldaten schon über eine Stunde im Einsatz. Auf großen Übersichtstafeln hält man im Stabsgebäude die Stärke der Einheiten, Anzahl der Fahrzeuge sowie Einsatzort und -zeit fest. Gerade werden Suchtrupps, die entlang von Tauber und Brehmbach Tierkadaver markieren sollen, ausgeschickt. Der stellvertretende Ortsvorsteher
von Königheim hatte Spezialfahrzeuge zur Warmwasserbereitung angefordert, um die Bevölkerung duschen zu lassen: der Stab beginnt die Hilfe zu organisieren.
Um 9.16 Uhr fährt Oberstleutnant Eberle in seinem Dienstwagen zu einer kurzen Absprache mit Regierungs-direktor Hasenbusch, dem Einsatzleiter. Bei der anschließenden Fahrt durch das Brehmbachtal begegnen ihm mehrere Gruppen von Soldaten, die den Bachlauf von Schwemmgut befreien, damit das Wasser bei weiteren Regenfällen ungehindert abfließen kann. Am Ortseingang von Königheim winkt ein Bereitschaftspolizist, der gerade kopfschüttelnd einen zivilen Pkw abgewiesen hat, den Bundeswehr-Geländewagen vom Typ "Iltis"
durch. Die Polizei und alle anderen Hilfsorganisationen haben große Schwierigkeiten mit der seit Freitag voranschreitenden "zweiten Katastrophe": den nicht endenwollenden Strömen von Neugierigen und Schaulustigen.
Verstopft und gesperrt
Um 9.46 Uhr ein kurzer Halt am Königheimer Rathaus, dann geht es, zusammen mit Landrat Georg Denzer, weiter nach Gissigheim und Brehmen, vorbei an einem zertrümmerten Sägewerk, vorbei an immer neuen Stätten der Verwüstung. Unterwegs an Brücken und Durchflüssen wird gehalten. Verstopfungen und Sperren werden entweder selbst beseitigt, "endlich haben wir mal was geleistet", notiert und weitergemeldet. Am Stausee oberhalb von Brehmen weist der Landrat den Regimentskommandeur in die Ursachen und den Verlauf der Katastrophe ein. Er beschreibt den Wolkenbruch, der sich auf ein Gebiet von zirka 20 Quadratkilometer konzentrierte, erläutert den Dammbruch des Regenrückhaltebeckens und zeigt den
weiteren Verlauf der Wasserwellen, die sich, aus zehn verschiedenen Richtungen kommend, auf das Taubertal zuwälzten.
Es beginnt zu regnen, als Landrat Denzer, wieder in Gissigheim angelangt, zwei Sachverständigen der Badischen Gebäudeversicherung die Unterstützung von zwei Kreisbauräten bei der Schätzung der Gebäudeschäden anbietet.
Schlamm aus dem Kuhstall
In Dittwar arbeiten sich Landrat Denzer und Oberstleutnant Eberle mühsam zur Ortsmitte vor. Einsatzfahrzeuge verstopfen die Straßen. Um 11.10 Uhr ertönt eine Lautsprecheransage: Eine Gissigheimer Bäckerei hat kostenlos Brötchen zur Verfügung gestellt, die am Feuerwehrgerätehaus verteilt werden. Soldaten vom Luftwaffenfernmelderegiment 32 schaufeln Schlamm aus einem Kuhstall. Fast 100 Mann der Laudaer Luftwaffe sind hier seit 8 Uhr im Einsatz. Landrat Georg Denzer bleibt in der Einsatzzentrale zurück, Oberstleutnant Eberle fahrt zu einer schwer beschädigten Gärtnerei am Ortsausgang von Dittwar. Hier arbeiten Soldaten der
3. Kompanie des Nachschubbataillons 12 mit riesigen Feldarbeitsgeräten und Zehntonner- Lkw. Bundeswehr und Technisches Hilfswerk haben eine Kette gebildet um den angeschwemmten Schutt möglichst schnell zu verladen. Ein 10-Tonner mit Kran hat sich in der 30 Zentimeter dicken Schlammschicht festgefahren.
Giftschrank gefunden
Beim Dittwarer Bahnhof räumen 55 Soldaten der 5./121 den Muckbach frei. Ihr Batteriechef kommt über die Straße und meldet dem Regimentskommandeur. Er führt ihn zu einem angespülten, stark beschädigten Kühlschrank, der auf einer Müllhalde von Wiese am Bachgrund liegt. Der Kühlschrank enthält teilweise schon ausgelaufene Flaschen und Dosen mit Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden. Einige Schritte weiter liegt eine tote Kuh unter dem Schutt, und auch ein noch halbvoller, glücklicherweise unversehrter Öltank findet sich etwas abseits in einem Getreidefeld am Straßendamm. Fahrzeuge würden hier einsinken, zur Bergung der
Gifte müssen Spezialisten in Schutzanzügen gerufen werden. Diese Probleme wird der Kommandeur um
13 Uhr bei der Sitzung des Krisenstabes im Landratsamt vorbringen. Dort wird dann die wichtige Koordinierung mit den anderen Hilfsdiensten sichergestellt.
In Königheim scheint dann die Sonne. Es ist 12.15 Uhr und die meisten Helfer gönnen sich eine kurze Mittagspause. Ein Geruch von Sauerkraut liegt in der Luft. DRK und Feuerwehr verteilen kostenlose Mahlzeiten. Nach einem kurzen Gespräch mit Oberstleutnant Förster, dem Kommandeur des Feldartilleriebataillon 121, der in Königheim den Einsatz von 130 seiner Soldaten leitet, fährt Oberstleutnant Eberle zur Königheimer Kläranlage.
Brücke wird gesprengt
Die dortige Brücke ist eingestürzt. Männer vom Technischen Hilfswerk bohren Sprenglöcher in den Asphalt, Spezialisten aus Mannheim schneiden Plastiksprengstoff in kleine Portionen. Für 14 Uhr ist die Sprengung geplant. Bundeswehrsoldaten mit Lkw und Kran stehen bereit, um die Trümmer anschließend zu verladen.
Um 12.45 Uhr geht es zurück nach Tauberbischofsheim: die für 13 Uhr angesetzte Sitzung des Krisenstabes drängt. Im Regimentsstab werden ab 17 Uhr allmählich die Rückmeldungen der einzelnen Truppenteile entgegengenommen. 500 Soldaten aus Tauberbischofsheim, Hardheim und Lauda, mit knapp 70 Fahrzeugen, beteiligten sich an den Aufräumungsarbeiten, Wasserbehälter mit einer Gesamtkapazität von 7000 Litern wurden im Notstandsgebiet verteilt, Übernachtungsmöglichkeiten für auswärtige Hilfskräfte geschaffen und zahllose Portionen Verpflegung bereitgestellt. Doch in den Stäben und Einsatzleitungen kehrt noch immer
keine Ruhe ein. Es wird weiter geplant, gerechnet und organisiert, denn alles muß bereit sein, wenn sich am Montagmorgen der Apparat der Hilfsorganisationen wieder in Bewegung setzt.
hau